Mitbestimmung, Kampf gegen prekäre Beschäftigung, Mindestlohn, Tariftreue, Korruptionsregister - das ist unser Paket für gute Arbeit. Im Gegensatz zu den leeren schwarz-gelben Schachteln ist dieses Paket prall gefüllt. Das ist gut für die Unternehmen, gut für einen fairen Wettbewerb, gut für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und gut für unser Land. Machen Sie mit! Hören Sie auf zu meckern! Das ist ein gutes Gesetz. Wir werden es heute beschließen. - Vielen herzlichen Dank.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Frau Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer jeden Tag im Betrieb steht und Vollzeit arbeitet, muss von dieser Arbeit leben können. Diese Maxime ist für die Küstenkoalition nicht verhandelbar, und sie ist gesellschaftlicher Konsens.
Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um Peanuts. 330.000 Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, erhalten zusätzliche Sozialleistungen, sind sogenannte Aufstockerinnen und Aufstocker. Jeder sechste Erwerbstätige in Deutschland erhält weniger als 8,50 € die Stunde. Diese 16 % sind bezogen auf unser Parlament ungefähr so viel wie die Piraten- und die FDP-Fraktion zusammen.
Der gesetzliche Mindestlohn hat eine große Bedeutung sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für die Gesellschaft, aber auch für die Anerkennung von Arbeit. Jeder muss tun, wozu er zu leisten imstande ist. Jeder muss so viel bekommen, dass er selbstbestimmt und frei leben kann. Das müsste auch in Ihrem Interesse sein, liebe FDP.
Meine Damen und Herren, diese Gesetze sind nicht der Untergang des Abendlandes und keine Knebelung der Wirtschaft und der Tarifparteien, wie es die Opposition suggeriert.
Fakt ist doch, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in Schleswig-Holstein in der Regel den Mindestlohn zahlen, dass sie aber bei öffentlichen Ausschreibungen gerade durch die Firmen, die sich billigerer Arbeitskräfte bedienen, ausgebotet werden.
Ich habe neulich in unserer Kommune mit Handwerkern gesprochen, die genau das beklagt haben, dass sie nämlich keine Aufträge mehr von der öffentlichen Hand bekommen, weil sie ausbilden, weil sie langfristig ihre Beschäftigten anstellen und gut bezahlen, weil sie sich in der Kommune gesellschaftlich engagieren. Das sind unsere Handwerker, die sich mit Dumpinglöhnen auseinandersetzen müssen. Für diese schafft das Tariftreuegesetz Gerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, was wir von anderen erwarten, müssen wir auch selbst erbringen. Wir können nicht in Kneipen ein Rauchverbot erlassen und selbst den Plenarsaal zupaffen. Dasselbe gilt natürlich auch für gute Arbeitsbedingungen. Das wird an der einen oder anderen Stelle Folgen haben. Entweder wird man für die Erledigung von Aufgaben mehr Geld ausgeben müssen, oder man wird Aufgaben effizient und anders gestalten müssen. Das ist ein Gesetz der Logik.
Was ist das denn für ein Linke-Tasche-rechte-Tasche-Denken, wenn wir so agieren, dass wir jetzt Lohn sparen und gleichzeitig durch Hartz IV, Wohngeld und Ähnliches aufstocken lassen! Oder wir sparen jetzt am Lohn und schaffen dadurch für Menschen keine gesicherte Rente in der Zukunft. Das ist keine nachhaltige, keine solidarische und deshalb nicht unsere Politik.
Meine Damen und Herren, ein Wort zum sogenannten Korruptionsregister. Öffentliche Aufträge sollen nur an Betriebe vergeben werden, die leistungsfähig, fachkundig und zuverlässig sind. Öffentliche Auftraggeber müssen sich dieser Zuverlässigkeit vergewissern. Sie einem Unternehmen abzusprechen, war und ist auch bei solchen Verfehlungen möglich, die nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung führen. Das ist gängiges Vergaberecht.
Wie sieht die Praxis zurzeit aus? Die Ermessensausübung findet doch so statt, dass man in der Nachbarkommune anruft und sagt: Habt ihr damit schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht? - Es wird also nach dem Hörensagen ausgeschieden und insgesamt agiert. Das soll rechtsstaatlicher sein als unser Verfahren? Das halte ich für lächerlich.
Mit dem Register wird ein Instrument geschaffen, das sicherstellt, dass die paar schwarzen Schafe, die sich durch die Herde der Ehrlichen übervorteilen wollen, eben nicht um den Zaun des Vergaberechts herumdrücken können.
Wir werden das Gesetz nach einem Jahr evaluieren und prüfen, ob wir tatsächlich Registereinträge vorgenommen haben, die entsprechend Ihrer Vorwürfe nicht richtig gewesen sind. Es geht hier nicht um eine Verurteilung, sondern um den Schutz des fairen Wettbewerbs, um einen Wettbewerb der Ehrlichen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde gerne auf die eigentlichen Vorlagen zurückkommen. Heute wurde über viele Dinge gesprochen, aber wenig über die Vorlagen, die wir heute beraten.
Ich muss zunächst einmal betonen, dass ich das Wort „Dialogkultur“ aus dem Mund von Koalitionsvertretern mittlerweile nur noch als Hohn empfinde.
Man hat wieder einmal festgestellt: Wenn es für Sie unangenehm wird, dann legen Sie auf Dialog keinen Wert mehr. Herr Dr. Stegner, ich kann verstehen, dass Sie in den vergangenen Tagen viel zu tun hatten. Fernsehauftritte sind für Sie momentan vielleicht auch wichtiger. Die Gesetzentwürfe haben Sie vielleicht noch gelesen, aber die Stellungnahmen haben Sie mit Sicherheit nicht gelesen; denn sonst hätten Sie eine andere Rede gehalten.
Bei der Beratung des Vergabegesetzentwurfs wurden die Koalitionsfraktionen in der öffentlichen Anhörung vorgeführt. Anschließend haben Sie das verschlimmbessert. Deshalb lassen Sie nun keine mündliche Anhörung mehr zu. Kritik und Bedenken von Kommunen, Wirtschafts- und Handwerksverbänden, Wohlfahrtsverbänden, Datenschützern und dem Universitätsklinikum werden von den Koalitionären achselzuckend ignoriert. Sogar der Generalstaatsanwalt und das Landeskriminalamt finden bei Ihnen kein Gehör.
Herr Stegner, ich kann verstehen, dass es für Sie persönlich wichtiger ist, was DGB Nord und ver.di Nord sagen, und dass Ihnen der Rest relativ egal ist. Ich finde es aber schon bemerkenswert, wie die Koalitionsfraktionen Wissenschaftsministerin Wende und Innenminister Breitner bei Ihren Stellungnahmen vorgeführt haben. Die Opposition hingegen muss sich anhören, dass sie sowieso nur herumnörgele und am Ende eh nicht zustimmen werde.
Meine Damen und Herren, darum geht es nicht. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass wir Gesetzentwürfe, die gravierende Auswirkungen haben können, in diesem Hause vernünftig beraten. Es muss möglich sein, rechtliche Bedenken, finanzielle Machbarkeit und soziale Folgen vernünftig zu prüfen, bevor Gesetze in Kraft treten.
Herr Dr. Stegner, mir ist es nicht egal, wenn ich wie heute Morgen eine E-Mail vom Geschäftsführer eines Integrationsbetriebs aus Kappeln bekomme, der sagt, unter den geplanten Rahmenbedingungen, wenn dieses Gesetz in Kraft trete, müsse er seinen Betrieb abwickeln. Mich lässt das nicht kalt. Herr Stegner, Sie vielleicht schon.
Lieber Herr Kollege Vogt, es sind eigentlich zwei Fragen. Ich glaube, es ist für uns alle nichts Neues, dass es zu Gesetzentwürfen immer unterschiedliche Einschätzungen und Stellungnahmen gibt.
Was mich aber noch mehr interessiert: Können Sie sich eigentlich vorstellen, dass Parteien, die eine Koalition bilden, nach der Wahl das tun, was sie vorher gesagt haben? Können Sie sich das vorstellen? Das finden Sie bei uns nämlich vor. Das ist der Punkt, durch den wir uns möglicherweise von Ihnen unterscheiden.
- Ich warte noch auf Ihre zweite Frage. Ich habe nur eine Frage beziehungsweise eher eine Feststellung gehört.
Ich kann mir das vorstellen, Herr Dr. Stegner. Wenn Sie mir etwas proaktiver zuhören würden, dann würden Sie vielleicht auch merken -
Herr Dr. Stegner, dann würden Sie vielleicht auch merken, dass es hier zu massiven Folgen kommen kann. Sie sagen zwar, dass Sie das nach einem Jahr prüfen wollen. Man sollte sich aber einmal überlegen, ob es vielleicht im ersten Jahr zu Problemen kommen kann. Vielleicht haben Sie die gleiche EMail auch bekommen und vielleicht sogar gelesen. Wenn uns der Geschäftsführer eines Integrationsbetriebs mitteilt, dass er seinen Betrieb unter den geplanten Rahmenbedingungen abwickeln und 70 Mitarbeiter entlassen müsse, dann hat das mit sozialer Politik nichts zu tun. Vielmehr sollte man das konkret prüfen.