Protokoll der Sitzung vom 22.08.2012

Lieber Kollege Habeck, nicht nur linken Patriotismus - was Sie in Ihrem Buch gefordert haben -, sondern Patriotismus des gesamten Hauses könnten wir in der Energiepolitik gern haben.

(Zurufe FDP)

Herr Kollege Vogt, ich bin da allerdings entgegen meinem Naturell nicht sehr optimistisch. Da ja unsere neue Landesregierung schlechterdings die Berliner Geschäfte nicht einfach auch noch übernehmen kann, müssen wir wohl darauf setzen, dass die Bürgerinnen und Bürger den Politikwechsel auch auf Bundesebene herbeiführen und dass die schwarz-gelbe Abwahlserie über Hannover nach Berlin verlängert wird.

Ich glaube, wir könnten uns hier immerhin auf eine Erkenntnis verständigen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das glaube ich nicht!)

- Warten Sie doch den Satz ab! Intellektuell traue ich es Ihnen zu, dass Sie dem Satz, von allein kommt die Energiewende nicht, zustimmen können. Mehr wollte ich von Ihnen gar nicht, intellektuell sehr bescheiden. Das schaffen Sie!

(Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

Von allein kommt die Energiewende nicht. Wir haben uns in unserem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, bis 2020 in Schleswig-Holstein 300 % des erneuerbaren Stroms des theoretischen Verbrauchs zu produzieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Um dies zu erreichen, gilt: Erstens brauchen wir mehr erneuerbare Energien, zweitens brauchen wir mehr Netze, drittens brauchen wir mehr Energieeffizienz, Energieeinsparung und Energiespeicherung.

Das stellt der Markt allein so nicht her. Teilweise tut er sogar genau das Gegenteil.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie sollten eine Firma gründen!)

Die derzeitigen Marktverhältnisse führen nicht zu einer rechtzeitigen Energiewende, hin zu einer sicheren, in doppelter Bedeutung sicheren, nachhaltigen und bezahlbaren Energiewende. Deswegen haben wir inzwischen alle gemeinsam den Ausstieg aus der Atomenergie festgeschrieben und die unsichersten Atomkraftwerke abgeschaltet. Damit sollte endlich eine höchstgefährliche Ausweichlösung verbaut werden. Wer weiter Strom produzieren und verkaufen will, muss sich etwas anderes suchen.

Durch den Ausstieg aus dem Ausstieg, dem unseligen Atomdeal von Angela Merkel, haben wir wertvolle Jahre verloren, die uns noch teuer zu stehen kommen werden. Das muss man leider feststellen. Umso entschlossener muss jetzt vorangegangen werden. Auch bei der Abwicklung der Atomenergie muss das besser und schneller gemacht werden, als Schwarz-Gelb das will. Das will ich hier ausdrücklich festhalten. Da ist manche Verbesserung möglich und nötig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir uns auf eine zweite Grundlage einigen könnten: Schleswig-Holstein kann und muss von der Energiewende profitieren. Wir sollten das Land zwischen den Meeren, das Vorzeigeland, das Musterland, das Vorbild für die Energiewende werden. Wir sind doch, wenn wir es richtig anfangen, der Energieversorger der gesamten Republik mit sauberer, erneuerbarer Energie, mit Wertschöpfung vor Ort, mit innovativen Kleinunternehmen, aber auch durchaus mit neuen Chancen für unsere Werften und ihre hochqualifizierten Belegschaften, mit Speichertechnik auf Weltklasseniveau, mit Bürgerbeteiligung an den Netzen. Kurz: Wir könnten ohne die großindustrielle Konnotation das für die Republik werden, was das Ruhrgebiet nach dem Zweiten Weltkrieg in Sachen Energieversorgung gewesen ist. Damit meine ich: Frischer Küstenwind für Schleswig- Holstein statt Las-Vegas-Wüstensturm, den Sie bisher für richtig hielten. Das wäre die richtige Antwort, die wir geben können und sollten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Endlich das Glücksspiel! - Zuruf Abgeordneter Wolf- gang Kubicki [FDP])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Schleswig-Holsteiner waren einmal Vorreiter, und wir haben große Potenziale. Leider sind wir in den letzten Jahren deutlich zurückgefallen. Das muss sich wieder ändern, dazu müssen die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und Betriebe, die Kommunen und das Land zusammenarbeiten - offen, vertrauensvoll und solide.

Lieber Robert Habeck, auch der Ton Ihrer Regierungserklärung, zu sagen, dass man auch Fehler mache und bereit sei, mit allen offen darüber zu reden und eine neue Kultur des Dialogs zu pflegen, ist ein guter Anfang dafür,

(Zuruf FDP)

wenn man möchte, dass man gemeinsam mit anderen etwas hinbekommen möchte, die ja mitmachen

(Dr. Ralf Stegner)

müssen, wenn wir zum Erfolg kommen wollen. Wenn Sie nicht mitmachen wollen, ist das zwar nicht schön, aber gebraucht werden vor allem diejenigen draußen im Lande, mit denen wir umgehen müssen, die Unternehmen, die Beschäftigten, die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, damit das alles klappt.

(Beifall Olaf Schulze [SPD] - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Dann mal los!)

Deswegen fördern wir die Windenergie mit all den vielen Vorteilen für Windmüller und Kommunen. Deswegen fördern wir natürlich die möglichst dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung, weil wir dringend eine bessere Energieeffizienz brauchen. Gerade deshalb machen Kohlekraftwerke ökologisch und ökonomisch keinen Sinn. Kohle in Brunsbüttel rechnet sich eben nicht. Das wissen auch die Betreiber. Da können Sie noch so viele Anträge schreiben. Gegen die Wirklichkeit lässt sich auf Dauer keine Politik betreiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir fördern dezentrale Energieerzeugung und verteilung, damit wir mit möglichst vielen Kräften an der Energiewende arbeiten können, um effizienter und bürgernäher zu sein und um nicht mehr so sehr von irgendwelchen fremddefinierten Konzernzielen großer Energieunternehmen abhängig zu sein. Deshalb fördern wir - wie mit dem Pakt mit den Wohnungsbauunternehmen geschehen - die Gebäudesanierung und nutzen diese große Chance, um die Nebenkosten gerade für Mietwohnungen zu senken. Davon profitieren alle, nämlich das Handwerk, das Arbeit hat, die Bürgerinnen und Bürger, die am Ende weniger bezahlen müssen, und klimaverträglich ist das auch. Es ist sträflich gewesen von Ihnen, das auch noch zu kürzen, anstatt für eine vernünftige Verbesserung zu sorgen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb fördern wir etwas, was bisher vernachlässigt worden ist, nämlich die Speichertechnologie, die neben dem Netzausbau ein Schlüssel der Energiewende sein wird.

Da muss Forschung, da muss Unternehmergeist, da muss Wertschöpfung stattfinden. Ich sage Ihnen: Schleswig-Holstein profitiert in vielfältiger Weise von der Energiewende. Wertschöpfung, Gewerbesteuereinnahmen, Arbeitsplätze. All das ist hier entstanden, all das kann mehr werden, wenn wir es

richtig machen und nicht zögern, sondern mit aller Kraft vorangehen.

Das ist eine Wachstumsstrategie. Ehrliche gute Arbeit in Zukunftsbranchen ist eine Wachstumsstrategie, und Wachstumsstrategie ist nicht das, was wir derzeit in England erleben und was uns neuerdings die Oppositionsparteien in diesem Haus immer wieder vortragen.

Ich appelliere deshalb an die Opposition, bei ihren Parteifreunden in Berlin bis zum Regierungswechsel mitzuhelfen, dass dieser Weg auch tatsächlich funktioniert und wir nicht ein weiteres kostbares Jahr verlieren. Wir dürfen kein Jahr mehr verlieren. Wir haben keine Zeit mehr, sondern wir haben eine große Aufgabe zu lösen. Ich appelliere außerdem an die Unternehmen, die sich bietenden Chancen beherzt zu ergreifen. Ich appelliere an die Bürgerinnen und Bürger, sich einzumischen und mitzureden. Bürgerbeteiligung ist für uns übrigens nicht Kür, sondern Pflicht. Das will ich hier ausdrücklich sagen. Bürgerbeteiligung und Transparenz sind notwendig, schnelle Entscheidungen aber auch.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Abgeordneter Uli König [PIRA- TEN])

Nicht mosern oder meckern, sondern mitmachen und mitgestalten sollte die Devise sein. Ich lade die Oppositionsparteien im Landtag ausdrücklich ein, einmal ihre Perspektive zu wechseln und sich einmal an dieser Devise zu versuchen.

Die Koalition von SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD ist die Koalition der Energiewende. Wir haben ein Konzept und keine Scheu, die notwendigen Mittel dafür einzusetzen. In der Folgeperiode der Strukturfondsförderungen ab 2014 werden wir den Schwerpunkt neben Bildung konsequent auf Energiewende und Klimaschutz legen. Im Wahlkampf haben wir übrigens angekündigt, dass wir das tun. Wir werden einhalten, was wir versprochen haben, und zwar nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen Bereichen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Wir wollen bei den Ausgaben für die Energiewende und den Klimaschutz in den Programmen zur Wirtschaftsförderung (EFRE) und zum ländlichen Raum (ELER) deutlich über die Zielvorgaben der Europäischen Kommission hinausgehen.

Wir haben eine Perspektive für ein lebenswertes und produktives Land, das Vorreiter ist bei den erneuerbaren Energien und von dieser Vorreiterrolle deutlich profitiert.

(Dr. Ralf Stegner)

Übrigens entspricht es dem volkswirtschaftlichen Einmaleins, dass alles, was knapp ist, teuer ist - die fossilen Energieträger sind knapp -, und dass all das, was wir in Hülle und Fülle haben, nämlich Wasser, Wind und Sonne, billiger ist. Das ist jedem begreiflich zu machen. Dass Sie das nicht verstehen wollen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das ist simples volkswirtschaftliches Einmaleins. Man kann noch so kenntnisreich über Strombörsen daherreden, aber an diesem Grundsatz ändert das überhaupt nichts. Das müssen wir nur begreifen und für uns nutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und wir werden das tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben Konzepte, um den Strompreis dauerhaft bezahlbar halten zu können. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass wir das auch müssen, weil wir uns keine Energiepolitik leisten können, die nur die Privilegierten gut finden. Das ist ein wesentlicher Punkt. Auch die Mieter müssen den Strom bezahlen können, nicht nur der, der es sich leisten kann, sich einen Sonnenkollektor aufs Dach setzen zu lassen. Wir wollen, dass Normalverdiener das bezahlen können.

Statt über das EEG zu jammern - lieber Robert Habeck, dabei stimme ich Ihnen ausdrücklich zu - und die Leute zu bedauern, weil der Strom teurer wird, hätten wir die Opposition lieber an unserer Seite, wenn es um Mindestlöhne, Spekulationssteuer und Vermögensabgaben geht, weil dann nämlich diejenigen einen Beitrag leisten können, die mehr haben, und nicht diejenigen, die weniger haben. Auch das gehört zur Debatte dazu. Dabei befinden Sie sich aber leider genau auf Gegenkurs. Diesen Zusammenhang muss man immer wieder deutlich machen.

(Zurufe FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Konzept, das Robert Habeck vorgelegt hat und das dem Koalitionsvertrag der drei regierungstragenden Fraktionen entspricht, können wir immer mehr Bürgerinnen und Bürger überzeugen und mitnehmen.

Angesichts des aktuellen Benzinpreises ist eines ohnehin klar: Das Schreckgespenst der steigenden Energiekosten spukt wirklich ganz woanders als da, wo Sie es immer vermuten. Die Rezepte aus Berlin sind jedoch nur große Ankündigungen und bürokratische Monster, und am Ende passiert gar nichts, außer dass der Benzinpreis weiter steigt. Das kann man feststellen, wenn man an den Tankstellen vorbeifährt.

(Christopher Vogt [FDP]: Und die Steuerein- nahmen!)

Die Politikwende ist bei dieser Landesregierung gut aufgehoben. Das gilt von der Bildungspolitik bis zur Energiepolitik. Herr Energieminister, bei diesem Kurs werden Sie die SPD-Landtagsfraktion an Ihrer Seite haben. Die Energiewende ist in der Tat eine Jahrhundertchance für Schleswig-Holstein. Wir sollten sie beherzt ergreifen. Das ist die Verantwortung, die wir übernehmen müssen und übernehmen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Vorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Idee, Energie aus der Kraft der Sonne, des Wassers und des Windes zu gewinnen und auf gefährliche und umweltschädliche Technologien wie Atom und Kohle zu verzichten, gehört zu den Gründungsidealen der grünen Partei. Ich muss bekennen, dass es mich stolz macht, dass wir nach mehr als drei Jahrzehnten Kampf auf der Straße und in den Parlamenten nun endlich so weit sind, dass wir nicht mehr über das Ob der Energiewende, sondern gemeinsam über das Wie diskutieren und um den richtigen Weg ringen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Die Energiewende ist eine der größten Infrastrukturmaßnahmen, die die Republik je erlebt hat. Innerhalb weniger Jahre wollen wir unsere Energieerzeugung auf erneuerbare Energien umstellen. Das ist mittlerweile Konsens quer durch die Gesellschaft.