Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

(Beifall im ganzen Haus)

In Schleswig-Holstein ging die Anzahl der Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten jedoch Gott sei Dank zurück. Die Zahl der im Einsatz verletzten Beamten verringerte sich in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr um 20 % auf 354 Fälle. In Kiel mag das etwas anders aussehen, wie wir gestern in der Zeitung lesen konnten.

Lieber Kollege Kubicki, liebe Kollegin Damerow, wenn Sie die Ereignisse in Hamburg mit den Verhältnissen in Schleswig-Holstein vermengen, bringt das überhaupt keinen Erkenntnisgewinn. Vieles spricht dafür, dass die Probleme in Hamburg durch

(Burkhard Peters)

das Agieren des dortigen Innensenators hausgemacht sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aha! Die SPD ist schuld!)

Meine Aussagen bezogen sich ausdrücklich auf den Verfassungsschutzbericht in Schleswig-Holstein.

Ich sehe auch nicht, dass die Schwerpunktsetzung der Landesregierung gegen Rechtsextremismus zu korrigieren ist. Rechtsextremistisch motivierte Gewalt forderte in den vergangenen Jahren mehr als 150 Todesopfer in Deutschland. Auf das Konto von Linksextremisten gingen nach dem Abklingen des RAF-Terrors in den 1980er-Jahren keine politischen Morde mehr. Die besondere Gefahr des Rechtsextremismus beruht darauf, dass er gezielt an Vorurteile und Ängste anknüpft, die bis weit in die sogenannte Mitte der Gesellschaft verbreitet sind.

Linksextremistische Inhalte und Theorien hingegen sind in der bundesrepublikanischen Gesellschaft nicht anschlussfähig. Soweit Autonome an bestimmte politische Debatten wie die Behandlung der Flüchtlingsfrage oder eine Stadtteilentwicklung anknüpfen, um daraus Kapital zu schlagen, ist dies kein Beleg dafür, dass diese Inhalte Ausdruck eines latenten Linksextremismus in der Bundesrepublik sind. Insoweit verbietet sich meines Erachtens die schlichte Gleichstellung von Links und Rechts sowohl in der Analyse als auch in den Methoden der Bekämpfung der jeweiligen Phänomene.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesen Gründen ist es nach meiner Überzeugung absolut richtig, dass sich Schleswig-Holstein im Rahmen der Kriminalprävention, also direkt an die Vorurteile und Einstellungsmuster in der Bevölkerung anknüpfend, stärker gegen die rechtsextremistischen Gefahren engagiert. Dies hat aber nichts damit zu tun, dass im Rahmen der normalen Verfassungsschutzarbeit und der Strafverfolgung auch der gewaltbereite Linksextremismus im Lande intensiv beobachtet und verfolgt werden muss. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Weitere werden wir im Innen- und Rechtsausschuss beraten.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Innenminister, Sie haben wirklich eine schwere Last zu tragen. Ich bin begeistert, dass es dem Kollegen Peters gelungen ist, beim Thema „Attraktivität des Polizeiberufs in Schleswig-Holstein“ eine Migrations- und Rechtsextremismusdebatte zu führen.

(Zuruf Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wenn Sie zu diesem Thema nicht mehr zu sagen haben, dann nehmen die betroffenen Beamtinnen und Beamte das auch zur Kenntnis.

Ich möchte dem Innenministerium für diesen Bericht danken, dessen Inhalt mich aus vielerlei Gründen sehr überrascht und mitunter sehr nachdenklich gestimmt hat. Dieser Bericht zeugt nach meiner Auffassung einmal mehr davon, welchen Umgang die Landesregierung - speziell das Innenministerium - mit ihren Landesbeamten pflegt.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass es in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als ich auch schon diesem Parlament angehört habe, Sozialdemokraten waren - der Kollege Stegner ist leider nicht mehr da -, die vehement eine zweigeteilte Laufbahn der Polizei forderten wegen der großen Herausforderungen. Dies werde dann bis zum Ende des Jahrtausends durchgeschlüsselt und umgesetzt. Im Jahr 2014 stellen wir fest, dass aus diesen vollmundigen Ankündigungen nichts geworden ist. Damit will ich nur einmal daran erinnern, dass wir es mit einer Vielzahl von Problemen zu tun haben, die nicht sehr leicht zu bewältigen sind.

Beispiellos werden die Beamtinnen und Beamten in den Berichtspunkten zum Überstundenmanagement und zur Besoldung ausgerechnet von ihrem eigenen Minister für ihre Arbeit und ihre Leistung verhöhnt. Ich finde es schon bemerkenswert, Herr Innenminister, wie Sie angesichts eines Gesamtvolumens von 360.000 Mehrarbeitsstunden bis Ende September zu folgenden Ergebnissen gelangen können:

„Der Mehrarbeitsstand der Landespolizei ist im Durchschnitt betrachtet zurzeit nicht besorgniserregend.“

Dieser durchschnittliche Stundenstand beträgt nach Ihrer Rechnung 47 Stunden vergütbarer Mehrarbeit und Überstunden. Weiter heißt es in dem Bericht:

(Burkhard Peters)

„Ein realistisches Mehr an Personal, so wünschenswert und belegbar dieses aus anderen Gründen wäre,

- dabei erklären Sie gar nicht, wie wünschenswert und belegbar dies aus anderen Gründen wäre

würde nach aller Erfahrung keine Mehrarbeitsentlastung bewirken.“

Kollegin Damerow hat auch darauf hingewiesen. Wenn wir den Gedanken konsequent umsetzen, könnten wir sagen: Noch weniger Personal wird auch keine Mehrarbeitsbelastung nach sich ziehen. - Dies kann aber allein schon logisch nicht richtig sein.

Herr Innenminister, ich möchte kurz darauf eingehen, was die Hamburger gemacht haben. Im Übrigen halte ich es für bemerkenswert, dass der Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, der übrigens auch SPD-Mitglied ist, jetzt dafür verantwortlich gemacht wird, dass Polizeibeamte mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Flaschen beworfen worden sind. Das ist eine bemerkenswerte Beschreibung eines Tatbestandes, die ich so nicht hinnehmen würde.

Der Hamburger Senat stellt der Polizei 10 Millionen € zusätzlich für eine bessere Schutzausrüstung, für die Vergütung von Überstunden und für Beförderungen zur Verfügung. Die Beamten seien in den vergangenen Wochen bei zahlreichen Demonstrationen in der Hansestadt stark gefordert gewesen. Das Geld solle Wertschätzung ausdrücken, sagte am Mittwoch ein Sprecher der Innenbehörde zu entsprechenden Medienberichten.

Herr Innenminister, ich wünsche mir, dass wir diese Wertschätzung auch unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gegenüber ausdrücken, die einer deutlich über die 47 Stunden hinausgehenden Mehrbelastung, und zwar dauerhaft, ausgesetzt sind.

(Beifall FDP und CDU)

Wir werden natürlich im Ausschuss - da können Sie sicher sein - nachfragen, wie denn die Belastungen jeweils bei den Hundertschaften ist, bei den Einzelhundertschaften und den sonstigen Spezialeinheiten, die wir haben, bei der Kriminalpolizei und bei den technischen Diensten ist. Ich kann aus meiner eigenen Verteidigererfahrung sagen, dass wir ein halbes oder Dreivierteljahr auf Auswertungen beispielsweise von PCs warten müssen, weil die Arbeitsbelastung so groß ist, dass sie gar nicht mehr wissen, wie sie mit ihrer Arbeit hinkommen. Es wäre auch für die Strafrechtspflege gut - Frau Justiz

ministerin hört vielleicht auch zu -, wenn ein bisschen mehr Kapazitäten geschaffen würden, damit die Verfahren nicht so lange dauern, wie sie gelegentlich dauern.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist für mich allerdings erschütternd, dass Sie sagen, die polizeiliche Begleitung von Demonstrationen gehört nicht zum üblichen Einsatzgeschäft der Polizei. Noch einmal: Die polizeiliche Begleitung von Demonstrationen gehört nicht zum üblichen Einsatzgeschäft der Polizei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Schutz des Grundrechts „Versammlungsfreiheit“ vorrangig dazu beiträgt, dass die Überstundenzahl der Polizei ins Exorbitante steigt, dann haben wir in Schleswig-Holstein offenbar ein Problem mit der Sicherung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Denn die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Demonstration sind tragende Grundpfeiler unserer demokratischen Grundordnung. Das sagt schon das Bundesverfassungsgericht. Deshalb gehört es selbstverständlich zum normalen Tagesgeschäft einer Polizei, das Demonstrationsrecht zu schützen, und zwar in jeder Form.

Wenn die Auffassung des Verfassungsministers Schleswig-Holsteins sein sollte, dass das nicht der Fall ist, kommt dies aus meiner Sicht einer politischen Bankrotterklärung auf ganzer Linie gleich.

Besorgniserregend sind für mich die Ausführungen zum Thema Besoldung. Die Landesregierung wurde gebeten, darüber zu berichten, ob durch die Abkehr vom Prinzip der zeit- und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifabschlusses für Beamte mögliche Auswirkungen auf die Attraktivität der Landespolizei entstehen können. Dazu führt der Bericht aus:

„Die Frage der Auswirkungen nicht zeit- und wirkungsgleicher Übernahmen von Tarifabschlüssen für die Beamtenbesoldung lässt sich nicht abschließend beantworten…“

Ich kann das abschließend beantworten: Es motiviert nicht. Wenn die Beamtinnen und Beamten jetzt feststellen müssen, dass in der Planung bis 2017, also bis zum Ende der Legislaturperiode, nur eine jährliche Besoldungsanpassung von 1 % vorgesehen ist, kann das auch nicht motivieren angesichts der Tatsache, dass wir über 1 % Inflationsrate haben und sie sehenden Auges einen Reallohnverzicht bei gestiegenen Anforderungen hinnehmen müssen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Innenminister.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall FDP und CDU)

Es muss uns doch auch darum gehen, finanzielle Anreize zu schaffen, nicht nur Motivation, nicht nur Belobigung, nicht nur Orden und Anerkennung, nicht nur Orden „Held der Arbeit“. Wir müssen auch finanzielle Anreize schaffen bei einem Markt, der in Relation und Konkurrenz zur einen und anderen Nachfrage immer weniger junge Menschen zur Verfügung stellt.

In Ihrem Bericht führen Sie aus:

„Die Belastungen, welche die Beamtinnen und Beamte im operativen Dienst tragen, sind erheblich. Daher ist es wichtig, die Erschwernisse für Einsatz- und Ermittlungskräfte entsprechend finanziell zu vergüten.“

Man darf Sie zu Ihrer Einsicht beglückwünschen. Doch für die angesprochenen Beamtinnen und Beamten hat dies indes jedenfalls gegenwärtig kaum Vorteile.

Der zweite Teil Ihrer Ausführungen - Sie wollten einmal gucken, in welchen Bereichen Sie bei der Erschwerniszulage zu höheren Dotierungen kommen könnten -, wird noch zu hinterfragen sein. Das nämlich ist der entscheidende wesentliche Teil, auf den die Beamtinnen und Beamten der Landespolizei eine Antwort erwarten dürfen.

Den Polizistinnen und Polizisten steht zweifelsohne kaum der Sinn nach Glückwünschen an ihren Dienstherrn, der durch die Modifizierung der Erschwerniszulage in seiner eilig zusammengeschusterten Erschwerniszulagenverordnung nach meiner Ansicht handwerklichen Murks fabrizierte und nach vollmundigen Ankündigungen weit hinter den finanziellen Erwartungen der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zurückgeblieben ist. Das Innenministerium hat es im Bericht deutlich zum Ausdruck gebracht: Der Berufswunsch ist zwar ungebrochen, der Beruf ist beliebt, doch wird das Land Schleswig-Holstein im Rennen um geeignete Kandidatinnen und Kandidaten in stärkere Konkurrenz mit privaten Firmen und anderen Bundesländern treten müssen. Sie haben es gesagt, Herr Innenminister. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass Schleswig-Holstein ein zuverlässiger und fürsorglicher Arbeitgeber für seine Polizistinnen und Polizisten bleibt. Ich wiederhole: Das geht nicht nur mit anerkennenden, lobenden Worten, sondern bedarf einer attraktiven Gestaltung des Berufs und damit des Einkommens. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen Dudda das Wort erteile, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam auf der Tribüne eine weitere Gruppe des Gymnasiums Altenholz im Landeshaus zu begrüßen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat nun der Kollege Wolfgang Dudda.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke dem Innenminister für seinen Bericht. Seine abschließenden Bemerkungen, dass der Bericht ehrlich und damit auch besonders anständig sei, setze ich als Selbstverständlichkeit voraus. Wenn uns der Minister hier auf Antrag berichtet, muss das ehrlich sein. Ansonsten können wir mit solchen Berichten wenig anfangen. Ich teile aber die Auffassung, dass dieser Bericht nicht für irgendeine Art von Polemik oder Klamauk geeignet ist. Dazu ist das Thema viel zu ernst. Dazu sind die Fragen, die gestellt worden sind, zu ernst.