Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Auch die vorgeschlagene Regelung zur Berufung von Schulleitern sowie die Erteilung von lehrplanmäßigem Unterricht durch Studenten lehnen wir ab. Wir sind der Überzeugung, dass es für die Schulen gut ist, wenn im ersten Bewerbungsverfahren externe Bewerber vorrangig sind. Erst dann, in einer zweiten Runde, wenn es in der ersten kein Ergebnis gab, sollten Sie interne zulassen. Nutzen Sie das!

(Beifall FDP)

Dass Sie Studenten ohne Abschluss erlauben wollen, selbstständig lehrplanmäßigen Unterricht zu erteilen, ist schlichtweg ein Desaster und zeigt zugleich, wie gering Sie den Lehrerberuf schätzen.

(Beifall FDP)

Herr Stegner, niemand würde auf die Idee kommen, einen Medizinstudenten selbstverantwortlich eine Operation durchführen zu lassen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das kann er viel- leicht einmal bei Herrn Stegner versuchen!)

Genauso wenig würde ein Auszubildender zum Beispiel im Elektrohandwerk selbstständig Installationen abnehmen und freigeben dürfen, die dem Meister vorbehalten sind. Es ist skandalös, dass sogar die verantwortliche Ministerin, die selbst einmal Präsidentin der Hochschule mit Schwerpunkt der Lehrerausbildung war, der Meinung ist, dass unsere Kinder ohne entsprechende Qualifikation gebildet werden könnten.

Echter Schulfrieden wäre für mich gegeben, wenn eine vielfältige Bildungslandschaft den individuellen Lernanforderungen, der Zielsetzung und dem Möglichen des Einzelnen Respekt zollt und Rechnung trägt. Echte Chancengerechtigkeit für unsere Kinder bedeutet doch, dass sie durch eine altersund leistungsgerechte inhaltliche gute Schulausbildung Wissen und Kompetenzen erlangen, die ihnen zukünftig ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ermöglichen. Der Auftrag der Schule muss doch sein, einen jungen Menschen gleichermaßen für den beruflichen Wettbewerb stark zu machen und die Anforderungen einer werteorientierten Gesellschaft zu vermitteln. Genau das bezeichnet man als Bildungs- und Erziehungsziele. Sie sind in Ihrem Schulgesetz zukünftig nicht mehr enthalten.

(Beifall FDP)

Schleswig-Holstein ist jetzt das einzige Bundesland, in dem Bildung und Erziehung im Schulgesetz keine herausragende Rolle mehr spielen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was für ein Un- sinn! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Genau, das ist Unsinn!)

Das ist wirklich eine Leistung für sich und deutschlandweit einmalig. Ich bitte Sie daher: Greifen Sie den Vorschlag für eine dritte Lesung auf, und ich komme gern Ihrem Wunsch einer namentlichen Abstimmung nach. - Vielen Dank.

(Anita Klahn)

(Beifall FDP, Dr. Axel Bernstein [CDU], Volker Dornquast [CDU] und Heike Franzen [CDU])

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Frau Abgeordneter Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wundere mich in der schulpolitischen Auseinandersetzung doch sehr über die hier gewählten Mittel, die Pressemitteilung der FDP vom vergangenen Mittwoch, in der behauptet wird, dass SPD, Grüne und SSW so sicher sind, dass sie es bildungspolitisch besser wissen als die schulischen Akteure vor Ort, dass sie diese Besserwisserei jetzt auch noch in Gesetzesform gießen wollen. Hier wird einfach mal so getan, als hätte man von unserem Einsatz für mehr Beteiligung, vom Bildungsdialog und von den verschiedenen Veranstaltungen in diesem Rahmen noch nie etwas gehört.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn mir dafür jegliches Verständnis fehlt, kann man sich das Leben natürlich leicht machen und den initiierten Dialogprozess schlicht ausblenden oder erklärt ihn einfach immer wieder zur Farce oder zur leeren Worthülse. Für manche ist das ganz offensichtlich eine echte Option. Wenn man dazu aber behauptet, wir würden Besserwisserei in Gesetzesform gießen, wird für mich eine Grenze überschritten. Erlauben Sie mir hier einen kleinen Hinweis: Es ist nicht lange her, da war die FDP in Schleswig-Holstein für das Bildungsressort verantwortlich. Weder der Regierungsstil der FDP noch der ihres Partners war von einer regen Beteiligung der Betroffenen geprägt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Allerdings!)

Dies gilt ganz besonders für die schulischen Akteure vor Ort. Denn wenn ich mit den Leuten an den Schulen spreche, wird ein Punkt immer wieder deutlich: Von einer so umfassenden Beteiligung wie im Rahmen unseres Bildungsdialogs konnten diese Menschen damals nur träumen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist wahr!)

Tatsache ist: Während wichtige, aber womöglich unangenehme Interessengruppen einfach von Runden Tischen ausgeschlossen wurden, haben heutzutage alle die Möglichkeit, sich einzubringen.

(Beifall Lars Harms [SSW] und Dr. Ralf Stegner [SPD] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: So ist es! - Zurufe Christopher Vogt [FDP] und Anita Klahn [FDP])

Auch wenn ich mich hier wiederhole: Wir haben den Bildungsdialog und das Anhörungsverfahren zu unserem Schulgesetz sehr wohl zum Anlass für konkrete Veränderungen genommen. Im Laufe dieses rund einjährigen Verfahrens wurden viele Einwände gehört und auch berücksichtigt. Hier lässt sich zum Beispiel das flexibilisierte Einschulalter nennen. Klar ist, dass Eltern, Lehrer, Schülervertreter, Gewerkschafter und viele andere Betroffene die Gelegenheit genutzt haben, um konstruktiv an diesem Entwurf mitzuarbeiten.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bei denen, die daran teilgenommen haben, bedanken.

(Beifall Lars Harms [SSW], Beate Raudies [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Natürlich kann in diesem Prozess nicht jede Einzelmeinung voll berücksichtigt werden. Das liegt ganz einfach in der Natur der Sache und wird auch von fast allen so verstanden. Die letzte Woche hat es deutlich gezeigt. Anstatt sich am Verlauf konstruktiv zu beteiligen, ziehen es CDU und FDP vor, populistische Gegenanträge zu stellen. Ich kann in der Kritik an unserem Gesetzentwurf und in den genannten Gegenentwürfen beim besten Willen inhaltlich nichts Neues erkennen. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass man unter dem Deckmantel der Freiheit und Eigenverantwortung zurückwill zum bildungspolitischen Chaos vergangener Tage. Wir sollten aus der Vergangenheit lernen und dringend dafür sorgen, dass Verantwortlichkeiten klar verteilt sind. Sehr viele Menschen haben mir bestätigt, dass sie sich auf dem Weg zu einem neuen Schulgesetz mitgenommen fühlen.

Natürlich können nicht sämtliche Probleme auf einen Schlag gelöst werden. Aber heute verabschieden wir in jedem Fall ein Gesetz, das die Schulbildung in Schleswig-Holstein neu definiert. Aus Sicht des SSW ist ein ganz entscheidender Punkt dabei, dass es sich hier eben nicht um ein weiteres ideologisches Konstrukt handelt. Dieser Entwurf ist nach meiner Überzeugung Ausdruck einer konsequenten Orientierung an der Chancengleichheit für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Sie sind die Gewinner, und darüber freue ich mich ausdrücklich.

(Anita Klahn)

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kernpunkte des neuen Schulgesetzes wurden hinlänglich diskutiert. Ich will deshalb nur in aller gebotenen Kürze festhalten, dass wir auf ein zeitgemäßes Zwei-Säulen-Modell aus starken Gymnasien und gestärkten Gemeinschaftsschulen setzen. Hier sollten sich weder CDU noch FDP etwas vormachen. Dieses Modell entspricht dem Wunsch sehr vieler Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte im Land - sogar dem weit überwiegenden Teil. Fakt ist: Damit modernisieren wir unser Schulsystem, ohne bewährte Strukturen zu zerschlagen.

Meine Damen und Herren, übergeordnetes und damit absolut wichtigstes Ziel der rot-grün-blauen Bildungspolitik ist es, wirklich jeder Schülerin und jedem Schüler den jeweils besten Abschluss zu ermöglichen. Dies muss völlig unabhängig vom finanziellen und sozialen Status der Eltern gelten. Dies wird auch mit dem neuen Schulgesetz möglich. Eltern können in Zukunft auf Basis einer umfassenden Beratung selbst entscheiden, welche weiterführende Schule ihre Kinder besuchen sollen. Dies wird nicht länger vorgeschrieben. Sie entscheiden, ob es das Gymnasium oder die Gemeinschaftsschule sein soll. Sie entscheiden, ob ihr Kind zwölf oder 13 Jahre zur Schule gehen soll. Beide Arten des Abiturs sind gleichwertig.

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass starke Gymnasien neben gestärkten Gemeinschaftsschulen mehr Schülerinnen und Schüler an einen höheren Bildungsabschluss heranführen werden als bisher. Diese zukunftsfesten Strukturen führen zu weit mehr Planungssicherheit für alle Beteiligten.

Erlauben Sie mir gegen Ende noch einen Blick auf die finanziellen Aspekte des neuen Schulgesetzes. Denn es freut mich außerordentlich, dass es gelungen ist, die massiven und einseitigen schwarz-gelben Einsparungen im Bildungsbereich auszugleichen. Die Berechnung der Schülerkostensätze ist endlich transparent und für alle Betroffenen nachvollziehbar. Dabei dürfte allen klar sein: Für die Einrichtungen, für die diese Umstellung mit Nachteilen verbunden ist, greifen Übergangsregelungen. Damit werden insbesondere die deutschen Schulen in freier Trägerschaft, die unsere Bildungsvielfalt bereichern und einen sehr guten Job machen, deutlich gestärkt.

Doch wie schon in vergangenen Debatten erwähnt, hat die Finanzierung für Schulen in freier Trägerschaft auch eine große minderheitenpolitische Be

deutung. Denn mittlerweile sind wir endlich - und ich sage „endlich“ - zu einer gerechten Finanzierung der dänischen Schulen zurückgekehrt.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dies geschieht - wie Sie sicher wissen - auf genau derselben Grundlage wie die Förderung der freien Schulen. Wenn es um die Finanzierung der dänischen Schulen geht, muss eines klar sein: In diesem Punkt trägt das Land Schleswig-Holstein eine ganz besondere Verantwortung. Denn diese Schulen sind nun einmal die Regelschulen für die dänische Minderheit, nicht mehr und nicht weniger. Und der Dänische Schulverein erfüllt ganz klar einen Gewährleistungsauftrag, der sonst vom öffentlichen Schulsystem zu erfüllen wäre. In der Konsequenz heißt das: Ohne dänische Schulen müsste die Beschulung der Kinder der dänischen Minderheit mit Unterricht in dänischer Sprache im öffentlichen Schulsystem erfolgen. Aus diesem Grund ist die jetzt erreichte Gleichstellung mit den öffentlichen Schulen nicht nur rechtlich geboten und bildungspolitisch sinnvoll, sondern schlicht und einfach gerecht.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Doch auch in Bezug auf den Schutz und die Förderung des Friesischen - wie es in unserer Landesverfassung in Artikel 5 festgehalten ist - leistet dieses Schulgesetz einen ganz wesentlichen Beitrag. Denn wie Sie sicher wissen, bildet die Landesverfassung, in der dieses Staatsziel seit 1990 aufgenommen ist, nur eine Art Rahmen, einen Rahmen, nach dem wir diesen Anspruch auf Schutz und Förderung über konkrete Gesetze sicherzustellen haben. Eine solche Konkretisierung wie in unserem Schulgesetz ist also nicht nur wichtig, sondern nach fast 25 Jahren auch längst überfällig. Die von uns gewählte Formulierung ist ein erster und sehr bedeutsamer Schritt. Bedeutsam ist er schon deshalb, weil wir damit zum ersten Mal seit 60 Jahren eine Basis dafür geschaffen haben, dass kulturelle Eigenständigkeit auch über das Bildungssystem sichergestellt werden kann.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal erwähnen, dass wir auch die Sinti und Roma mit in unser Schulgesetz aufgenommen haben. Wir wollen auch, dass die niederdeutsche Sprache gepflegt wird. Das sind wichtige Dinge.

(Jette Waldinger-Thiering)

Frau Klahn, der SSW würde niemals Ihrem Änderungsantrag zustimmen, da Sie wieder gern haben möchten, dass die dänischen Schulen nur 85 % Förderung bekommen. Das ist eine Diskriminierung, die wir abgeschafft haben. Darauf bin ich stolz.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. - Das Wort hat für die SPD-Fraktion Herr Abgeordneter Martin Habersaat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat in diesem Haus, seitdem ich mit dabei bin, schon so manch Biedermann den Begriff Brandstifter in den Mund genommen. Das ging bisher jedes Mal so aus, dass man sich für die Formulierung entschuldigen und das zurücknehmen musste. Vielleicht sollten wir künftig einfach davon Abstand nehmen, das in unsere Manuskripte zu schreiben.

Ein paar liberalen Legenden möchte ich an dieser Stelle entgegentreten: Erstens wurde vorgetragen, wir würden den Ersatzschulen die Luft zum Atmen nehmen. Das ist schlicht falsch. Wir geben Jahr für Jahr deutlich mehr Geld für die Ersatzschulfinanzierung aus als bisher - nach einem fairen Schlüssel, den sogar das Forum Sozial für im Wesentlichen gelungen bezeichnet. Es gibt wenige Ausnahmen, dabei handelt es sich um berufliche Ersatzschulen, und zwar solche, die bisher deutlich besser als alle anderen finanziert waren. Da haben Sie recht, da gibt es weniger Geld als bisher. Das ist aber keine Frage, die das gesamte System der Ersatzschulen beeinträchtigt, das ist eben auch nichts, mit dem wir den Ersatzschulen die Luft zum Atmen nehmen. - Im Gegenteil, wir unterstützen sie.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Flemming Meyer [SSW])

Zweiter Punkt: Sie behaupten hier einfach dreist, wir würden den Lehrerberuf nicht ernst nehmen, weil wir künftig Studentinnen und Studenten die Möglichkeit geben wollen, eigenverantwortlich zu unterrichten. Frau Klahn, was wir planen, ist eine Reform der Lehrerausbildung mit einem halbjährlichen Praxissemester, also mit einem ganzen Semester, in dem Studenten ein halbes Jahr in einer Schule unterrichten. Natürlich müssen sie in dem Rahmen auch eigenverantwortlich unterrichten dür