Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1422

Politisches Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten abschaffen, selbstverwaltete Justiz ermöglichen

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/1515

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile Frau Abgeordneter Barbara Ostmeier von der CDU-Fraktion das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich sehr herzlich dafür, dass Sie noch die Geduld haben und mir die Gelegenheit dazu ge

(Minister Dr. Robert Habeck)

ben, Ihnen zu so später Stunde noch ein justizpolitisches Thema nahezubringen. Ich würde das nicht tun, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass das ein sehr wichtiges Thema ist. Wir sollten uns der Diskussion darüber dringend stellen.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir über eine Bundesratsinitiative die Überprüfung des externen Weisungsrechtes der Justizverwaltungen gegenüber den Staatsanwaltschaften in Berlin auf den Weg bringen. Das ist eine Diskussion, die von den Berufsverbänden eingefordert wird, und zwar seit Längerem. Das ist auch eine Diskussion, die längst überfällig ist.

Meine Damen und Herren, das Thema steht ganz oben auf der justizpolitischen Agenda, das Thema wird sich nicht in Luft auflösen. Wir von der CDU wollen, dass auch zukünftig unser Rechtsstaat modern bleibt und im Übrigen in Europa seine Vorbildfunktion behaupten kann.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Die Strafverfolgung ist eine der zentralen Aufgaben des Staates. Die Verantwortlichkeit hierfür liegt bei den unabhängigen Gerichten. Aber das staatliche Anklagemonopol liegt bei den Staatsanwaltschaften. Ihre Bedeutung wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass es bei fast 80 % aller Ermittlungsverfahren nicht zu einer Anklageerhebung kommt. Verfahren werden mit oder ohne Auflagen eingestellt, ohne dass hiermit ein Gericht befasst wird.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, ich weiß, dass Sie das alles wissen, aber ein bisschen Geduld, ich bin gleich durch, nur 5 Minuten. Je schneller ich reden kann, desto schneller ist es vorbei.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, das wollen wir ja gar nicht!)

Im Gegensatz zu den Richterinnen und Richtern jedoch sind Staatsanwälte nicht unabhängig. Die Staatsanwaltschaften sind vielmehr in eine strenge Verwaltungshierarchie eingebunden, an deren Spitze das Justizministerium steht. Dieses hat nicht nur umfassende Informations-, sondern vor allem auch umfassende Weisungsrechte. Dies gilt sogar für den Einzelfall.

Ob diese Form des politischen Einflusses heute noch zeitgemäß ist, bedarf einer umfassenden Diskussion. Innerhalb der Justiz ist diese Frage bereits beantwortet. Im Roland Justizreport 2014 sprachen sich 83 % der befragten Richter und Staatsan

wälte für eine Abschaffung des politischen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften aus.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Das ist eine enorm hohe Prozentzahl bei Richtern und Staatsanwälten, das sollten wir zur Kenntnis nehmen.

Frau Kollegin, der Abgeordnete Kubicki würde Ihre Redezeit gern durch eine Bemerkung verlängern. Würden Sie dies gestatten?

Bitte schön.

Frau Präsidentin, nicht durch eine Bemerkung, sondern durch eine Frage: Frau Kollegin Ostmeier, wie viele Fälle sind Ihnen bekannt, in denen das Justizministerium - und zwar egal, in welchem Land - eine Weisung erteilt hat, ein Verfahren in einer bestimmten Art und Weise zu erledigen?

Gar keine, und ich bin froh, dass das so ist. Ich komme in meiner Rede noch darauf. Gott sei dank ist es so, dass mir gar kein Fall bekannt ist. Es würde ja nicht einmal etwas bedeuten, dass mir so etwas nicht bekannt ist, aber ich könnte Ihnen auch nach Recherchen keinen Fall benennen. Ich bin auch sehr froh - damit nehme ich einen Teil meiner Rede vorweg -, dass das nicht möglich ist. Aber es gilt, das Vertrauen der Bevölkerung in die Strafverfolgung zu stärken, und jeden Verdacht einer politischen Einflussnahmemöglichkeit auszuschließen. Gerade in Fällen, in denen die Medien, die Presse, eine Rolle spielen, in medienwirksamen Verfahren, erleben wir, dass immer wieder der Verdacht einer politischen Einflussnahme das Verfahren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz belastet.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Ich finde, deshalb sollten wir alles dafür tun, den Verdacht auszuräumen.

(Barbara Ostmeier)

(Wortmeldung Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich würde jetzt sehr gern in meiner Rede fortfahren. Ob Sie das wollen oder nicht, wir werden das im Ausschuss diskutieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber Sie er- wecken doch erst den Eindruck!)

- Nein, ich erwecke nicht den Eindruck. Nicht ich erwecke den Eindruck, der Deutsche Richterbund erweckt den Eindruck, die Neue Richtervereinigung erweckt den Eindruck, 83 % der Befragten aus Staatsanwaltschaft und Richterschaft erwecken den Eindruck und wollen diese Wende. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen - bei all den Debatten, die wir über die Autonomie der Justiz und all diese Dinge führen -, dass dieses zu so viel Unruhe führt. Gerade bei einem liberalen Politiker kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wo das Thema auf Bundesebene auf dem Tisch liegt, dass wir das nicht einfach einmal diskutieren können.

(Beifall Peter Lehnert [CDU], Jens-Christian Magnussen [CDU] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ja, natürlich bin ich dafür nur, weil ich in der Opposition bin. Dafür bin ich ja bekannt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das stimmt!)

- Fordern Sie mich nicht heraus, Herr Dr. Stegner.

(Beifall und Heiterkeit CDU)

Auch bei den großen Verbänden, dem Richterverband und der Neuen Richtervereinigung - beide gemeinsam - ist man sich in dieser Frage einig.

Dieses deutliche Ergebnis darf die Politik nicht ignorieren. Dieses Ergebnis muss nach meiner Überzeugung in einen Diskussionsprozess einmünden, dies umso mehr, als die Justizministerkonferenz im letzten November mit diesem Thema befasst war, es aber keine Unterstützung für die Initiative aus Sachsen gegeben hat.

Wenn wir einen Blick auf die Entstehung der derzeit geltenden Regelung werfen - wir blicken gerade im Justizbereich immer gern in die Vergangenheit -, dann stellen wir fest, dass das Gerichtsverfassungsgesetz von 1879 heute noch in nahezu unveränderter Form Geltung hat.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das nennt man Kontinuität!)

- Ja, das ist Kontinuität, genau. Wir haben aber auch noch andere Themen in der Justizpolitik, bei denen wir zu modernisieren versuchen. 135 Jahre

später haben wir ein anderes Verständnis von Staat als damals. Deshalb wird es Zeit für eine solche Diskussion.

Ist es wirklich noch zeitgemäß, dass ein Justizminister oder eine Justizministerin im Einzelfall in die Arbeit der Staatsanwaltschaften durch Weisung eingreifen kann? In vielen Ländern der Europäischen Gemeinschaft wird die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft im Übrigen bereits heute garantiert. Wir wollen - und dadurch unterscheiden wir uns von den PIRATEN - die Länder nicht zwingen.

Unser Antrag hat zum Ziel, dass die Länder die Möglichkeit erhalten, Modelle einzuführen, um ihre Staatsanwaltschaften von politischen Weisungsrechten frei zu halten. Ich halte das wirklich für wichtig.

Meine Damen und Herren, wenn wir über eine solche Frage sprechen, dann müssen wir auch das Vertrauen der Menschen in die Justiz im Auge behalten. Dazu habe ich gerade Ausführungen gemacht, weil Herr Kubicki diese durch seine Zwischenfrage hervorgerufen hat.

Frau Kollegin, Sie müssen bitte jetzt zum Schluss kommen.

Dazu gehört, dass Strafverfolgung durch in der Sache unabhängige Staatsanwaltschaften durchgeführt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen und Herr Dr. Stegner, falls es Sie überrascht, dass der Takt hier einmal geändert wird, weil die CDU dieses Thema vorantreiben will, dann tut mir das leid. Ich hoffe trotzdem, dass wir dieses Thema im Ausschuss miteinander sachlich und fachlich orientiert unter Einbeziehung der Berufsverbände diskutieren.

(Peter Eichstädt [SPD]: Auch das noch!)

Frau Kollegin!

Wir von der CDU-Fraktion wollen diese Diskussion führen. Wir wollen unsere Staatsanwaltschaften und ihre Leistungen für eine effektive Strafverfolgung stärken, und wir als CDU-Fraktion wollen da