Protokoll der Sitzung vom 24.01.2014

(Ines Strehlau)

(Beifall FDP)

In jedem Fall aber müssen Sie darüber nachdenken, ob die Frage des Mindestlohns für das Glücksempfinden der Menschen die zentralen Fragen beinhaltet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es aus wachstumspolitischer Sicht fatal, dass die Stadt Neumünster dem Kieler Planungsraum II zugeschlagen wurde, statt sie - wie vor Ort gewünscht in den Planungsraum III einzugliedern. Der Herr Minister weiß dies auch. Der Wachstumsmagnet unseres Landes ist Hamburg.

Ich finde die Dialogkultur, die diese regierungstragenden Fraktionen immer wieder beschwören, sensationell: Wir können miteinander reden, aber entscheiden dürfen Sie nicht. Wir hören Ihnen zu, aber wir befolgen nicht, was Sie sagen. Eine Dialogkultur ist etwas anderes. Sie müssen mit den Menschen nicht reden, wenn Ihnen schon vorher klar ist, dass Sie das, was Sie hören, nicht verarbeiten wollen. Das ist nur Zeitverschwendung.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Kollege Dr. Stegner, das werden Sie in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder hören, nämlich dass Ihre Form der Dialogkultur das Gegenteil davon ist. Das ist eine Verhöhnung derjenigen, deren Zeit Sie im Zweifel in Anspruch nehmen.

Die Scharnierfunktion, die die Landesregierung der Stadt Neumünster mit dieser Entscheidung zutragen wollte, wird die Stadt nicht erfüllen können; auch nicht mit den von Ihnen angekündigten finanziellen Mitteln für ein eigenes Regionalbüro. Die Stadt Neumünster wird mit einer solchen Rolle nicht nur überfordert, sondern sie muss einen Interessenskonflikt managen, der ihr aufgedrückt wurde. Ob es uns gefällt oder nicht, die Wachstumsimpulse kommen heute aus den Ballungszentren. Dort werden Unternehmen gegründet, dort ziehen viele junge und leistungswillige Menschen hin, dort wird wirtschaftliches Wachstum generiert. Wenn das schon so ist, dann müssen die gesetzlichen Normen so definiert sein, dass wir von dieser Entwicklung auch profitieren können.

Neumünster ist ein zentral gelegenes, dynamisches Oberzentrum, das über eine erstklassige Verkehrsanbindung mit schnellen Schienen- und Straßenverbindungen nach Hamburg selbst sowie in die gesamte Metropolregion Hamburg verfügt. Jedenfalls ist das bisher der Fall. Die Anbindung Neumünsters an den Flughafen Fuhlsbüttel ist günstiger als von

manchen Stadtteilen Hamburgs aus. Dazu verfügt Neumünster über preiswerte Grundflächen, die für die Ansiedlung von Gewerbe und Industrie sehr gut geeignet sind. Herr Ministerpräsident, das haben Sie selbst noch vor einem Jahr in diesem Hohen Haus bestätigt. Entweder haben Sie das alles mittlerweile vergessen, oder Sie wollen es vergessen machen, indem Sie Neumünster jetzt aus einer über Jahre gewachsenen Struktur herausreißen. Sachgerecht ist eine solche Entscheidung auf jeden Fall nicht.

(Beifall FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, nicht nur Ihr Gesetzentwurf, sondern auch Ihr Antrag bewältigt nicht einmal die Hälfte der Probleme. Statt eine stärkere Kooperation mit der Hansestadt zu suchen, um mittel- und langfristig eine gemeinsame Landesplanung zu etablieren, weichen Sie im Antragstext einfach aus. Wie provinziell stellen wir uns denn gerade auf? Den Antrag meiner Fraktion, der die Möglichkeit einer gemeinsamen Landesplanung eröffnen will, haben Sie offenbar ohne jede sachliche Prüfung schlicht ignoriert.

Lieber Herr Kollege Dr. Stegner, in diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, wie vor nicht einmal zwei Jahren in der Enquetekommission zur Norddeutschen Kooperation in den damals oppositionellen Reihen gedacht wurde. Das ist noch nicht so lange her. Es gibt fast noch die gleichen Personen und Persönlichkeiten. Von dem, was dort gedacht wurde, ist in der praktischen Umsetzung beim jetzigen Gesetzentwurf und beim jetzigen Antrag der regierungstragenden Fraktionen nichts mehr zu spüren. Ich möchte zuerst die damalige Stellungnahme der SPD-Fraktion zitieren. Auf Seite 96 des Berichts schreiben Sie hierzu wie folgt:

„Eine gemeinsame Landesplanung ist die Voraussetzung für eine starke wirtschaftliche Entwicklung Norddeutschlands im erweiterten Verflechtungsfeld der Metropolregion und des nördlichen Landesteils von Schleswig-Holstein. Die Schwerpunkte müssen so gesetzt werden, dass die Entwicklungsachsen sowohl entlang der Fehmarnbelt-Route als auch der Jütlandroute gestärkt werden. Von gezielter Clusterbildung wird der ganze Wirtschaftsraum Hamburg und Schleswig-Holstein profitieren.“

(Beifall FDP)

So weit waren Sie vor zwei Jahren schon einmal. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ar

(Wolfgang Kubicki)

gumentierte nicht unähnlich. In der damaligen Stellungnahme der Grünen heißt es:

„Hamburg und Schleswig-Holstein werden bundesweit und international als gemeinsamer Wirtschafts- und Arbeitsraum gesehen. Beide Bundesländer müssen diesen Sachverhalt akzeptieren und sollten ihn durch die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes und einer gemeinsamen Marketingstrategie in einen Wettbewerbsvorteil verwandeln. Hierzu gehört unter anderem eine gemeinsame Vertretung im Bund und auf der Europäischen Ebene. In der konkreten Verwaltungsumsetzung sind eine gemeinsame Landesplanung, eine gemeinsame Wirtschaftsförderung mit entsprechenden gemeinsamen Wirtschaftsförderinstituten und die Abstimmung möglicher Verwaltungsstrukturreformen notwendig.“

- So vor zwei Jahren.

Ich halte fest: Von Ihren großartigen Vorstellungen und Tönen ist heute nicht mehr viel zu hören. Statt die norddeutsche Kooperation voranzutreiben, bremsen Sie. Im Zuge einer zunehmenden Globalisierung von Verkehrs-, Waren- und Kommunikationsströmen suchen Sie weiter die Lösung im Rückzug in die Provinzialität. Dass Sie meinen, diesen Schritt gehen zu müssen, tut mir leid. SchleswigHolstein allerdings tut das nicht gut. Wenn wir uns beispielsweise die Fragen wie Dodenhof oder andere ansehen, stellen wir fest, dass wir schleswig-holsteinische Planungsräume betrachten, ohne uns um die Frage zu kümmern, was unmittelbar hinter unserer Landesgrenze passiert, und ohne uns um die Frage zu kümmern, wie Wettbewerbsvor- oder -nachteile ausgeglichen werden können.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Antrag der PIRATEN eingehen. Zielabweichungsverfahren sind bereits heute an sehr anspruchsvolle Vorgaben geknüpft. Wie anspruchsvoll diese sind, können Sie an der Einschränkung der Erweiterung von Dodenhof in Kaltenkirchen erkennen. Eine weitere Erhöhung der Anforderungen würde de facto zu einem Verbot von Zielabweichungsverfahren führen. Wenn Sie das wollen, dann sollten Sie das auch ganz offen und transparent hier fordern.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und SPD)

Das wäre wenigstens ein bisschen ehrlicher als Ihr Antrag.

Schleswig-Holstein ist ein Land mit sehr glücklichen Menschen, und so soll es bleiben; aber wir

wissen, dass ein wesentlicher Teil unserer wirtschaftlichen Stärke davon abhängt, dass es der Stadt Hamburg und der Metropolregion in besonderer Weise gutgeht. Deshalb noch einmal der dringende Appell von meiner Seite aus, den Herr Meyer und Herr Horch gelegentlich auch in ihren Reden vorantreiben, aber im praktischen Handeln kaum umsetzen: Lassen Sie uns dringend versuchen, mit dem Planungsraum Hamburg, dem Planungsraum Nordniedersachsen und dem Planungsraum Mecklenburg-Vorpommern gemeinsame Linien zu finden.

(Ines Strehlau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nichts anderes machen wir in unse- rem Antrag!)

- Aber hallo! An welchen Punkten denn? Aber dazu kommen wir vielleicht noch. - Verzichten Sie darauf, Werte zu formulieren, die mit Planungsräumen eigentlich wenig zu tun haben, und orientieren Sie sich daran, den Wohlstand für die Menschen in Schleswig-Holstein zu mehren - mit intakten Verkehrsverbindungen, mit intakten Ansiedlungsmöglichkeiten, konzentriert auf den Planungsraum Hamburg. Dann wird es Schleswig-Holstein insgesamt besser gehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Landesplanung, der von der Landesregierung vorgelegt und mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgeändert worden ist. In der Tat möchte auch ich zunächst einmal anerkennen, dass positive Ansätze darin enthalten sind. Schon genannt worden sind erste Ansätze einer Internetveröffentlichung von Planungsunterlagen. Sicherlich ist auch positiv zu bewerten, die Möglichkeiten des Vorgehens gegen das Fracking zu verbessern.

Dennoch findet der Gesetzentwurf keine Antworten auf zentrale Herausforderungen an die Landesplanung unserer heutigen Zeit. Wir brauchen nicht erst nach Stuttgart zu sehen, um festzustellen, dass es zunehmend auf Widerstand der Bürgerinnen und Bürger stößt, Großprojekte über ihre Köpfe hinweg zu planen. Man kann hierzulande die feste Feh

(Wolfgang Kubicki)

marnbelt-Querung, den Bau von Energietrassen, aber auch in kleineren Bereichen den Bau einer Kiesgrube oder - wie wir jetzt lesen konnten - die Ausweitung einer Schweinemast nennen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen zunehmend mit entscheiden und mitbestimmen, was in ihrer Heimat geschieht.

Deswegen haben wir PIRATEN beantragt, dass das Land eine Charta für echte Bürgerbeteiligung an der Planung von solchen Projekten umsetzen möge. Unsere Pläne sehen vor, dass es eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung gibt, und zwar zu einem Zeitpunkt, zudem die Entscheidung über das Ob eines Projektes noch nicht getroffen ist, dass man mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen diskutiert, ob ein neues Projekt, eine Straße, eine Trasse überhaupt Sinn macht, welche Alternativen es dazu gibt, dass man ergebnisoffen mit den Menschen erörtert, wie sie ihre Heimat gestalten wollen.

(Beifall PIRATEN)

Wenn dann ein formales Planungsverfahren eingeleitet ist, möchten wir, dass es eine öffentliche Vorhabenkonferenz gibt, um mit allen Beteiligten den Plan zu diskutieren. Wir möchten, dass, wenn es an die Anhörung der Bürgerinnen und Bürger geht, ein Merkblatt zur Verfügung gestellt wird, was wirklich verständlich darstellt, worum es geht, was geplant ist, dass man nicht aktenordnerweise Planungsunterlagen wälzen muss. Da bringt es auch nichts, das ins Internet zu stellen, wenn es keiner versteht. Wir wollen das gern verständlich machen, denn Grundlage für Transparenz ist Verständlichkeit.

(Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Und wer soll das dann machen?)

- Die Planungsbehörde, Herr Kollege Kubicki.

Wir möchten gern, dass nach Abschluss der schriftlichen Anhörungsphase zumindest bei größeren Vorhaben auch verbindlich eine mündliche Anhörung und Diskussion stattfindet. Wir möchten, dass nicht nur zu Beginn der Anhörungsphase, sondern fortlaufend während des gesamten Planungsverfahrens alle Antragsunterlagen im Internet abrufbar sind. Wir möchten, dass das Raumordnungsinformationssystem, was Sie erstmals einführen, auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist, damit man sich insbesondere dann benachrichtigen lassen kann, wenn in der Nähe der eigenen Heimat eine Planung vorhanden ist und etwas geplant wird. Gerade Stuttgart 21 hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit viel zu spät darauf aufmerksam wurde, was das Projekt überhaupt für ihre Heimat bedeutet.

Dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, keinen einzigen dieser Vorschläge aufgegriffen haben, ohne wirklich eine echte nachvollziehbare Begründung dafür zu liefern, enttäuscht mich schon; denn Sie ziehen ja keinerlei Lehren aus diesen Proteststürmen vonseiten der Bürgerinnen und Bürger, aber auch nicht aus Empfehlungen für mehr Bürgerbeteiligung, etwa des Bundesverkehrsministeriums, auch nicht aus dem Prozess, der in Baden-Württemberg, in RheinlandPfalz oder gar in Hamburg längst im Gang ist, Bürgerinnen und Bürger mehr an Planungsentscheidungen zu beteiligen. Wir sehen davon in diesem Gesetzentwurf nichts.

Wer wirklich auf Kosten der Mitbestimmung solche Verfahren möglichst beschleunigen und möglichst ungestört durchziehen will, der wird Protest ernten, und davor kann ich nur warnen. Das ist kurz gedacht. Das führt zu solchen Planungsdesastern wie im Fall der A 20 und schadet unserem Land.

Für uns PIRATEN ist Transparenz und Bürgerbeteiligung auch unter Nutzung der neuen Möglichkeiten des Internets die Grundlage und Grundvoraussetzung einer aktiven Zivilgesellschaft. Deswegen können wir die Vorschläge, die Sie hier heute vorlegen, auch nicht akzeptieren.

Ich komme zu einem zweiten Aspekt, der schon angesprochen worden ist: In der Anhörung hat vielfach Einigkeit darüber bestanden, dass das Planabweichungsrecht des Ministerpräsidenten klarer definiert und beschnitten werden muss, so etwa bei Vertretern der Kommunen, aber auch der Hansestadt Hamburg, der Industrie- und Handelskammern und des Unternehmensverbands Nord; all diese haben darauf aufmerksam gemacht - und zwar zu Recht -, dass Mega-Shoppingzentren Einzelhandelsstrukturen zerstören und damit die örtliche Versorgung der Menschen in unserem Land gefährden. Was machen Sie? - Nicht nur greifen Sie unseren Vorschlag, Abweichungsmöglichkeiten einzuschränken, nicht auf, sondern Sie weiten die Abweichungsmöglichkeiten gegenüber dem jetzt geltenden Recht sogar noch aus.

Das geht genau in die falsche Richtung. Ich möchte dazu sagen, Herr Kollege Kubicki: Es geht gar nicht darum, solche Zentren von vornherein zu verbieten, sondern es geht um das Verfahren, in dem diskutiert wird, ob wir sie wollen. Das Gesetz sieht für diese Planfeststellungen ein ganz umfangreiches Verfahren mit Bürgerbeteiligung und mit Beteiligung aller Gruppen über den Landesplanungsrat vor. Das kann man nicht einfach umgehen und aus

(Dr. Patrick Breyer)

hebeln, indem der Ministerpräsident ein Dispens erteilt. Das wollen wir nicht.

(Beifall PIRATEN)

Dementsprechend muss ich auch aus Sicht der PIRATEN sagen, dass dieser Gesetzentwurf wirklich das Gegenteil von dem Dialog ist, den Sie immer versprechen. Wir haben uns Mühe gemacht, konstruktive Vorschläge vorzulegen, auf die Sie aber überhaupt nicht eingegangen sind. Dementsprechend ist dieses Gesetz kein Planungsrecht der Bürger und dementsprechend auch kein Planungsrecht der PIRATEN. - Danke schön.

(Beifall PIRATEN - Zuruf SPD: Das schmerzt uns jetzt weniger!)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms.