Protokoll der Sitzung vom 19.02.2014

Landesrechnungshofs unbegrenzt viele Amtszeiten amtieren kann?

Nein, ich habe mich auf diejenigen Beauftragten beschränkt, die unmittelbar dem Parlament zugeordnet sind. Da ist es so.

(Torge Schmidt [PIRATEN]: Das ist beim Rechnungshof auch so!)

Diese Vielfältigkeit belegt, dass der oft beschworene Gesichtspunkt der Unabhängigkeit keineswegs eine Begrenzung der Amtszeit zwingend erforderlich macht. Auch ein Blick auf den gegenwärtigen Amtsinhaber zeigt: Die Befürchtung, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten sei gefährdet, weil dieser sich lieb Kind machen müsse, um wiedergewählt zu werden, ist geradezu abwegig. In seinem Kampf für mehr Datenschutz und Privatsphäre ist Thilo Weichert bislang in keiner Weise damit aufgefallen, nicht anecken zu wollen oder anderen nach dem Mund zu reden. Im Gegenteil: Er tritt deutschlandweit als einer der kantigsten und profiliertesten Datenschützer auf.

Auch die anderen Beauftragten in Schleswig-Holstein sind - jeder oder jede in ihrem Gebiet - mutige und oft unbequeme Streiterinnen und Streiter für die Belange der ihnen anvertrauten Interessengruppen. Oder wollen Sie behaupten, Frau Wille, Herr Hase oder Herr Schmidt würden ihre Auftritte weichspülen, nur weil eine Wiederwahl ansteht?

Bei der heutigen Abstimmung geht es aber deswegen nicht um eine Lex Weichert, weil mit der Änderung des Gesetzes überhaupt nicht festgelegt werden soll, dass es zu einer erneuten Wahl von Thilo Weichert kommt; denn die Koalition hat im Vorfeld der heutigen Debatte klar zum Ausdruck gebracht, dass sie einem offenen und transparenten Wahlverfahren durchaus aufgeschlossen gegenübersteht.

(Wortmeldung Uli König [PIRATEN])

- Herr König, das wollte ich gerade noch mitteilen.

Und jetzt habe ich den Eindruck, dass Sie gespannt sind, welche Zwischenbemerkung der Kollege König machen wird.

Wir haben gerade schon Zitate von Rolf Selzer und Hans Peter Bull gehört. Halten Sie die Argumente aus

der Landtagsdebatte von 1988, als die Wiederwahlsperre eingeführt wurde, für falsch?

Sie sind abzuwägen, wenn wir es im Innen- und Rechtsausschuss beraten. Das will ich gern tun. Auf die Beratungen im Innen- und Rechsausschuss freue ich mich. Das war meine Antwort.

Der vorliegende Gesetzesantrag der PIRATEN geht in Bezug auf die Wahl des Datenschutzbeauftragten durchaus in die richtige Richtung. Unter diesem Aspekt geht es bei der heutigen Entscheidung lediglich darum, dem bisherigen Amtsinhaber die Möglichkeit zu eröffnen, sich in der Konkurrenz zu anderen Bewerberinnen und Bewerbern ebenfalls um die Stelle bewerben zu können. Dass Thilo Weichert diese Chance erhält, ist nach meiner Überzeugung aus übergeordneten politischen Gründen zu befürworten.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Bekanntlich wurde durch die Große Koalition mit Frau Andrea Voßhoff eine Bundesdatenschutzbeauftragte gewählt, die - zurückhaltend ausgedrückt bislang nicht als engagierte Streiterin für die Belange des Datenschutzes aufgefallen ist. Im Gegenteil: Ihre positive Positionierung zur Vorratsdatenspeicherung offenbart eine eigenwillige Definition des Datenschutzes.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Zu- ruf Uli König [PIRATEN])

Es geht hier anscheinend darum, die Daten vor den Bürgerinnen und Bürgern zu schützen und nicht umgekehrt.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Wolfgang Dudda [PI- RATEN])

Vor diesem Hintergrund könnte und sollte Thilo Weichert wenigstens die Chance erhalten, als schleswig-holsteinischer Datenschutzbeauftragter mit einem in ganz Deutschland und Europa ausgezeichneten Ruf ein Gegengewicht zur Misere des Bundesdatenschutzes darzustellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Wie wenig der Datenschutz auf Bundesebene gilt, erkennt man unter anderem daran, dass es der alten und neuen Kanzlerin Merkel gelang, den Durchbruch zu einer Europäischen Datenschutzrichtlinie in Europa zu blockieren. Auch ihr Agieren bei dem

größten Datenschutzskandal unserer Zeit - Schlagwort: NSA und PRISM -, den sie und ihr Kanzleramtsminister abwechselnd als unproblematisch oder für beendet erklärten, ist unglücklich bis unsäglich.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch folgendes Zitat:

„Die Kompetenz des Datenschutzzentrums unter Führung von Dr. Thilo Weichert ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. … Ich fordere die anderen Fraktionen des Landtags auf, sich ebenfalls für seine Wiederwahl starkzumachen. Das Land kann es sich nicht leisten, in entscheidenden Bereichen weitere kompetente Ansprechpartner zu verlieren, die bundesweit über ein herausragendes Renommee verfügen.“

Wer hat das gesagt? Richtig, es war unser allseits geschätzter Kollege Wolfgang Kubicki, allerdings im März 2009.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Ich sehe nicht, dass seine Forderung nicht mehr aktuell ist. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Wolfgang Kubicki. - Ich darf vorher vielleicht sagen: Herr Kollege Heinemann, ich glaube, Sie haben ihr Telefon hier oben vergessen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ist das erlaubt?)

Nun haben Sie das Wort, Herr Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Peters, es ist interessanterweise kein Argument schlimm genug, als dass Sie es nicht verdrehen können.

(Heiterkeit und Beifall FDP)

Ich habe mich selbstverständlich im Jahre 2009 für die Wiederwahl von Herrn Dr. Weichert eingesetzt, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich nun das Gesetz ändern muss, damit Herr Dr. Weichert wiedergewählt werden soll.

(Beifall FDP, PIRATEN und vereinzelt CDU)

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Selbstverständlich ist es eine Lex Weichert, denn wenn es keine wäre, könnten wir ein halbes Jahr warten.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Sie erklären hier mit einem Brustton der Überzeugung, es solle ein offenes Verfahren werden, wer es wird, aber erklären die ganze Zeit, warum es Weichert bleiben muss. Das ist doch gar kein offenes Verfahren mehr, weil doch allen potenziellen Bewerbern klar ist, dass Sie und andere sich dafür einsetzen werden, dass er es wird.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Hinblick auf das langjährige Wirken von Herrn Weichert, das ich tatsächlich nicht hoch genug einschätzen kann, möchte ich in eigener Sache meine Rede mit dem Zitat des US-amerikanischen-Psychoanalytikers Erich Fromm beginnen:

„Es ist eine Sache, die eigene Abhängigkeit und seine Grenzen anzuerkennen, und es ist etwas völlig anderes, sich dieser Abhängigkeit hinzugeben und jene Mächte anzubeten, von denen man abhängt. Das eine bedeutet Demut, das andere Selbstdemütigung.“

Wir müssen uns schon die Frage stellen, ob derjenige, der so vehement auf eine Gesetzesänderung pocht, die ihm selbst die Möglichkeit gibt, im Amt zu bleiben, grundsätzlich noch als unabhängig bezeichnet werden kann.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Der im Amt befindliche oberste Datenschützer begibt sich mit diesem Vorstoß nämlich ganz offen und eindeutig in die Abhängigkeit der Mehrheit dieses Landtags. Dass die regierungstragenden Fraktionen dies wollen und sogar belohnen wollen, spricht nicht dafür, dass ihr Interesse an einem unabhängigen Landesdatenschützer groß ist.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer jetzt, wie der Kollege Burkhard Peters in seiner Pressemitteilung vom 10. Februar 2014 behauptet, dass die - ich zitiere - „bisherige Begrenzung der Amtszeiten eine Beschneidung der Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten“ sei, der versucht, eine anrüchige Vorgehensweise durch Realitätsverdrehung reinzuwaschen.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Denn ich habe bisher noch keine plausible Begründung dafür gehört, warum gerade jetzt - wenige

Monate vor dem Ende der Amtszeit von Herrn Weichert - ein solches Gesetz dringend notwendig geworden ist.

Herr Kollege Peters, stellen Sie sich das doch einmal umgekehrt vor: Es wäre noch eine schwarz-gelbe Regierung, der Landesdatenschutzbeauftragte hätte das Parteibuch der FDP, und wir hätten einen solchen Gesetzesentwurf eingebracht. Sie hätten doch auf dem Tisch gestanden und gesagt: fail, verfassungswidrig. Sie hätten doch auf dem Tisch gestanden. Und nun kommen Sie mit einer solchen Aktion.