Nun hält die Europäische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm erstmals fest, dass sich nach fünf Jahren Wirtschaftskrise die Anzeichen für einen Aufschwung in der EU mehren, einen Aufschwung, von dem bisher nur wenige etwas haben. Viele Mitgliedstaaten müssen weiter unter Hochdruck arbeiten, um Reformen durchzusetzen und ihre Krise zu überwinden. Einige Mitgliedstaaten müssen härtere und auch längere Kämpfe ausstehen als andere. Viele EU-Bürger, genau wie ihre Regierungen auch, sind trotz Aufschwungs andernorts in ihrem Alltag gelähmt von Sparzwang und Stagnation.
Der Koalitionsantrag zur europäischen Solidarität nimmt in dieser Frage ein wichtiges Thema auf: die Jugendarbeitslosigkeit, die derzeit wohl größte Herausforderung auf dem europäischen Kontinent. Das ist ein Thema, das uns längst im Alltag begegnet, obwohl wir in Deutschland kaum davon betroffen sind. Im April letzten Jahres lag die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren in Deutschland bei 7,5 %. Das ist der niedrigste Wert in der gesamten EU. In Griechenland sind 62,5 % der jungen Menschen ohne Arbeit, so viele, wie sonst nirgendwo in der EU.
Hinzu kommt die enorme Schuldenlast, mit der viele Familien, nicht nur in Griechenland, zu kämpfen haben. Dass dieses Bild traurig macht, ist für mich glatt untertrieben. Es tut schlicht weg im Herzen weh.
Natürlich muss es in erster Linie darum gehen, diesen jungen Menschen vor Ort in ihrer Heimat eine vernünftige Perspektive zu bieten. In dieser Hinsicht ist die EU gefragt, in Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden und Regierungen einen Ausweg aus der Perspektivlosigkeit zu schaffen. Bis zu 8 Milliarden € hat die EU-Spitze für diese Maßnahmen angekündigt. Diese Maßnahmen können und sollten nicht von der EU-Spitze von oben nach unten delegiert werden. Unsere Aufgabe liegt nicht per se in Griechenland, Portugal oder in Kroatien, sondern vor unserer eigenen Haustür. Es ist unsere Aufgabe, erfolgreiche Projekte aufzuzeigen, die von den EU-Mitteln profitieren können und auch für andere Mitgliedstaaten als Inspiration dienen können. Wir können alle voneinander lernen und somit auch profitieren.
Fest steht, dass die Zeit nicht auf unserer Seite ist. Jedes Jahr, das verstreicht, in dem diese jungen Menschen ohne Arbeit durchs Leben schreiten, ist ein verlorenes Jahr. Der SSW unterstützt, dass die Landesregierung entsprechende Programme und Initiativen auf die Beine stellt. Bis zum Ende des zweiten Quartals dieses Jahres will das Wirtschaftsministerium einen einheitlichen Anwerbungsund Eingliederungsprozess präsentieren, in dessen Rahmen diese jungen Menschen zu uns nach Schleswig-Holstein geholt werden sollen. Das ist leider nicht so einfach, wie es sich vielleicht im ersten Moment anhören mag; denn die jungen Menschen werden aus ihren kulturellen und familiären Wurzeln gerissen. Je besser die Infrastruktur bei uns ist, umso erfolgreicher werden wir mit unserem Anliegen sein können. Dazu müssen wir von der politischen Seite umso mehr und intensiver mit den Betrieben in unserem Land kooperieren. Wer von ihnen hat vielleicht Firmenstandorte oder Kooperationspartner in Griechenland, Spanien oder anderen südeuropäischen Ländern? Hier gibt es sicherlich noch einiges, das zur optimierten Vernetzung beitragen kann.
Unsere schleswig-holsteinischen Best-Practice Beispiele können nicht nur uns, sondern auch anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten einen möglichen Weg aufzeigen, wie man es vielleicht machen könnte, einen Weg, den wir gemeinsam mit der jungen Generation gehen müssen. Das ist auch ein Weg, den wir alle mit der Europäischen Union
gehen müssen, denn nur so kann die EU zu mehr Stärke reifen und zu einem Mehr an Arbeitsplätzen kommen.
Ein europäischer Binnenmarkt kann sich eben nicht nur durch Nehmen, sondern er muss sich auch durch Geben definieren. Denn nur so kann und wird Europa erfolgreich sein. Wir alle können dazu unseren Beitrag leisten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Fachbereich Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2014 sprechen und zu den Schlussfolgerungen, die wir aus dem gemeinsamen Gespräch mit dem Europaministerium, mit Frau Ministerin Spoorendonk, am 11. Februar 2014 ziehen wollen.
Die Förderung von Wachstum und Beschäftigung bleibt auch 2014 das Kernziel der Europäischen Kommission, wobei ein besonderer Fokus auf der Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit liegt. Herr Kollege Dornquast hat dazu den vorliegenden Antrag von uns erläutert. Ich denke, wir werden die weitere Diskussion dazu im Europaausschuss führen.
Es geht aber auch um den erleichterten Kreditzugang von kleineren und mittleren Unternehmen. Das ist insbesondere für die Staaten Südeuropas von besonderer Bedeutung. Ferner zählen die Vollendung der Bankenunion und des Binnenmarktes, Verbesserungen in den Bereichen Justiz und Sicherheit sowie das auswärtige Handeln zu den vier Hauptprioritäten der Kommission für die nächsten Monate.
Im Jahr 2014 werden neben der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion auch die Finanzmarktregulierung sowie die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung eine wichtige Rolle spielen. Zu den langfristigen Zielen der Kommission gehören auch Fortschritte beim Klimaschutz und bei der Energiepolitik sowie eine moderne Industriepolitik. Die Kommission will sich dabei besonders auf die Ergebnisse und Umsetzung konzentrieren. Nach der Verabschiedung des Verordnungspakets zu den Strukturfonds durch das
Nach Auffassung der Kommission verdient eine Reihe von laufenden Gesetzgebungsvorhaben, die noch vor den Wahlen zum Europaparlament von Rat und Parlament abgeschlossen werden sollten, eine besondere Aufmerksamkeit. Diese vorrangigen Initiativen, die zur Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Rat anstehen, hat die Kommission erstmalig in das Arbeitsprogramm aufgenommen. Ich halte es auch für durchaus sinnvoll, dass die Europäische Kommission nicht nur jedes Jahr neue Initiativen auf den Weg bringt, sondern sich jetzt verstärkt auch um die Umsetzung der Initiativen aus den letzten Jahren bemüht und eine Kontrolle in ihr Arbeitsprogramm mit aufgenommen hat. Das ist sicherlich sinnvoll.
Zur genaueren Identifizierung der landespolitisch bedeutsamen Vorhaben der Europäischen Kommission fand am 11. Februar 2014 gemäß der Vereinbarung über die Konsultation des Landtages im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung sowie über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union die halbjährlich stattfindende Koordinierungssitzung statt. Dabei sollen der Landtag und die Landesregierung einvernehmlich diejenigen Vorhaben der Europäischen Kommission identifizieren, die für das Land von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind und wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren.
In dieser Sitzung wurde einvernehmlich festgestellt, dass die elf Punkte, die Inhalt unseres Antrages sind, die Grundlage für die weitere Arbeit der Landesregierung und des Landtages sein sollen.
Aus diesem Grund haben wir auch im Rahmen der letzten Sitzung des Europaausschusses den entsprechenden Textentwurf allen Fraktionen zur Verfügung gestellt. Wenn nun eine andere Schwerpunktsetzung erfolgen soll, wird das zwischen Landtag und Landesregierung vereinbarte Verfahren grundsätzlich infrage gestellt. Warum sollen diese Abstimmungssitzungen mit allen Landtagsfraktionen sowie der Landesregierung in Zukunft noch durchgeführt werden, wenn deren einvernehmliche Ergebnisse nicht mehr Grundlage für unser gemeinsames weiteres Vorgehen bilden? Der leicht modifizierte Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit einige Punkte der Vereinbarung nicht abgedeckt werden.
Wir sollten deshalb alle vorliegenden Anträge in den zuständigen Europaausschuss überweisen, um dort noch einmal die Chance zu nutzen, die getroffene Vereinbarung auch wirklich vollständig umzusetzen. Dies möchte ich hiermit beantragen. Ich hoffe, dass wir zu unserem bisherigen Verfahren zurückkehren. - Vielen Dank.
Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst hat Frau Abgeordnete Regina Poersch für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Beer, ich bedaure. Ich bedaure, dass offenbar versäumt wurde, Ihnen eine Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages auszuhändigen. Meine von Ihnen abgelehnte Zwischenfrage hätte zum Inhalt gehabt, Sie zu fragen, wann denn das Gespräch beim Landtagsdirektor stattgefunden hat. Das war nämlich der 11. Februar 2014. Der Drucksachenschluss für diese Tagung war bereits am 7. Februar 2014, vier Tage zuvor. Dass die Koalitionsfraktionen einen Antrag zur Umsetzung des Arbeitsprogramms zur Europäischen Kommission vorgelegt haben, hat die Debatte heute überhaupt erst möglich gemacht.
Und so - das habe ich auch im Gespräch mit allen europapolitischen Sprecherinnen und Sprechern gesagt - ist der Antrag als ein Vorschlag zu werten, so wie jede Fraktion und jede Koalition - auch in unterschiedlichen Zusammensetzungen - Vorschläge zur Beratung machen kann. Die werden hier dann debattiert. Auf Ihren Wunsch hin, Frau Kollegin Beer, werden sie dann sogar in den Fachausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Das gilt dann auch für den Antrag der CDU-Fraktion.
Wenn Sie einmal die Dinge übereinanderlegen, werden Sie feststellen, lieber Kollege Lehnert, dass unser Antrag in der Fassung der Drucksache 18/ 1560 (neu) die Ergebnisse der letzten Woche beinhaltet. Wir haben uns allerdings erlaubt, die Dinge begrifflich zusammenzufassen, und wir sind deshalb vom Copy-und-Paste-Verfahren abgewichen. Es werden lediglich der Gegenstand und die Ziele aus dem Programm in Ihrem Antrag wiedergegeben.
Ein allerletzter Satz, Frau Kollegin Beer: Der Antrag, für den ich mich hier entschuldigen soll, trägt auch Ihre Unterschrift.
Weitere Wortmeldungen des Parlaments liegen nicht vor. Dann kommen wir jetzt zur Landesregierung. Es wird zwei Reden geben. Zunächst einmal spricht zum Thema Jugendarbeitslosigkeit der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie. - Umgekehrt, Entschuldigung. Ich habe mich nach der Tagesordnung gerichtet. Wir machen das auch gern umgekehrt. - Also spricht jetzt für die Landesregierung zum Thema Europa die Ministerin für Justiz, Europa und Kultur, Anke Spoorendonk.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde jetzt ein paar Anmerkungen zu dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission machen. Anschließend wird dann mein Kollege Reinhard Meyer noch einmal vertieft auf das Thema Jugendarbeitslosigkeit und die anderen Punkte eingehen.
Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2014 zeichnet sich durch drei Merkmale aus. Im Vergleich zu den Programmen der letzten Jahre werden deutlich weniger Maßnahmen vorgeschlagen, auf umfangreiche Initiativen oder neue Schwerpunkte wurde weitgehend verzichtet. Stattdessen werden vorrangige Maßnahmen ausgewiesen, die noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai 2014 von Rat und Parlament abgeschlossen werden sollen.
Wichtige Schwerpunkte bilden dabei die Vollendung der Bankenunion und des Binnenmarktes, die Verbesserung in den Bereichen Justiz und Sicherheit sowie das Auswärtige Handeln. Das ist auch das, was Herr Abgeordneter Lehnert vorhin schon anführte.
Gleichwohl muss auch gesagt werden - das habe ich auch in früheren Gesprächen schon deutlich gemacht -, dass dieses Programm für 2014 davon geprägt ist, dass wir Wahlen zum Europäischen Parlament haben und das Ende der Amtsperiode der am
Man kann das nicht ausblenden. Die Mitglieder der Kommission werden von den Regierungen der EUMitgliedstaaten nominiert und vom Europäischen Parlament bestätigt. Dieses Jahr ist wirklich anders als die Jahre davor und ist durch diese Wahlen geprägt.
Doch dieses Mal gibt es ein neues Element: Der Europäische Rat, der eine Kandidatin oder einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission vorschlägt, soll dabei laut Artikel 17 EU-Vertrag das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament berücksichtigen. Das wird erstmals so erfolgen.
Die politischen Parteienfamilien werden dieses Mal eigene Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufstellen. Es ist gut, dass Europa und der Europawahlkampf damit endlich ein Gesicht bekommen. Darüber hat man ja lange Jahre diskutiert, und viele haben das gefordert. Jetzt soll das ernst genommen werden. Auch die Regierungschefs bei der Nominierung der Kommission und bei der Nominierung des Präsidenten - all das soll jetzt auch im Europawahlkampf eine Rolle spielen.
Meine Damen und Herren, doch jetzt zurück zum Bericht der Landesregierung. Unser gemeinsames Ziel, das wir in unserer Vereinbarung zur Zusammenarbeit in europäischen Angelegenheiten festgeschrieben haben, ist es ja, jährlich diejenigen Themen aus dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission zu identifizieren, die für uns im Land eine herausgehobene Bedeutung haben. Das machen wir jetzt zum zweiten Mal. Die Landesregierung hat in ihrem Bericht nun ihrerseits auch diejenigen Maßnahmen identifiziert, die den Kriterien der Vereinbarung entsprechen, und sie als ersten Teil des Europaberichts dem Landtag für die Januar-Tagung zugeleitet.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal betonen, dass ich es für ausgesprochen klug halte, dass wir uns als Regierung und Parlament darauf verständigen, welche die für unser Land besonders bedeutenden Vorhaben sind. Wir werden nicht alles mit begleiten können, wichtig ist deshalb der Schritt der Konzentration - nicht, weil wir andere Maßnahmen ad acta legen wollen oder können. Wir brauchen die Konzentration, weil es bei den vielen
Kontakten und Möglichkeiten, die wir gemeinsam haben, wichtig ist zu wissen, auf welche Punkte wir uns konzentrieren sollen, um das Landesinteresse in Europa effektiv zu artikulieren.
Darum ist es gut, dass wir das Abstimmungsgespräch zwischen Regierung und Landtag sehr zeitnah hatten. Wir haben damit eine gemeinsame fachliche Grundlage, um ein noch offensiveres und inhaltlich am Landesinteresse begründetes Lobbying zu betreiben, im Wahlkreis, hier im Landeshaus in Kiel, in Berlin und natürlich vor allem auch in Brüssel.
Für uns ist Europa so weder abstrakt noch Gegenstand frommer Sonntagsreden und auch nicht nur Gegenstand vor anstehenden Wahlen. Europa steht bei uns immer im Fokus, ganz aktuell und ganz konkret im Landesinteresse bei den anstehenden und angekündigten Initiativen, Richtlinien und Verordnungen. Darauf Einfluss zu nehmen - und das bereits im Vorwege -, ist aus meiner Sicht viel effizienter, als gegen bereits verabschiedete Maßnahmen in der Regel erfolglos Sturm zu laufen und dabei gleichzeitig oft ungewollt in Gefahr zu geraten, in einen antieuropäischen Kanon mit einzustimmen. Wir machen es gemeinsam anders, und das ist gut so. - Vielen Dank.
Zum Themenkomplex Jugendarbeitslosigkeit spricht jetzt der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Herr Reinhard Meyer.