Protokoll der Sitzung vom 20.02.2014

Ich weiß sehr wohl, dass der erste Entwurf so etwas wie einen Demografiefaktor vorsah. Das ist richtig. Er war aus unserer Sicht aber nicht ausreichend. Dann haben Sie die ganz klaren Forderungen der Opposition ja wohl mit aufgenommen und gesehen, was unsere Vorschläge sind.

Herr Andresen, ich habe im Übrigen auch niemals die Notwendigkeit einer FAG-Novelle bezweifelt. Mir ist auch klar, dass kreisfreie Städte, die insbesondere nach dem ersten Entwurf als Gewinner der Reform dastanden, kein besonderes Interesse an einer zweiten, dritten und vierten „Nachberechnung“ - um es einmal freundlich auszudrücken - hatten. Das einzige, was mir vor diesem Hintergrund nicht klar ist, ist der zweite Teil Ihrer Frage.

Herr Andresen möchte ohnehin gern noch eine weitere Bemerkung machen. Vielleicht kann er dabei gleich den zweiten Teil noch einmal klarstellen.

Vielen Dank. - Meine Aussage

war, dass einige Ihrer Kollegen vor Ort, zumindest in einigen kreisfreien Städten, nicht ganz nachvollziehen können, was Sie auf der Landesebene zu diesem Thema veranstalten. Das müssen Sie nicht kommentieren - Sie dürfen es natürlich -, das habe ich einfach festgestellt.

Meine Folgefrage ist: Aufgrund der Finanzlage auf Landesebene können wir nicht ohne Ende mehr Geld in den kommunalen Finanzausgleich stecken. Diesen Zielkonflikt können Sie nicht auflösen. Wenn Sie sagen, wir bleiben bei diesem Volumen, dann müssen Sie innerhalb dieses Volumens konkretere Vorschläge machen als nur das Stichwort „Demografiefaktor“ zu nennen. Wenn Sie sagen, dass Sie mehr Geld hineingeben wollen - das ist eine respektable Position, die man auch vertreten kann -, dann müssen Sie das auch gegenfinanzieren. Das hatte ich in den Haushaltsberatungen auch in der Vergangenheit bei Ihnen bisher so nicht wahrgenommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ganz am Anfang, vor dem lauschigen Intermezzo mit dem Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Herr Dr. Stegner, habe ich sehr deutlich gesagt, dass aus Sicht der Opposition der grundsätzliche Fehler ist, dass es überhaupt keine Aufgabenanalyse gibt. Das ist mehr als nur Herumgenörgel.

(Beifall FDP und CDU)

Es hat schlicht daran gemangelt, im Dialogkonzept mit den Kreisen und den kreisfreien Städten ganz konsequent durchzudeklinieren, welche Ebene welche Aufgabe wahrnimmt und welche Ebene in Zukunft für welche Aufgabe stehen soll und ob die dafür zur Verfügung stehenden Finanzmittel auskömmlich sind. Wenn Sie jetzt sagen, das alles solle die Opposition machen, dann finde ich das offen gestanden etwas albern.

(Beifall FDP)

Es ist originär Regierungsauftrag, zunächst einmal einen solchen Prozess mit genau dieser Methode zu initiieren. Selbst wenn Sie mehr Geld ins System geben würden, würden Sie im Zweifelsfall immer noch jemanden finden, der damit nicht zufrieden ist. Das ist nicht die Frage. Aber wenn Sie so schlau sind, dann machen Sie es doch selber. Starten Sie

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

doch einmal die Diskussion über eine vernünftige Aufgabenanalyse. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie sagen, in diesem Land gebe es keine Mehrheit für eine Gebietsreform, also lassen wir auch die ganze Aufgabenanalyse sein. Deswegen behaupten wir: Nur weil ein Teil der erhöhten Grunderwerbsteuer in Zukunft mit in die Kompensationsrechnung eingeht, kann man noch nicht behaupten, das sei die Kompensation für die Entnahme von 120 Millionen € aus dem kommunalen Finanzausgleich, den die Große Koalition unter dem kommunalen Minister Ralf Stegner beschlossen hat. Wenn Sie sich hier hinstellen und das so einfach verkaufen, kann ich verstehen, dass bei einer FAG-Novelle nichts Vernünftiges herauskommen kann.

Meine Damen und Herren, zu den Anträgen von Union und PIRATEN will ich Folgendes sagen. Ich habe mich bei aller Kritik an dem, was derzeit in der öffentlichen Diskussion steht, offen gestanden schon gewundert, dass es sich gerade die zahlenmäßig größte Oppositionsfraktion so einfach macht. Ich finde, dass Sie es sich mit einem Antrag auf Nichtbefassung schlicht und ergreifend zu einfach machen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich möchte über einen Gesetzentwurf diskutieren. Ich möchte darüber diskutieren, welche Fehler der Innenminister aus Sicht der Opposition, aus Sicht meiner Fraktion gemacht hat. Ich möchte diskutieren, ob es tatsächlich notwendig ist, dass Gemeinden wie Kampen Gewinner einer FAG-Novelle sind.

(Unruhe)

Vor diesem Hintergrund werden wir dem Antrag der Union unsere Zustimmung nicht geben, weil wir es als komisches parlamentarisches Verfahren ansehen, als Alternativvorschlag die Nichtbefassung eines noch nicht als Drucksache eingebrachten Gesetzentwurfs einzubringen.

(Vereinzelter Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Unruhe)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Torge Schmidt?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön.

Sehr geehrter Kollege Garg, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es zwischen der Position der CDU-Fraktion und der Piratenfraktion einen großen Unterschied gibt: Wir wollen genauso wie Sie über den Entwurf diskutieren. Das Problem, das wir sehen, ist, wenn wir demnächst über den Entwurf diskutieren, dass die entscheidende Diskussionsgrundlage fehlt. Die haben auch Sie in Ihrer Rede angemerkt. Das ist unter anderem die Bedarfsanalyse.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Diese wird ein bisschen Zeit brauchen. Bevor wir diese nicht haben, bringt es nicht viel, über den Gesetzentwurf zu diskutieren.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Herr Kollege Schmidt, ich habe Ihre Zwischenbemerkung fast erwartet. Deswegen habe ich ja von „zahlenmäßig“ größter Oppositionsfraktion geredet. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Heiterkeit, Beifall und Zurufe)

Als Nächstes hat für die Fraktion der PIRATEN Herr Abgeordneter Torge Schmidt das Wort.

(Zurufe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Monaten spricht man überall in Schleswig-Holstein darüber, wie die angemessene Finanzausstattung der Kommunen sichergestellt werden kann - wohlgemerkt: jeder einzelnen Kommune, denn das ist der Anspruch, der sich aus Artikel 49 Abs. 1 unserer Landesverfassung ergibt. Hierzu ein Zitat, das Sie sicherlich alle kennen:

„Die vorliegende Untersuchung bezieht sich ausdrücklich nicht auf die vertikale Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen... und die horizontale Komponente der Bestimmung von Finanzkraft und Finanzbedarf für jede einzelne Kommune.”

Mit diesem Satz aus dem Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist

(Dr. Heiner Garg)

eigentlich alles zur Grundlage des FAG-Entwurfs der Landesregierung gesagt. Das Gutachten ist schlichtweg nicht geeignet, Auskunft darüber zu geben, wie das Land die angemessene Finanzausstattung sicherstellen kann.

Die Gutachter haben sich dem Auftrag des Innenministeriums folgend mit dieser Frage nicht befasst. Man muss hier zwei Ebenen unterscheiden, die schnell Gefahr laufen, verwechselt zu werden: die Berechnungen der Bedarfe der einzelnen Kommunen innerhalb ihrer Teilgruppe auf der einen Seite und die Verteilung der Zuschüsse zwischen den Teilgruppen auf der anderen Seite. Beide wurden von der Landesregierung fehlerhaft behandelt.

Verteilung des Vorhandenen ist die Prämisse des Entwurfs. Das aber ist nicht der Verfassungsauftrag, der sich an das Land richtet. Unser Auftrag ist es, die angemessene Finanzausstattung der Kommunen sicherzustellen. Angemessen kann eine Finanzausstattung nur sein, wenn sie die Erfüllung der tatsächlichen Aufgaben jeder einzelnen Kommune sicherstellt und ihr Spielraum zur Gestaltung ihrer örtlichen Gemeinschaft belässt. Aufgabenbezogenheit ist das Schlagwort, welches in keiner Äußerung der Koalition oder der Landesregierung fehlen darf - wahrscheinlich gerade weil sie dem Gesetz selbst fremd ist, getreu dem Motto: Was schon der Gesetzentwurf nicht leistet, muss umso mehr in die öffentlichen Verlautbarungen hineingeredet werden.

Sicher kann das Land nicht einfach Geld verschenken. Dennoch muss auf der ersten Ebene der Bedarf der kommunalen Familie insgesamt ermittelt und nachvollziehbar belegt werden.

(Beifall PIRATEN)

Die Landesregierung jedoch stellt von vornherein einen Pott auf und erklärt den für ausreichend - ausreichend, weil das Volumen die summierten Ausgaben der Kommunen decken soll. Das kann man so machen, sollte man aber nicht. Denn mit dieser Methode blendet man jene Bedarfe von Kommunen aus, die erforderliche Investitionen seit Jahren zurückstellen, um Schuldenabbau und einen ausgeglichenen Haushalt erreichen zu können. Natürlich gehören auch die zurückgestellten Investitionen zum Bedarf der Kommunen.

Auf der anderen Seite gibt es Kommunen, die, statt Investitionen zurückzustellen, gleich noch jene für die Zukunft mitgenommen haben oder - um es direkter zu sagen - die mehr ausgeben, als sie sollten. Ist es möglich, dass die Auswirkungen dieser bei

den Gruppen so gering sind, dass man sie vernachlässigen darf?

Möglich ist alles, aber die Verteilung von 1,4 Milliarden € mit einer vagen Hoffnung zu begründen, ist schon fast mehr als fahrlässig. Gerade wenn Land und Kommunen verantwortungsvoll mit ihrem Geld umgehen sollen, dürfen sie die öffentlichen Gelder nicht aufgrund einer bloßen Hoffnung verteilen.

(Beifall PIRATEN)

Ich halte fest: Wir kennen den Bedarf des kommunalen Sektors nicht, und die Landesregierung will ihn offenbar auch nicht kennen. Unmittelbar damit geht die fehlende Berechnung des Bedarfs der einzelnen Kommunen innerhalb ihrer Teilgruppe einher. Die Berechnung lautet - grob gefasst -: willkürlich ermittelter Bedarf X, also die sogenannte Ausgangsmesszahl, abzüglich der Einnahmen. Natürlich etwas komplexer, aber das Grundschema passt an dieser Stelle.

Der Bedarf beruht auf der Einwohnerzahl und einem Multiplikator, der ausschließlich dazu dient, auch ja die gesamte Menge an Geld zu verteilen. Ob der tatsächliche Bedarf der Kommunen damit jeweils gedeckt, überdeckt oder unterdeckt ist egal. Darum geht es nicht, jedenfalls geht es dem Innenministerium offenkundig nicht darum. Das zeigt eindrücklich das eingangs erwähnte Zitat, Finanzbedarfe sollten von vornherein nicht interessieren. Aber auch bei Anreizen zur wirtschaftlichen Mittelverwendung kann man knapp sagen: Fehlanzeige!

Meine Damen und Herren, die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist eines der Projekte dieser Landesregierung - man möchte sagen -, die wie ein Tiger zum Sprung ansetzt, der sich schon in der Luft zum Bettvorleger verwandelt.

(Heiterkeit und Beifall PIRATEN und Dr. Heiner Garg [FDP])

Das ist keine Reform; das ist bestenfalls ein Reförmchen. Gerade weil die Kommunen immer mehr Aufgaben erhalten haben, der Anspruch der Bürger steigt und wir jetzt schon erhebliche Unwuchten in der Bevölkerungsentwicklung haben, hilft ein Reförmchen nicht. Das neue FAG muss in der Lage sein, den Bedarf der Kommunen auch in der Zukunft abzudecken.

Wir sind der Auffassung, dass dies nur gelingen kann, wenn eine wissenschaftliche Untersuchung der tatsächlichen Bedarfe und Aufgaben der Kommunen erfolgt. Am einen Gesetzentwurf dieser Größenordnung, der ohne wissenschaftliche Ba