Protokoll der Sitzung vom 20.03.2014

Durch das neue Schulgesetz wissen die G-8-Gymnasien, dass an ihrem Weg, nach acht Jahren Schulzeit das Abitur zu vermitteln, nicht gerüttelt wird. Dies gibt den Schulen Sicherheit. Jemand, der nie in einer Schule tätig war, kann sich nicht vorstellen, welche Unruhe im Wirken einer Schule ent

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

steht, wenn diese in der Grundstruktur verändert wird.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Komplett neue Stoffverteilungspläne, neue Entwürfe von Klassenarbeiten, Konzepte zum Beispiel für Berufsvorbereitung, all dies und noch viel mehr muss wieder neu geschrieben und über mehrere Jahre hinweg nachgebessert und evaluiert werden. Jede Strukturveränderung kostet viel Zeit und viel Kraft, die von den Lehrkräften nach meinem Empfinden viel besser in den Unterricht investiert werden könnte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Während in der Anfangszeit die Kritik an G 8 massiv war, ist sie nach zehn Jahren fast versiegt. Ich habe noch mit keinem Gymnasium gesprochen, bei dem das Kollegium weg von G 8 wollte. Die Landesschülervertretung der Gymnasien spricht sich ebenfalls für einen Bestandsschutz von G 8 aus. Der Vorstand der Landesschülervertretung hat zurzeit genau das Alter, dass diese jungen Menschen den Prozess zu G 8 selbst erfahren haben. Sie können sicherlich gut beurteilen, welches System hilfreich ist und welches nicht hilfreich ist.

Kritisiert wird allenthalben der überstürzte Weg vor zehn Jahren hin zu G 8. Doch in den vergangenen zehn Jahren ist in den Schulen viel entwickelt und abgestimmt worden. Heute sind die Lehrpläne, die pädagogische Arbeit der Schulen und die innere Schulorganisation auf dieses Modell ausgerichtet, und eine Verstetigung festigt die Gymnasien. „G 8 gut gemacht“, so lautet der Titel einer Broschüre, die vom Ministerium herausgegeben wird.

Frau Klahn, ich bin erstaunt, dass Sie den Eindruck haben, dass sich in diesem Bereich überhaupt noch nichts entwickelt hat, wie Sie es vorhin dargestellt haben. Zumindest in den vergangenen Monaten können Sie keine Gespräche mit G-8-Gymnasien geführt haben.

Die meisten Verbände, die Elternvertretungen und die Schülervertretungen bitten uns, keine neue Schulstrukturdebatte zu führen. Jede Veränderung schwächt die Schulen.

Liebe FDP, geben Sie den Gymnasien die Chance, eine starke Schule zu sein. Die Möglichkeit, einmal so und einmal so die Struktur zu verändern, schwächt die Gymnasien.

(Christopher Vogt [FDP]: Warum haben Sie denn ein neues Schulgesetz verabschiedet?)

Warum benötigen wir neben den bestehenden G-9-Gymnasien keine weiteren? Die G-9-Schule ist die Gemeinschaftsschule.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese Auffassung stützt auch der Landesrechnungshof in seinen Ausführungen aus dem Jahr 2012. Ich zitiere:

„Das Nebeneinander von Gymnasien mit G-9-Zweig und Gemeinschaftsschule ist aufzulösen.“

Doppelstrukturen sind unbedingt zu vermeiden. Jetzt kommt natürlich das Argument, wir verschlössen uns mit unserer Festlegung auf G-8-Gymnasien - von den Ausnahmen habe ich bereits gesprochen den bildungspolitischen Trends ausgerechnet in anderen SPD-geführten Bundesländern.

Im Zuge der Entwicklung unserer Sprache scheint es sich allgemein bewährt zu haben, unterschiedliche Dinge mit unterschiedlichen Namen zu benennen, sodass man umgekehrt von unterschiedlichen Namen auf unterschiedliche Dinge schließen kann.

Nach dieser Logik scheint es müßig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass Schleswig-Holstein nicht Niedersachsen und auch nicht Nordrhein-Westfalen ist. Dennoch sei hier gesagt: Diese Länder verfügen bisher eben nicht über ein flächendeckendes Modell, das mit dem unserer Gemeinschaftsschulen vergleichbar wäre.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Schauen Sie sich einmal an, welche Schulformen es in Niedersachsen gibt. Dort gibt es neben dem Gymnasium weiterhin eine Hauptschule, weiterhin eine relativ starke Realschule und mit einem Anteil von knapp über 10 % die IGS, die bei uns die Gemeinschaftsschule darstellt. Das heißt, von einem flächendeckenden Gemeinschaftsschulmodell kann man in Niedersachsen weiß Gott nicht sprechen. Dort gibt es nicht die Alternative wie bei uns: G 8 an Gymnasien und G 9 an Gemeinschaftsschulen. Dies ist ein schleswig-holsteinisches Modell.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Noch ein Wort zum angeblichen Zurückrudern der nordrhein-westfälischen Kollegen in Sachen G 8:

(Kai Vogel)

Dort haben seinerzeit 13 Gymnasien der insgesamt 638 Gymnasien von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Abitur nun wieder nach gymnasialen Schuljahren anzubieten. Das ist weiß Gott keine Massenbewegung.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW - Anita Klahn [FDP]: Können Sie denn etwas zu der Be- werbungsfrist sagen, die es damals gab?)

In Schleswig-Holstein bieten die Gymnasien das Abitur im Regelfall künftig nur noch nach acht Schuljahren an. Daraus eine fehlende Wahlfreiheit abzuleiten, wäre vor dem Hintergrund unseres Gemeinschaftsschulmodells geradezu absurd. Hier ist schließlich wirkliche Wahlfreiheit vorhanden, und zwar für jene, um die es in erster Linie geht, nämlich für die Schülerinnen und Schüler, die nun sehr wohl die Wahl haben zwischen G 8 und G 9 sowie zwischen Gymnasium und Gemeinschaftsschule.

Doch damit nicht genug: An der Gemeinschaftsschule müssen sie sich nicht einmal bereits nach der vierten Klasse für einen angestrebten Schulabschluss entscheiden, weil es weltfremd wäre zu glauben, man könnte das intellektuelle Potenzial eines jeden zehnjährigen Kindes mit größter Sicherheit erkennen.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin überzeugt und hoffe, Sie mögen es irgendwann einmal mit mir sein, dass unser Modell des längeren gemeinsamen Lernens, der gestärkten Gemeinschaftsschule und der mitnichten geschwächten Gymnasien und beruflichen Gymnasien mehr Kinder zum für sie bestgeeigneten Schulabschluss führen kann als bisher. - Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Anke Erdmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn das gute Oppositionsarbeit ist, weiß ich es auch nicht mehr. Ich finde diesen Gesetzentwurf überflüssig, einfallslos und einfach nur „gähn“.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Zurufe FDP)

Ich muss leider meine Stimme schonen. Das fällt mir bei diesem Gesetzentwurf aber auch leicht, weil wir diese vorgeschlagenen Änderungen schon einmal im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Schulgesetznovelle im Januar 2014 beraten haben. Herr Vogt, anders als Sie gestern berichtet haben, ist die Frage „G 8 versus G 9“ diskutiert worden. Die Anhörungsergebnisse und die Voten machen dies deutlich.

Herr Vogt, wenn Ihre Fraktion es nicht schafft, einen Änderungsantrag zu stellen, damit dieser rechtzeitig ins Anhörungsverfahren eingeht, dann tut es mir leid.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir haben im Januar 2014 über genau diesen Paragrafen gesprochen. Insbesondere zu der Frage, die Sie aufgeworfen haben, haben wir drei ausführliche parlamentarische Anhörungsverfahren durchgeführt, in denen - das habe ich immer konstatiert die Frage „G 8 versus G 9“ durchaus

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kontrovers disku- tiert wurde!)

- kontrovers diskutiert wurde. - Vielen Dank, Herr Garg.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Immer gerne! Wir reden ja über Bildung! - Zuruf Serpil Midyat- li [SPD] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das war jetzt die Abteilung Einbildung!)

- Das ist aber nichts Neues bei Herrn Garg.

Es gibt keine neue Situation, Frau Klahn. Es gibt nur die Situation, dass die Volksinitiative für G 9

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

- Sie haben ja gesagt, G 8 sei nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen - gerade gescheitert ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Anita Klahn [FDP]: Das ist nicht wahr!)

Insgesamt haben wir über G 8 und G 9 in drei parlamentarischen Anhörungsverfahren ausführlich gesprochen. Sie zitieren hier den DLRG. Sie sagen aber nicht, wie sich der Landeselternbeirat Gymnasien und die Landesschülervertretung positioniert haben. Ich bin der Meinung, wir sollten endlich darüber reden, wie wir G 8 besser machen können, auch was die Qualität angeht.

Da wir schon gerade dabei sind, was man 2005 geschrieben hat, kann ich Sie gern einmal mit dem

(Kai Vogel)

Ahlener-Programm konfrontieren und Sie, Frau Franzen, fragen, ob Sie immer noch der gleichen wirtschaftspolitischen Auffassung sind. Aber es war - das wissen wir alle - ein Schulpolitiker der FDP, der hier gestanden hat, der damaligen Regierung Druck gemacht hat und gesagt hat: Wir wollen eine Schulzeitverkürzung im Gymnasium, aber pronto!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)