(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD - Christopher Vogt [FDP]: Wir hoffen, es bleibt so!)
Kaum ein Thema wird in diesem Haus so häufig diskutiert wie die Verkehrspolitik. Meist geht es dabei um einzelne Projekte, A 20, Fehmarnbelt, Nord-Ostsee-Kanal, neuerdings die Rader Hochbrücke, manchmal auch - unserer Meinung nach zu selten - auch um den ÖPNV, S 4, S 21. Sehr beliebt sind auch immer wieder Anträge zur StadtRegionalBahn.
Was wir aber brauchen, ist der Blick aufs Ganze. Daher bin ich dankbar, dass wir hier einmal eine in
Gute Verkehrspolitik ermöglicht es den Menschen, ihr Leben flexibel zu gestalten. Für die Entwicklung unseres Landes ist eine kluge und langfristige Infrastrukturplanung unabdingbar. Gerade Schleswig-Holstein als dünn besiedeltes Flächenland ist auf innovative Verkehrsprojekte angewiesen - als dünn besiedeltes Land im Norden und gleichzeitig Ballungsraum um Hamburg herum. Das macht es häufig in der Konzeption auch so besonders schwierig.
Die Herausforderungen werden auch nicht kleiner. Mobilität wird morgen noch komplexer, wird noch viel anspruchsvoller. Wir wissen, dass wir Regionen haben, in denen nicht mehr viele Menschen leben. Aber auch diese Menschen haben Anspruch darauf, mobil zu sein.
Der Klimawandel schwebt als Damoklesschwert über der Verkehrspolitik. Die fossilen Energiequellen werden knapper. Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Meine Damen und Herren, es gibt noch eine weitere Herausforderung, die uns zurzeit konkret betrifft. Das ist der Sanierungsstau. Keine Landesregierung in Schleswig-Holstein hat jemals so viel Geld für den Erhalt unserer Landesstraßen ausgegeben wie diese.
(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Aber nicht, weil Sie es gewollt haben, Frau von Kalben!)
Im Kabinett Carstensen sanken dagegen die Mittel des Landesbetriebes für Straßenbau und Verkehr für Investitionen um 30 %.
Doch trotz unserer großen Anstrengungen reicht das Geld nicht, weder für Straßen, noch für Radwege, noch für Wasser- oder Schienenwege. Richtig ist, so wie wir gestern bei der Diskussion um die Trendsteuer festgestellt haben: Wir müssen in den Erhalt von Infrastruktur investieren - trotz knapper Mittel und trotz der Schuldenbremse.
Frau Kollegin, vielen Dank. - Ich bin etwas irritiert. Sie haben sich gerade selbst dafür gelobt, wie viel Geld Sie für die Landesstraßen ausgegeben haben. War es nicht vielleicht auch so, dass Sie zunächst, bei Ihrem ersten Landeshaushalt, die Mittel deutlich reduziert haben? Dann hat der Minister einen Monat später angekündigt, dass er aus dem eigenen Etat 5 Millionen € umschichten möchte, weil das nicht ausreichend ist, und dann haben Sie aufgrund des großen politischen Drucks noch einmal ordentlich draufgesattelt - aber deutlich weniger, als die Opposition beantragt hat.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir sie erhöht, oder ha- ben wir sie nicht erhöht? - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es zählt das Ergebnis!)
Wir haben nicht aufgrund hohen politischen Drucks - obwohl es manchmal auch gut ist, auf die Bevölkerung zu hören - reagiert, sondern a) hatten wir neue finanzielle Spielräume - das wissen Sie -, unter anderem durch die sogenannten Zensusmittel.
Und b) hatten wir auch gerade nach dem vorangegangenen Winter eine ganz besondere Situation auf den Landesstraßen. Auch das wissen Sie.
Meine Damen und Herren, es sind nicht nur die Straßen, es sind ganz besonders der Nord-OstseeKanal und die Rader Hochbrücke, die uns im Moment Sorgen machen. Die Schleusen des Kanals
sind marode, sie sind vergammelt. Es ist so schlimm, dass wir eine neue Schleuse brauchen, um den Kanal zu erhalten. Wir müssen ihn erhalten, denn - das wurde hier von Ihnen schon gesagt - das ist eins der wichtigsten Wirtschaftsprojekte. Aber es ist nicht nur volkswirtschaftlicher Irrsinn, Herr Kollege Vogt, wenn wir den Kanal nicht in Betrieb halten, sondern das wäre auch ein klimapolitischer Irrsinn, wenn wir die Schiffe dazu zwingen würden, einen Umweg zu fahren.
1969 wurde der Grundstein für die Rader Hochbrücke gelegt. Keine 50 Jahre danach sind wir gezwungen, Pläne für einen Neubau, nicht für eine Sanierung, sondern für einen Neubau, zu entwickeln. Über Jahrzehnte wurden auch hier notwendige Infrastrukturinvestitionen verschleppt. Der Erhalt der Infrastruktur hat oberste Priorität.
- Ich frage mich, Herr Vogt: Wenn Sie sagen, das sei schon immer so gewesen, das sei ja nichts Neues, was wir immer als Mantra vor uns hertrügen, wenn das also schon immer so war, dann ist doch die Frage, warum ist dann eigentlich alles kaputt? Wenn Erhalt schon immer oberste Priorität hatte, dann müsste unsere Infrastruktur im Grunde genommen doch in wunderbarem Zustand sein. Das ist aber leider nicht so. Deswegen sage ich: Es ist wichtig, dass wir jetzt Erhalt als oberste Priorität ansehen.
Meine Damen und Herren, bei der Neuplanung der Kanalquerung kann es keinen Schnellschuss geben. Dazu ist die Verkehrslage zu kompliziert. Schließlich soll unser Konzept noch in 50, auch noch in 100 Jahren tragfähig sein. Ein kombinierter Schienen-Straßen-Tunnel klingt interessant. In den kommenden Monaten muss die technische Umsetzbarkeit intensiv beraten werden. Rendsburg darf wegen eines langen Güterverkehrstunnels nicht vom ÖPNV abgeschnitten werden. Hieran arbeiten wir. Doch Lösungen fallen nicht vom Himmel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns Grüne ist klar: Die Stabilisierung der wichtigen Nord-Süd-Achse hat Priorität.
Sie ist sowohl für unser aller Zusammenleben wie auch für den Transitverkehr von herausragender Bedeutung.
Meine Damen und Herren, wir müssen unsere Infrastrukturprojekte neu planen und priorisieren. Ihre Fehlplanungen bei der A 20 führen nun zum verzögerten Bau. Er ist aber richtig. Wir sollten nicht wieder diese rückwärtsgewandte Debatte führen.
Wogegen ich mich aber verwahre, ist der immer wieder erhobene Vorwurf - der gern auch uns Grünen gemacht wird, denn wir sind ja offensichtlich die Einzigen, die sich manchmal mit Naturschutzverbänden verbünden -, wir Grüne hätten den Weiterbau der A 20 bis zur A 7 verhindert. Verantwortlich sind aber nicht nur die berechtigten Interessen der Naturschutzverbände, die nur im Namen der Betroffenen sprechen. Sie mögen es noch so sehr ins Lächerliche ziehen, wir finden es richtig, dass die Verbände die Stimme für die Stummen, für die Fledermäuse und die Haselmäuse, erheben.
Sie wissen ganz genau, dass die Fleder- und Haselmäuse für das Gericht nicht der einzige Grund waren, den Weiterbau zu stoppen. Ihre schlampige Trassenplanung allein wäre Grund genug für einen Baustopp gewesen.
Wir bemängeln - glaube ich - alle, dass Planungsprozesse in Schleswig-Holstein unverhältnismäßig lange dauern. Ich weiß aus vielen Unterredungen mit dem Unternehmerverband, dass dies nicht nur auf den Autobahnbau bezogen ist. Planungsprozesse in Deutschland sind langwierig, nervig und wirtschaftsfeindlich. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie der Verbände nicht einschränken können und sollten. Wir können aber durch ernst gemeinte Bürgerbeteiligung langfristige Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Das spart Zeit, und das schafft gesellschaftliche Akzeptanz. Das ist aus unserer Sicht die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche und zügige Planung.
Im Übrigen sehen wir auch Bürgerbündnisse nicht als ein Zeichen für Politikverdrossenheit oder für Politikversagen. Im Gegenteil, wir sehen es als ein positives Zeichen an, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv einbringen und wenn sie Initiativen gründen. Gerade bei dem Bürgerbündnis für den
Ersatzbau der Rader Hochbrücke kann man ja nun wirklich nicht sagen, dass dies ein Frustbündnis gegen Politikversagen ist.
Deswegen bin ich auch froh darüber, dass sich unsere Parteivorsitzende, Frau Ruth Kastner, gestern in der Presse klar zur Bürgerinitiative zur A 20 geäußert hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht nur dann für Bürgerinitiativen, wenn sie unsere Interessen vertreten. Das haben wir in Hamburg erlebt, das war nun wirklich nicht unser gewünschtes Ergebnis. Das haben wir bei der S 21 zur Kenntnis genommen. Wir freuen uns auf einen argumentativen Schlagabtausch zur A 20 und werden dann sehen, wie eine eventuelle Bürgerinitiative oder ein Volksentscheid zu dem Thema ausgehen wird.
Es bleibt dabei, die A 20 ist für uns keine grüne Herzensangelegenheit. Aber damit das ein für alle Mal klar ist: Wir stehen zu unserem Koalitionsvertrag. Wir werden ihn erfüllen. Gemeinsam haben wir uns mit unseren Koalitionspartnern das Ziel gesetzt, die A 20 weiter bis zur A 7 zu bauen. Versatzstücke zu bauen, ohne dass klar ist, wie die Strecke um Bad Segeberg herum laufen wird, halten wir für falsch.