Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Lieber Kollege Kai Dolgner, würden Sie mir zustimmen, dass sich der UN-Menschenrechtsausschuss in seinem Bericht, den Sie ansprechen, nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Massenüberwachung der NSA Menschenrechte verletzt, sondern sich lediglich besorgt gezeigt und Empfehlungen ausgesprochen hat, jedoch keinesfalls geprüft hat, ob diese Praxis gegen den Pakt über bürgerliche und politische Rechte verstößt?

Herr Kollege Dr. Breyer, das kann ich nicht bestätigen, weil der UN-Menschenrechtsausschuss in seinem turnusmäßigen Bericht genau das tut. Er hat genau das in seinem Bericht zum UN-Zivilpakt gemacht. Der Auftrag des UN-Menschenrechtsausschusses ist es, regelmäßig zu überprüfen - bei allen Staaten; uns hat er auch schon etwas ins Stammbuch geschrieben -, ob sie gegen diesen Zivilpakt verstoßen.

Er ist zu einem Ergebnis gekommen. Das Ergebnis mag im Detail nicht überraschen. Ich frage Sie aber: Welche Erwartungshaltung haben Sie? Glauben Sie, er würde zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn er genau den gleichen Tatbestand prüfen würde? Der Name sagt es schon: Der UN-Menschenrechtsausschuss überprüft, und ich werde an dieser Stelle langsamer, ob die jeweiligen Staaten nach dem UN-Zivilpakt die Menschenrechte verletzen. Genau diese Frage wollen Sie im Zusammenhang mit der NSA-Affäre stellen. Sie haben sich an dieser Stelle mit der NSA-Affäre beschäftigt. Die Wertung, die Sie oder ich nicht teilen müssen, wurde genauestens gefasst. Wenn Sie jetzt noch ein zwischenstaatliches Beschwerdeverfahren einleiten, dann frage ich Sie: Was erwarten Sie vor dem Hintergrund, dass der UN-Menschenrechtsausschuss ein Jahr später Auskunft geben würde? Das sage ich zum Thema Wirkungslosigkeit.

Ungeachtet einer Änderung haben die USA bei einem späteren Punkt, ich glaube, es ist der Punkt 22, im Zusammenhang mit Guantanamo erfahren, dass dies eine Verletzung der Menschenrechte von verschiedenen Menschen aus der ganzen Welt ist. Davon haben sich die USA auch nicht beeindrucken lassen. Ein Gremium von 168 Staaten hat den USA gesagt: Das, was ihr in Guantanamo macht, ist klar menschenrechtswidrig. Hier geht es nicht nur um Ausspähungen. Nach deutschem Recht wäre das eine Straftat, nämlich freistaatlich organisierte Freiheitsberaubung über zwölf Jahre hinweg. Welchen Effekt hatte dies? - Keinen.

Wir können uns im Ausschuss gern weiter über diesen Aspekt unterhalten. Ich glaube, es macht wenig Sinn, so zu tun, also lasse sich die Frage, ob die USA die Massenüberwachung, die für mich zweifelsfrei erwiesen ist, stoppen oder nicht, daran festmachen, ob wir die Bundesregierung auffordern, ein Beschwerdeverfahren durchzuführen. Dieses Beschwerdeverfahren käme zu einem Abschluss, den ich Ihnen voraussage. Ich bin bereit, mit Ihnen darum zu wetten, falls wir tatsächlich dazu kommen. Das ist der Punkt.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich möchte im Übrigen einen Hinweis geben: Herr Breyer, Sie haben doch ein so großes Interesse am Verfassungsrecht. In Ihrem Antrag ist ein kleiner Fehler. Sie fordern den Bundesrat auf, sich ebenfalls damit zu beschäftigen. Bundesrat und Bundestag sind zwar an völkerrechtlichen Abkommen zu beteiligen, aber das exklusive Recht zur Ausführung von völkerrechtlichen Abkommen liegt bei der Bundesregierung, es liegt einzig bei der Exe

kutive. Das hat das Bundesverfassungsgericht zweimal festgestellt. Es liegt weder beim Bundesrat noch beim Bundestag. Das wollte ich an dieser Stelle sagen. Allein deshalb besteht bei Ihrem Antrag Korrekturbedarf.

(Beifall SPD - Zurufe PIRATEN)

- Nein, die Bundesregierung braucht sich nicht an irgendwelche Aufforderungen des Bundestags zu halten. Das ist einzig und allein Exekutivhandeln. Es tut mir leid, das ist so.

Ich habe einen weiteren Punkt einzubringen: Lieber Kollege Burkhard Peters, es geht nicht darum, die Massenüberwachung vonseiten der USA und Großbritanniens nicht zu geißeln. Es geht darum, dass man nicht so tun sollte. Ganz ehrlich, es hat mich nicht überrascht, dass die USA ein robustes Verhältnis zu den Menschenrechten und zu Ausspähungen haben. Die CIA ist in den 70er-Jahren aus gutem Grund reformiert worden. Nach dem, was sonst noch so gemacht wurde, dürfte das eher deine Generation gewesen sein.

(Zurufe)

- Ich nenne das Stichwort Allende.

(Glocke Präsident)

Man kann darüber überrascht sein, aber das ist für jeden subjektiv. Ich war nicht überrascht. Ich war überrascht über die technischen Möglichkeiten, die es gibt. Ich sage ganz ehrlich: Ja, die NSA hat 45.000 Mitarbeiter, die sie zum großen Teil wahrscheinlich auch auf uns ansetzt. Mir ist es aber zu wenig zu sagen: USA, ihr seid die Bösen. Ich habe gerade bei www.geheimdienste.org nachgesehen: Russland hat 475.000 Mitarbeiter in Geheimdiensten und Sicherheitsdiensten. Von denen sind 337.000 zur Auslandsspionage berechtigt.

Wenn man sich über Geheimdienste unterhält, dann sollte man nicht so tun, als gäbe es hier einen speziellen Bösen. Wir wehren uns natürlich auch gegen die russische Ausspähung. Wir müssen uns an dieser Stelle auch darüber unterhalten, was in der russischen Botschaft passiert, und uns wirksam dagegen zur Wehr setzen. Die Illusion, die bei einigen zerstört worden ist, ist einzig die, dass man eine Art Privileg besitzt nach dem Motto: Die USA werden uns schon nicht ausspionieren.

Herr Kollege Breyer, ob ich einen Einzelnen ausspioniere oder zwei oder zehn, ist egal. Es ist in jedem Fall eine Grundrechtsverletzung. Ich frage nämlich mitnichten einen Richter in dem Land.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Ehrlich gesagt, ich wüsste nicht, dass wir dann, wenn wir nordkoreanische Staatsbürger ausspionieren, vorher einen nordkoreanischen Richter befragen, ob wir diesen Menschen ausspionieren dürfen. Dies ist zum Teil intrinsisch. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. - Es ist kein Überweisungsantrag gestellt worden.

(Zurufe)

- Doch? - Bitte.

Es tut mir leid, dass dies untergegangen ist. Beantragt sind eine federführende Befassung im Europaausschuss und eine Mitberatung im Innen- und Rechtsausschuss.

Sehr schön, das nehmen wir zu Protokoll. Das ist sehr wichtig. Wir stimmen nun über den Antrag auf Überweisung ab, und zwar federführend an den Europaausschuss und mitberatend an den Innenund Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15, 20, 41 auf:

Gemeinsame Beratung

a) NDR-Staatsvertrag weiterentwickeln

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1761

NDR transparenter, partizipativer und bürgerfreundlicher gestalten

(Dr. Kai Dolgner)

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/1834

b) Versprechen einlösen - Mehreinnahmen an die Beitragszahler zurückgeben

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1850

c) Informationsfreiheit im NDR-Staatsvertrag regeln

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/1288

Bericht und Beschlussempfehlung des Innenund Rechtsausschusses Drucksache 18/1555

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/1697

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zunächst erteile ich der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, Frau Abgeordneter Barbara Ostmeier, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich verweise auf die Vorlage.

Vielen Dank für die umfassende Berichterstattung. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Sven Krumbeck von der Piratenfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie hier selbst mehrere Optimierungen des NDR-Staatsvertrags sehen. In der Sache halten wir Ihren Ansatz jedoch an mehreren Stellen für viel zu zurückhaltend: Mehr Zuschauerbeteiligung? - Keine Chance. Einbindung jüngerer Zuschauer wie Schüler und Studenten? - Das ist auch nicht gewollt. Obwohl die Landesregierung aktuell im Auftrag dieses Hauses dabei ist, eine Regelung zur Anwendung freier Lizenzen für Werke des Landes zu erarbeiten, ist das dem NDR offenbar keinen Gedanken wert. Schade, kann ich nur sagen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Die Freigabe der Werke des NDR würde ihre Nutzung und damit die Verbreitung des Wissens und der Informationen entscheidend verbessern. Schließlich ist das eine nicht ganz nebensächliche Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Am meisten stört mich aber die Weigerung, an wichtigen Stellen klare Standards zu setzen. Das gilt zum Beispiel für die Informationsfreiheit. Der Kollege Eichstädt hat im Innen- und Rechtsausschuss erklärt: Die Anwendbarkeit des modernen und zukunftsgewandten Hamburger Transparenzgesetzes bereite Probleme, weil nicht alle Länder ein solches hätten. Wenn wir danach gingen, dann dürften wir gar keine Informationsfreiheit festschreiben, weil Niedersachsen diese bis heute nicht kennt.

(Uli König [PIRATEN]: Ein Schelm, der da- bei Böses denkt!)

Sie wollen einen Verhandlungsauftrag ohne jegliche inhaltliche Festlegung erteilen. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass am Ende der Verhandlungen eine moderne und zukunftsfähige Regelung zur Informationsfreiheit steht, der der Landtag zustimmen kann. Genauso gut kann aber auch ein völliger Ausschluss von Informationsfreiheit dabei herauskommen. Das wäre dann auch eine feste Regelung.

(Uli König [PIRATEN]: Unerhört!)

Nein, werte Kolleginnen und Kollegen, das Parlament ist das höchste Organ der politischen Willensbildung in Schleswig-Holstein. Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, die inhaltlichen Standards so zu setzen, wie wir sie uns wünschen. Aber wenn man keine inhaltlichen Vorstellungen hat, dann muss man wohl darauf verzichten, Standards zu setzen.

(Beifall PIRATEN)

Wir haben in Schleswig-Holstein hohe, in Hamburg jedoch höhere Standards in der Frage der Informationsfreiheit. Sie wollen aber weder den einen noch den anderen Standard als Mindestmaß für die Verhandlungen bestimmen. Wenn ein Landtag in solchen Punkten keine inhaltlichen Anforderungen definiert, dann enthebt er sich einer seiner ureigensten Aufgaben.

Wenn es um Staatsverträge geht, dann können wir dies nur vor dem Abschluss der Verhandlungen tun. Danach kommt nur noch die Frage, ob wir das Gesamtpaket annehmen wollen oder nicht. Eine Befassung mit den konkreten Inhalten und vor allem ihre Änderung sind dann so gut wie ausgeschlossen.