Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

(Heiterkeit Dr. Heiner Garg [FDP])

Diese Formulierung muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn es das arme Schleswig-Holstein als eines der fünf Länder, die extra Konsolidierungshilfe bekommen, schafft, die

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Schuldenbremse einzuhalten, dann sollten es die anderen, finanziell bessergestellten Länder erst recht hinbekommen, und zwar ohne, dass wir dafür extra neue Voraussetzungen in der Bund-LänderKommission vereinbaren müssen.

Alle Länder haben dafür zehn Jahre Zeit und müssen es genauso allein hinbekommen, wie Schleswig-Holstein es bisher geschafft hat. Deshalb ist diese Forderung im Antrag der Regierungsfraktionen nicht im Interesse unseres Landes. Sie dient einzig und allein dem Interesse von Ländern, wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Bremen, die unter rot-grünen Regierungen munter weiter Schulden machen und bei denen noch überhaupt nicht abzusehen ist, wie sie die Schuldenbremse jemals einhalten wollen.

Es kann aber nicht unsere Aufgabe sein, für die Versäumnisse dieser Länder jetzt nach Hilfe durch den Bund zu rufen. Unser Interesse muss es sein, dass der Bund allen Ländern bei der Tilgung der Altschulden hilft. Die Einhaltung der Schuldenbremse hingegen müssen auch rot-grün-regierte Länder gefälligst allein hinbekommen.

Was den FDP-Antrag zur Verwendung der Mittel des Länderfinanzausgleichs ausschließlich für Investitionen anbelangt, so scheint mir diese Forderung doch sehr mit heißer Nadel gestrickt und auch nicht ganz richtig durchdacht zu sein.

(Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP])

Schleswig-Holstein hat im vergangenen Jahr - ich rechne Ihnen das gern noch einmal vor, Herr Kollege - 158 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Trotz der niedrigsten Investitionsquote aller Zeiten hat das Land aber im letzten Jahr rund 700 Millionen € investiert.

Was will uns der FDP-Antrag nun sagen? - Sollen die Investitionen auf das Niveau des Länderfinanzausgleichs abgesenkt werden? - Wohl kaum.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach, Herr Koch, das ist doch albern! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das heißt doch zusätzlich! - Christo- pher Vogt [FDP]: Zügeln Sie sich, Herr Koch!)

- Zusätzlich, das habe ich mir auch gedacht. - Offensichtlich sollen die Mittel zusätzlich investiert werden. Dann stellt sich aber die Frage: Zusätzlich wozu? Weder in der Landesverfassung, noch im Haushaltsgesetz, noch in der Landeshaushaltsordnung gibt es bislang eine Vorschrift, die regelt, wieviel das Land überhaupt investieren soll. Würde der Antrag der FDP also beschlossen werden, wäre die

Forderung bereits eingehalten, wenn die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich zuzüglich 1 € investiert würden.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- RATEN und SSW)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Danke für Ihre Geduld. Eine Beschlussfassung des FDPAntrags liefe ins Leere. Das von uns gemeinsam verfolgte Ziel von mehr Investitionen würde nicht erreicht werden. Ich beantrage, den Antrag der Regierungsfraktionen ebenso wie den Antrag der FDP-Fraktion an den Finanzausschuss zu überweisen und bitte um Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur Altschuldentilgung. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Kollege Koch, ich bin dann auf die Unions-Vorschläge gespannt, wie Sie dafür sorgen wollen und mit welchen finanziellen Mitteln Sie das, was wir dringend brauchen, nämlich mehr Investitionen für den Standort Schleswig-Holstein, finanziell umsetzen wollen.

Unser Antrag ist ein Angebot, dem Abhilfe zu schaffen, was im Übrigen nicht nur für SchleswigHolstein gilt, sondern was bundesweit seit vielen Jahren ein Problem ist. Es wird zu wenig investiert in der Bundesrepublik, und zwar sowohl von der privaten Wirtschaft als auch und insbesondere von der öffentlichen Hand, landauf, landab. Es kommt nicht so häufig vor, dass sich die „New York Times“ ziemlich ausführlich mit Schleswig-Holstein beschäftigen. Das hat sie aber im Frühjahr getan. Es war ein sehr interessanter Artikel, in dem es um den Substanzverzehr in der Bundesrepublik Deutschland geht, der seit Jahren anhält. Das Paradebeispiel dafür war ein Maschinenanlagebauer und dessen Probleme bei der Sperrung der Rader Hoch

(Tobias Koch)

brücke für Lkw. Es wurde ausgeführt, welche zusätzlichen Kosten und welche zusätzliche Zeit aufgewendet werden müssten, um seine Anlagen erst von seinem Standpunkt im Rheinischen nach Dänemark zu verschicken, um sie dann von Norden an den Bestimmungsort nach Schleswig-Holstein zu transportieren.

Der Ministerpräsident hat in einem Gastbeitrag im Handelsblatt vom 24. April 2014 zu Recht gesagt ich zitiere -: „Eigentlich wäre genug Geld da. Eigentlich.“ Tatsächlich geben wir dieses Geld aber seit Jahrzehnten für andere Zwecke aus, sinnvoll, möglicherweise aber auch weniger sinnvoll.

Frau Ministerin Heinold, Sie werden nicht müde zu erklären: Konsolidieren und investieren, das passt zusammen. - Da haben Sie recht. Das passt zusammen. Das ist sogar eine Grundvoraussetzung, bedauerlicherweise ist Ihre Politik aber genau vom Gegenteil geprägt. Sie konsolidieren zulasten der Investitionen in diesem Land.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Denn dazu muss man sich nur einmal die Investitionsquoten angucken. Die Investitionsquoten in Schleswig-Holstein sind noch nie so niedrig gewesen wie sie heute sind. Das Schlimme ist, in Ihrem mittelfristigen Plan sollen die Investitionsquoten noch weiter absinken. Es macht aus meiner Sicht relativ wenig Sinn, zukünftigen oder auch jungen Generationen zwar einen auf dem Papier konsolidierten Haushalt zu übergeben, sie gleichzeitig aber auf einer vollkommen verrotteten öffentlichen Infrastruktur sitzenzulassen.

(Beifall FDP, CDU, Thomas Rother [SPD] und Tobias von Pein [SPD])

Genau deswegen brauchen wir hier eine Trendumkehr. Herr Kollege Koch, das ist ein Angebot, auch geprägt dadurch, wie der Länderfinanzausgleich angesichts der Tatsachen weiterentwickelt werden soll. Dafür habe ich durchaus Verständnis -, wenn ich mir die Entwicklung Bayerns angucke. Bayern war bis 1986 Nehmerland im Länderfinanzausgleich - bis 1986 Nehmerland! Bayern hat klug investiert, hat eine kluge Wirtschaftspolitik betrieben, sodass sie seit 1987 Geberland im Länderfinanzausgleich sind.

Es muss doch politisches Ziel sein, und zwar im Zweifel fraktionsübergreifend, nicht dauerhaft auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, sondern durch kluges Investieren dafür zu sorgen, dass Schleswig-Holstein irgendwann einmal in der Lage

ist, aus eigener Kraft die Zukunftsaufgaben zu wuppen, die anstehen.

Deswegen war der Vorschlag: das, was wir aus dem Länderfinanzausgleich beziehen - und ich sage im Moment auch brauchen -, in Zukunft ausschließlich und - selbstverständlich, Herr Kollege Koch - zusätzlich zu investieren. Wenn da an der einen oder anderen Stelle noch Beratungsbedarf besteht, schließe ich mich dem gern an, dass man sowohl den Koalitionsantrag als auch den FDP-Antrag im Ausschuss berät. Ich sage aber auch: Wenn wir weiter wie bislang agieren, nämlich die Ausgabenpolitik der derzeitgen Landesregierung zulasten der Investitionen fortführen, schaffen wir genau das Gegenteil von dem, was Zukunftsfähigkeit bedeutet.

Ich schließe mich auch gern der Freude darüber an, dass es dem Landtag offensichtlich gelingen kann, sich einstimmig darauf zu verständigen, dass wir auch tilgen, dass wir möglicherweise nicht nur die Nettoneuverschuldung auf Null zurückführen, sondern uns auch verpflichten wollen, Altschulden zu tilgen. Das hat eine ganze Weile gedauert, bis es gelungen ist. Dafür danke ich auch den Kolleginnen und Kollegen.

Ich glaube, dass wir uns im Finanzausschuss auch über die Frage unterhalten, was denn tatsächlich zukunftsfähige Investitionen für Schleswig-Holstein sind. Es sind ja nicht nur die Verkehrswege, es ist auch die Kommunikationsinfrastruktur, und es ist auch die Bildungsinfrastruktur.

(Zurufe Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Doch, Herr Kollege Andresen, ich habe auf diesen Einwand gewartet.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das ist der letzte Satz, Frau Präsidentin. - Zumindest baulich sind sowohl die Schulen als auch die Hochschulen in genau so einem maroden Zustand wie beispielsweise die Landesstraßen. Da taucht er auf. Wir können auch gern über den Investitionsbegriff diskutieren. Mir geht es darum, endlich einmal einen vernünftigen Vorschlag zu machen, wie wir, ohne dass wir für uns zusätzliches Geld herbeizaubern, mehr in dieses Land investieren können. Ich

(Dr. Heiner Garg)

glaube, das ist notwendig. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Lars Winter das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Anfangen möchte ich mit etwas Positivem. Dass es gelungen ist, im Finanzausschuss eine gemeinsame Linie für den Umgang mit der Tilgung der Altschulden zu vereinbaren, finde ich gut und richtig. Die Vereinbarung steht in einer Tradition des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung nach Möglichkeit einvernehmlich und gemeinsam auf den Weg zu bringen.

Gemeinsame Entscheidungen prägten auch auf Bundesebene die Verhandlungen der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, der Föderalismuskommission II. Wir haben damals die Schuldenbremse vereinbart, die bei uns in Schleswig-Holstein zusätzlich gestärkt wurde. Ein Grund für die konstruktiven Gespräche war, dass auch Landesparlamente und Kommunen einbezogen waren.

Im Schleswig-Holsteinischen Landtag stimmten wir damals darin überein, dass die Rolle der Landesparlamente bei den Verhandlungen stärker in den Vordergrund rücken sollte. Wir wollten und wollen die parlamentarischen Rechte stärken.

Zum Jahr 2019 wird die Zusammenarbeit neu aufgelegt. Die wichtigste Maßgabe gibt unsere Verfassung vor:

„Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, dass ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.“

Das steht in Artikel 106 des Grundgesetzes.

Ein wichtiger Punkt für die neuen Verhandlungen ist die Frage, wo bei der ersten Föderalismuskommission richtige Entscheidungen zur Entflechtung getroffen wurden. Gerade im Bildungsbereich stoßen wir hier schnell an Grenzen. Dabei ist Bildung das Thema, bei dem Bund und Länder so eng wie

möglich zusammenarbeiten sollten, beim Ausbau der Kinderbetreuung, besonders der vorschulischen, und bei einer verbesserten Bildung an Schulen und Hochschulen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine zukunftsfähige Infrastruktur. Dabei rede ich keineswegs nur von Verkehrswegen. Meine Kollegin Eickhoff-Weber hätte gestern einiges zum Breitbandausbau in Schleswig-Holstein gesagt. Die Rede ist zu Protokoll gegeben worden, deshalb müssen wir das jetzt nachlesen. Aber da steht etwas dazu drin. Wir brauchen Instrumente, um den demokratischen Wandel konstruktiv zu nutzen. Mit einem Weiter-so wird es nicht gehen.

Wir werden uns dann aber auch irgendwann einmal entscheiden müssen, was das Wichtigste ist. Deshalb hat die Koalition den Antrag auf den Weg gebracht, über den wir heute sprechen. Wie wir es schaffen können, die Haushalte zu konsolidieren, gute Bildungsstrukturen von der Krippe an lebenslang zu verankern und Infrastruktur auf die Zukunft auszurichten, sind politische Fragen und auch technische Fragen.