Ja, könnte. Aber auch da - ich will Sie nicht belehren - muss ich Sie zumindest verbessern. Sie wissen genau, sobald das Rindfleisch verarbeitet ist, also nicht in der Tiefkühltruhe mit einem Strichcode drauf vor Ihnen liegt, über den Sie herausfinden können, von welchem Erzeuger es stammt -, gibt es nach wie vor offene Fragen bei der Nachvollziehbarkeit - es sei denn, Sie geben sich sehr viel Mühe und forschen - und riesige Probleme. Diese werden auch durch den von Ihnen durchaus gut gemeinten Vorschlag nach meiner Meinung nicht gelöst.
Jetzt kommen wir zum nächsten Redner. Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Bernd Voß das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte im Grunde an die eingangs stattgefundene EU-Debatte anknüpfen. Für Lebensmittelsicherheit und die Kennzeichnung von Lebensmitteln gibt es in der EU ein umfangreiches Regelwerk. Wir haben vorhin sehr deutlich gesagt, dass das auch richtig so ist, aber dass es zugleich wichtig ist, auch zeitlich auf die Weiterentwicklung Einfluss zu nehmen.
Es wird ja immer wieder gern dargestellt, dass sich das alles im Klein-Klein verliere. Es ist, um vielleicht einen äußeren, unbekannten Gegner aufzubauen, in einigen Kreisen richtig angesagt, viel und lautstark über die angebliche Regelungswut der Behörden und der EU zu schimpfen. Bei der Diskussion über das geplante Handels- und Investitionsabkommen wird aber sehr deutlich, dass viele Menschen ziemlich froh darüber sind, dass wir hier etwas geregelt haben, sodass wir etwas mehr über die Herkunft als anderswo wissen. Das sichert letztlich europäische und kulturelle Werte.
Herr Rickers, ich denke, es kann nicht sein, dass wir uns wieder hinstellen und erklären, was alles nicht geht. Das heißt überhaupt nicht, dass wir Grüne nicht über das eine oder andere meckern, was sich im Lebensmittelkennzeichnungbereich tut. Wir
haben ja bereits im Landtag über die Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln diskutiert. Da gibt es Regelungslücken bei der Kennzeichnung tierischer Produkte, die geschlossen werden müssen.
Es gibt weitere Lücken, zum Beispiel über die Herkunfts- und die Haltungsformen. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind erschrocken über die Medienberichte über die Zustände in der industriellen Tierhaltung. Viele sagen dann: Dann möchte ich ja lieber kein Fleisch von Tieren mehr kaufen, die unter diesen Haltungsbedingungen und unter diesen unbekannten Herkünften aufgewachsen sind. Das hatten wir auch bei den Legehennen mit den Käfigen. Da stellte sich schnell raus - Kirsten Eickhoff-Weber hat sehr deutlich gemacht, wie wir „totgelabelt“ werden -, dass, wenn die Eier gekennzeichnet sind, die allermeisten Kunden keine Käfigeier mehr kaufen wollen. Das bedurfte keinerlei - ich denke, dass ist der Kernpunkt - staatlicher Subventionen beziehungsweise Ver- oder Geboten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben zügig geregelt, welche Haltungsformen sie wollten und das war nun einmal nicht der Käfig.
Aber schon bei verarbeiteten Produkten ist das nicht der Fall. Auf Kekspackungen und so weiter steht es nicht drauf. Das haben wir heute bereits gehört. Daher ist es wichtig, dass wir heute einen deutlichen Beschluss fassen. Die Verbraucherschutzministerkonferenz tagt exakt zu diesem Zeitpunkt zu exakt diesem Thema und hat sich die „Eierfrage“ vorgenommen; man muss auch bei verarbeiteten Produkten mehr regeln.
Bei Puten- und Schweineschnitzel weiß man auch nicht, woher die Tiere stammen, wie sie gehalten wurden und wo sie tot aus dem Schlachthof kamen. Der Verbraucher erfährt das bisher nicht.
Das Europaparlament hat dazu bereits im Februar 2014 einen Beschluss gefasst, der im Grunde weit über die Forderungen der Kommission hinausgeht. Da sehen wir wieder, wie wichtig die offene Debatte in Europa und die parlamentarische Ebene sind.
Ich nenne einige Beispiele: Die EU-Kommission wollte keine Länderherkunftskennzeichnung für Hackfleisch, sondern nur die Kennzeichnung: EU oder Nicht-EU. Die Parlamentarier waren dazu aber anderer Meinung. In unserem Antrag geht es natürlich nicht nur um den Herkunftsort. Bei einer transparenten Kennzeichnung der Haltungsform kann die Entscheidung über die Art der Tierhaltung durch die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Ladentheke getroffen werden. Verbraucherin
nen und Verbraucher müssen sich beim Einkauf im Alltag nach einfachen, klaren und überschaubaren Kennzeichen richten und danach entscheiden können. Schließlich möchte niemand erst einmal einen umfangreichen Beipackzettel von Lebensmitteln durchlesen und durcharbeiten, wenn er mit seinem Wagen durch den Supermarkt fährt.
Zu wissen, was man kauft, wirkt sich auf die Art der Erzeugung aus. Natürlich, je stärker ein Produkt verarbeitet ist, je mehr Zutaten unterschiedlicher Herkunft es gibt, desto schwieriger ist es. Aber es kann bei wenig verarbeiteten Produkten ein Anfang gemacht werden, wie zum Beispiel bei Milch, Fleisch- und Wurstwaren. Denn es bewegt die Verbraucherinnen und Verbraucher schon, ob die Kühe im Sommer auf der Weide tatsächlich Gras gefressen haben oder ob das nur so auf der Packung abgebildet ist. Es bewegt sie schon, ob die Schweine neben ihrem Spaltboden auch noch ein Strohlager in ihrem Bereich haben - um nur zwei Bilder zu zeichnen.
Damit sich auf dem Markt etwas bewegt, muss es angestoßen werden. Ziel muss also eine EU-weite Umsetzung sein. Ich denke, man kann die Initiative Tierwohl der Branchenverbände hier wirklich nicht als Maßstab nehmen. Sie war von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn sie war in die Hände der Lebensmittelwirtschaft gelegt. Letztlich wissen trotz dieser Initiative die Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt nicht, ob das Produkt aus der Erzeugung kommt, die ihnen suggeriert wird. Das kann zufällig der Fall sein, das muss aber nicht sein. Die Anonymität der Erzeugungskette aufzubrechen, das ist die Herausforderung. Verbraucherinnen und Verbraucher wissen schon, was sie wollen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Voß und Frau Eickhoff-Weber, Sie haben hier viel über tierische Lebensmittel gesprochen. Aber wenn man sich den Antragstext wirklich einmal an
(Olaf Schulze [SPD]: Das ist gut, das liebe ich! - Zuruf SPD: Das ist voll regional! - Weitere Zurufe und Heiterkeit)
Es ist nicht das erste Mal, dass wir über das Thema Lebensmittelkennzeichnung reden. Natürlich gibt es da Diskussions- und Handlungsbedarf, das ist gar keine Frage. Der Antrag geht wirklich in die richtige Richtung. Ich habe auch sehr viel Sympathie, nicht nur für Sie, sondern auch für den Antrag.
Selbstverständlich brauchen die Verbraucher Transparenz, sie brauchen Information, um über Produkte und Dienstleistungen zu entscheiden. Wir wollen den eigenverantwortlichen Verbraucher, der selbstbestimmt Entscheidungen treffen kann. Dazu wäre die Idee aus Ihrem Antrag sicherlich geeignet.
Aber - wie ich schon am Anfang sagte - es ist nicht Fisch, es ist nicht Fleisch, tatsächlich sind da noch sehr viele Fragen zu klären und Punkte offen. Um ein paar Beispiele zu nennen - das Beispiel mit den Eiern kam schon vom Kollegen Rickers -: Fragen Sie doch einmal den Verbraucher, was der Unterschied zwischen Freilandhaltung und Bodenhaltung ist, wo genau da die Grenze gezogen wird. Das ist schwierig. Genauso schwierig wird es nachher auch
bei den Fleischprodukten und bei den Fischprodukten, klarzustellen und genau zu definieren, ab wann man welche Kennzeichnung vornimmt.
Das sind ganz wichtige Fragen, die wir unbedingt noch klären sollten. Das sollten wir im Ausschuss tun. Sie schreiben auch selbst in Ihrer Antragsbegründung, dass es unterschiedliche Ansätze gibt. Wir sollten uns natürlich auch die Frage anschauen und behandeln, wie es mit dem Verwaltungs- und Kostenaufwand für die Produzenten, für die Landwirte aussieht. Das muss geprüft werden. Deshalb bitte ich um Ausschussüberweisung.
Um es zusammenzufassen: Grundsätzlich begrüßen wir den Antrag. Er bleibt aber leider noch viele Antworten schuldig. Es ist schon so ein bisschen skurril, wenn man einen Antrag stellt, der von Transparenz, von klarer Kennzeichnung spricht, dass man selbst im Text noch viele Fragen offenlässt. Das passt nicht wirklich zusammen. - Ich danke Ihnen trotzdem für die Aufmerksamkeit.
- Ich halte heute hier eine Rede für uns PIRATEN und für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land.