Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Es besteht jetzt die große Chance, die Bildungsund Wissenschaftslandschaft in Schleswig-Holstein kurzfristig stärken zu können, da mit dem Bund vereinbart wurde, dass die finanzielle Entlastung in den Bildungsbereich fließen soll. Die Einigung zur kompletten Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund ist letztlich nur eine Art Krücke, um das unsinnige Kooperationsverbot zwischen dem Bund und den Ländern zu umgehen.

(Beifall FDP und CDU)

Deshalb macht uns die Einigung noch einmal deutlich, wie notwendig es ist, dass das Kooperationsverbot endlich abgeschafft wird. Ich hoffe, Herr Dr. Stegner, dass sich die Große Koalition endlich dazu durchringen wird. Wenn sie etwas für junge Menschen machen will, wäre das sicherlich ein sinnvoller Beitrag.

(Beifall FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion war in den letzten Jahren immer klar, dass das Land nach mehreren Jahrzehnten verfehlter Haushaltspolitik zu einer generationengerechten Politik zurückkehren muss. Aus diesem Grund haben wir uns fraktionsübergreifend in diesem Hause für eine sehr strikte Schuldenbremse in unserer Landesverfassung entschieden. Für die FDP-Fraktion war aber auch immer völlig klar, dass eine schwarze Null am Jahresende kein Selbstzweck sein kann. Die Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen muss einhergehen mit dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und besseren Bildungsangeboten. Wenn die finanzielle Situation also Spielräume lässt, müssen diese entsprechend intelligent genutzt werden. In einer solchen Situation befindet sich unser Land zurzeit.

Nicht nur bei der Infrastruktur gibt es großen Handlungsbedarf, auch bei der Unterrichtsversorgung und den Ausgaben für die Hochschulen pro Stu

(Johannes Callsen)

dent gerechnet, ist Schleswig-Holstein bundesweites Schlusslicht. Der Bedarf ist also riesig groß, und entsprechend groß sind natürlich auch die Verteilungskämpfe.

Meine Fraktion hat vorgeschlagen, analog zur bisherigen Aufteilung des BAföG-Anteils etwa zwei Drittel der frei werdenden Mittel in den Hochschulbereich und etwa ein Drittel in den schulischen Bereich zu investieren. An den Schulen soll das Geld vor allem in die verbesserte Unterrichtsversorgung und in die Qualität der Inklusion investiert werden, bei den Hochschulen in die räumliche und personelle Ausstattung sowie in die soziale Infrastruktur, die leider manchmal unter den Tisch fällt. Vor allem die Schaffung bezahlbarer Wohnheimplätze soll hierdurch finanziert werden. Im bundesweiten Vergleich hängen wir sehr weit hinterher. Wir haben nur eine Quote von circa 6 %, die bundesweit bei 11 % liegt. Daran sieht man, dass es einen Bedarf gibt und dass auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Nähe der Hochschulen vorhanden ist.

Meine Damen und Herren, die Hochschulen erwarten 2016 den doppelten Abiturjahrgang und sind das ist wohl keine neue Erkenntnis - chronisch unterfinanziert. Bereits vor zwei Jahren wurde die Unterfinanzierung auf rund 40 Millionen € pro Jahr geschätzt. So etwas bleibt natürlich nicht ohne Folgen.

Wenn man ehrlich ist, kann nur noch dank der eingeworbenen Drittmittel in Schleswig-Holsteinisch gute Lehre und Forschung ermöglicht werden. Ich möchte nicht nur auf die räumliche Situation der Hochschulen und den Bedarf beim Lehrpersonal, sondern auch auf den Mangel bei den Räumlichkeiten hinweisen. Die Fachhochschule Lübeck ist beispielsweise auf etwa 1.500 Studierende ausgelegt, mittlerweile studieren dort seit vielen Jahren über 4.000 junge Menschen. Gerade zu Semesterbeginn müssen Vorlesungen in angemietete Kinosäle verlegt werden. Dringend benötigte und seit fast zehn Jahren beantragte Gebäude lassen immer noch auf sich warten.

Meine Damen und Herren, nun habe ich den Koalitionsbeschluss zur Kenntnis genommen. Grundsätzlich gilt: Jede Lehrerstelle, die solide finanziert und nicht abgebaut werden muss, ist gut für unser Land. Ich möchte gar nicht kritisieren, dass jede Fraktion ihre Schwerpunkte an dieser Stelle etwas anders setzt, bedaure es aber sehr, dass die Hochschulen nun de facto nicht nur leer ausgehen, sondern auch noch den Aufbau unnötiger Doppelstruk

turen in Flensburg über den Bildungsetat mitfinanzieren sollen.

(Beifall FDP und PIRATEN)

Die Hochschulen sind damit der große Verlierer Ihres Beschlusses. Sie haben zu Recht mehr erwartet und werden nun bitter enttäuscht. Es ist ja auch kein Zufall, dass morgen die Hochschulen und die Studentenvertreter eine Sonderpressekonferenz angekündigt haben. Die einmaligen 2 Millionen € für die soziale Infrastruktur und der Verweis auf den Hochschulpakt sind letztlich nur Kosmetik.

Meine Damen und Herren, wir kritisieren auch, dass sich die Koalition für Stellen feiern lässt, die der Bund finanziert und die zu einem großen Teil erst einmal die Löcher in der Unterrichtsversorgung stopfen müssen, die die Koalition mit ihrem Schulgesetz und vor allem den vielen neuen und aus unserer Sicht vermeidbaren kleinen Oberstufen selbst geschaffen hat.

Die Koalition hat aus einer grandiosen Vorlage des Bundes unter dem Strich erstaunlich wenig gemacht. Nicht nur Bedarfsanalysen fehlen, sondern jetzt sollen auch 314 schulische Assistenzstellen geschaffen werden, obwohl noch immer kein Inklusionskonzept vorliegt.

Es tut mir leid, das ist keine kluge Bildungspolitik, sondern das ist einfach nur kopflos. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt PIRA- TEN)

Das Wort hat für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand kann bestreiten, dass die Einigung auf Bundesebene, die vor wenigen Tagen erfolgt ist, ein großer Schritt in die richtige Richtung ist. Für Bildung werden bundesweit 6 Milliarden € mehr bereitgestellt; das wird in der Bilanz der Regierung ein ganz großer Pluspunkt sein.

Mir ist auch wichtig zu sagen, dass diese zusätzlichen Finanzmittel für die Länder nicht auf Glück beruhen, wie ich es in den vergangenen Tagen hören musste, sondern auf intensiven Verhandlungen, an denen einige von uns direkt beteiligt gewesen sind.

(Christopher Vogt)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Keine Frage: Die zusätzlichen Finanzmittel des Bundes helfen, die Schwerpunktsetzung der Küstenkoalition noch einmal zu untermauern. Schon mit Übernahme der Regierungsverantwortung 2012 hat unsere Koalition der Bildung höchste Priorität eingeräumt. Bestmögliche Bildungschancen für alle und kein Kind zurücklassen - das bleiben die zentralen Ziele dieser Regierungskoalition.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

300 zusätzliche Stellen haben wir schon mit unserem ersten Haushalt ins Bildungssystem zurückgegeben. Auch wir müssen Lehrerstellen abbauen, um das Ziel zu erreichen, ab 2020 ohne zusätzliche Schulden auszukommen. Aber wir tun das in weit geringerem Ausmaß als die Vorgängerregierung. Ministerpräsident Carstensen sagte für seine Koalition aus CDU und FDP 2010 im Landtag - ich zitiere -:

„Wir werden die Zahl der Lehrerstellen in gleichem Umfang abbauen, wie die Schülerzahlen sinken. Angesichts der Haushaltslage sind wir nicht mehr in der Lage, eine Demografierendite an zusätzlichen Stellen in den Schulen zu lassen.“

Ministerpräsident Albig dagegen erklärte für unsere rot-grün-blaue Koalition 2012 in seiner Regierungserklärung - ich zitiere wieder -:

„Aufgrund des Schülerrückgangs werden rechnerisch - nach dem, was wir heute wissen - bis 2017 rund 1.400 Stellen frei. Die eine Hälfte der dadurch freigesetzten Mittel soll zur Verbesserung der Bildungsqualität dienen, die andere der Haushaltskonsolidierung.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir schaffen sogar deutlich mehr als die Hälfte. Das ist ein gewaltiger Unterschied für die Schulen in diesem Land.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Durch die Maßnahmen von Schwarz-Gelb hatte sich die Unterrichtsversorgung verschlechtert. Ich denke etwa an die Reduzierung von Differenzierungsstunden, die zulasten von Gemeinschaftsschulen ging. Wir haben das rückgängig gemacht und die Schikanen gegen diese Schulart beendet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben die Möglichkeit eröffnet, dass mehr Kinder in Schleswig-Holstein ein Abitur machen können. Und wenn Sie noch so sehr gegen die Oberstufen an Gemeinschaftsschulen wettern, sind wir doch überzeugt, dass die Stellen auch dort berechtigt sind. Wir wollen nämlich, dass mehr Kinder Abitur machen können. Das ist unser Ziel. Das kostet auch etwas.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP]: Das geht auch anders!)

Am billigsten wäre natürlich die achtjährige Volksschule, die manche aus der Opposition wohl noch im Kopf haben.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wenn Sie uns also kritisieren, sagen Sie wenigstens auch ehrlich, dass Sie eben nicht mehr Kindern das Abitur ermöglichen wollen.

Die Zeiten des dreigliedrigen Schulsystems sind endgültig vorbei. Auch das ist ein Stück Politikwechsel in Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Lachen Dr. Heiner Garg [FDP])

Darüber hinaus möchte ich Sie an Folgendes erinnern: Nicht das Land verordnet den Schulen eine Oberstufe, sondern die Einrichtung erfolgt aufgrund von Anträgen der kommunalen Schulträger. Sie werden nur genehmigt, wenn entsprechende Schülerzahlen und ein Konzept vorliegen.

Erzählen Sie doch nicht, dass CDU-Amtsvorsteher ideologische SPD-Politik propagieren.

(Christopher Vogt [FDP]: Na ja!)

Nein: Die Menschen vor Ort wollen diese Oberstufen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir haben das Verhältnis von Schüler- und Lehrerzahlen verbessert, und wir werden das schrittweise auch weiterhin tun. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Nach heutigem Stand werden wir 2017 rund 31.000 Schülerinnen und Schüler weniger in allgemeinbildenden Schulen haben. Das sind 10,6 % weniger als 2012. Bei den Lehrkräften werden es nach unseren Planungen allerdings lediglich 2,9 % weniger sein. Also: 19,6 % weniger Schüler und 2,9 % weniger Lehrer. Das ist eine deutliche Verbesse

(Dr. Ralf Stegner)

rung der Schüler-Lehrer-Relation von 17 auf 16,37.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zum Vergleich: Schwarz-Gelb wollte im gleichen Zeitraum 9,4 % der Lehrerstellen abbauen. Da sind dreimal so viele.