Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

Zweitens müssen wir uns überlegen, wie viel uns die Landesstraßen in unserem Haushalt wert sind. Ja, das ist eine Prioritäten-Debatte. Da geht es dann möglicherweise auch um die Frage, ob es die eine oder andere Lehrerstelle weniger geben wird. Aber dieser Frage müssen wir nachgehen.

Drittens müssen wir Radwege vielleicht durch Schutzstreifen auf der Fahrbahn ersetzen.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende.

Ja. Aber lassen Sie mich bitte noch den letzten Gedanken sagen. Wir müssen über einfachere Standards nachdenken. Zum Beispiel reichen für schwach befahrene Straßen einspurige Brücken.

Es gibt also eine ganze Reihe von Maßnahmen, die in dem Bericht genannt sind. Wir werden uns im Ausschuss mit all diesen Fragen näher befassen.

Herr Abgeordneter Tietze, Sie haben die Chance, jetzt noch eine Frage zu beantworten. Wollen Sie diese nutzen?

Bitte schön, Herr Dornquast.

Dann hat jetzt der Herr Abgeordnete Dornquast das Wort.

Habe ich Sie eben richtig verstanden - ich habe eine halbe Minute gebraucht, um nachzuvollziehen, was Sie gesagt haben -, dass Sie darüber nachdenken, Landesstraßen herabzustufen?

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Dann aber auch als einspurige Straßen!)

Lieber Herr Dornquast, zwischen dem, was ich hier aussende, und dem, was bei Ihnen ankommt, besteht ein Unterschied. Es gibt hier den Unterschied zwischen Sender und Empfänger.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sprach nicht von einer Abstufung, sondern ich sprach von einer Priorisierung. Es ist in der Tat so: Bei unserem Landesstraßennetz von 3.500 km gibt es Landesstraßen, die eine wichtigere Funktion für den Verkehrsfluss haben, und es gibt Landesstraßen, die eine weniger wichtige Funktion dafür haben. Mein Ansinnen ging dahin, zu sagen: Wir können nicht alle Straßen gleichzeitig sanieren, sondern wir müssen aufhören, mit dem Geld, das wir haben, immer nur bestimmte Lieblingsprojekte von vielleicht einigen Abgeordneten - ich gucke immer nur in meinen Wahlkreis - ins Auge zu fassen, bei denen es um Fragen wie diese geht: Wie weit wohne ich entfernt? Diese und ähnliche Fragen brauchen wir nicht, sondern wir brauchen eine objektive Bestimmung: Welches ist das Kernnetz? Wie sieht es aus? Und wie können wir es mit den geringen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, möglichst effizient sanieren? Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen, und die ist nicht leicht.

Herr Abgeordneter Dr. Tietze, erlauben Sie noch eine weitere Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt?

(Dr. Andreas Tietze)

Ja, Herr Kollege Vogt. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege. Gestatten Sie mir vorweg den Hinweis: Ich wollte Ihnen keine Redezeit schenken, sondern wirklich nur eine Antwort auf meine Frage haben. Ich quäle Sie auch nicht mehr weiter mit der Pkw-Maut für Ausländer, sondern wollte nur eine konkrete Frage stellen.

- Ich will nicht nur keine Pkw-Maut für Ausländer ich glaube, insoweit habe ich mich klar ausgedrückt, sondern ich will auch keine Pkw-Maut für Inländer.

- Ich hatte eine in sich geschlossene Frage. Aber diese hatten Sie ein wenig anders beantwortet. Aber das ist auch ganz egal.

Herr Kollege Tietze, Sie haben gerade von einer Priorisierung gesprochen. Und Sie haben gesagt, man müsse dann auch ein bisschen nach der Bedeutung der Straßen fragen. Nun haben wir wohl auch gemeinsam festgestellt, dass auf 85 % der Landesstraßen Buslinien verlaufen. Sie werden nun wahrscheinlich sagen: Die Straßen, auf denen Busse verkehren, müssen natürlich Schwerpunktstraßen werden. Aber haben denn die letzten 15 % der Straßen, auf denen keine Busse fahren, aus Ihrer Sicht gar keine Chance mehr, in den nächsten Jahren repariert zu werden?

- Herr Vogt, das ist jetzt wieder eine Suggestivfrage, die Sie mir stellen. Ich meine, Sie haben tatsächlich recht. Die Frage, ob auf Straßen auch ÖPNV-Verkehr stattfindet, ist sicherlich eine wichtige Frage für eine Priorisierung, aber nicht die einzige Frage. Für mich wäre zum Beispiel wichtig, ob Wirtschaftszentren, Gewerbezentren damit verbunden sind, ob es beispielsweise Siedlungsstrukturen gibt, die miteinander verbunden werden, ob also Hauptachsen bedient werden, ob Hauptachsen zu Bundesstraßen bedient werden. Das alles ist eine ganz vielfältige Debatte. Ich will auch gar nicht sagen, dass ich mich in diese Debatte politisch einmischen möchte. Mir ist nur wichtig, dass der Minister ein Konzept vorlegt, mit dem wir tatsächlich eine objektive Kriteriensammlung haben, bei der wir zunächst nicht fragen: Wo wohnen wir? Nutzt uns die Maßnahme persönlich? Wir müssen vielmehr fragen: Ist die wirklich objektiv begründbar? Das sind solche Kriterien, über die ich gern nachdenken

möchte. Da spielt der ÖPNV-Zugang sozusagen eine Rolle, aber für mich nicht die entscheidende.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Piratenfraktion hat Herr Abgeordneter Torge Schmidt das Wort.

Danke schön, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Tietze, ich persönlich bin fast ein wenig traurig darüber, dass wir gerade in einer Debatte, bei der es auch um Maut und so weiter geht, die alte grüne Forderung nach der Ausweitung der Spritsteuer und der Erhöhung des Spritpreises nicht als Vorschlag zur Finanzierung gehört haben.

(Lars Harms [SSW]: Benzin!)

- Benzin, ja. Entschuldigen Sie meine Umgangssprache, Herr Harms.

Lassen Sie mich meine Rede halten. Uns liegt heute der eingeforderte Bericht vor. Dieser beschreibt im Grunde nur das, was wir bereits wissen. Unsere Landesstraßen sind marode. Schön, dass wir diese Erkenntnis nun auch schwarz auf weiß vorliegen haben. Es ist - das muss man auch einmal ganz ehrlich sagen - illusorisch, dass wir das gesamte Netz der Landesstraßen Schleswig-Holsteins mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in einem guten Zustand erhalten können.

(Beifall PIRATEN)

Es braucht daher klare Kriterien und Prioritäten bei der Frage, welche Straßen an welcher Stelle am dringendsten saniert werden müssen. Wir Piraten setzen uns dafür ein, dass diese Frage offen und insbesondere transparent mit den Bürgern diskutiert wird.

(Beifall PIRATEN)

Wenn man über den Zustand unserer Landesstraßen diskutiert, muss man auch über die Ursachen sprechen. Ursache ist insbesondere die Inanspruchnahme der Straßen vorwiegend durch den Schwerlastverkehr, der unsere Straßen übermäßig stark beansprucht und aus diesen Gründen auch eine Ausnahmegenehmigung voraussetzt. Diese Ausnahmegenehmigungen sind - wie wir alle inzwischen wissen - in diesem Land keine Ausnahme mehr, sondern zur Regel geworden. Vor diesem Hintergrund for

dert der Landesrechnungshof auch eine Beteiligung des Schwerlastverkehrs an den Folgekosten.

(Beifall PIRATEN)

Die Verursacher zur Finanzierung der Sanierungskosten heranzuziehen, bedeutet, an der richtigen Stelle anzusetzen. Eine alternative Möglichkeit, die Landesstraßen zu entlasten, ist eine deutliche Verringerung der Achslast. Hohe Achslasten sind die Hauptursache für den Fahrbahnverschleiß und die dadurch entstehenden Folgeschäden und -kosten. Diese Erkenntnis müsste bei der Landesregierung durchdringen, um in den entsprechenden Gremien die Beratungen in eine entsprechende Richtung zu dirigieren. Ich mache mir da aber auch wenig Sorgen, schließlich spreche ich hier von der Landesregierung des Dialoges. Ich möchte fast sagen, ich spreche von der Landesregierung des „echten Dialoges“.

(Beifall und Heiterkeit PIRATEN)

Apropos Dialog: Es wäre deutlich einfacher, wenn wir Anreize schaffen würden, damit der Güterverkehr auf Wasser oder Schiene verlagert wird.

(Beifall PIRATEN)

Dies könnte die Landesstraßen erheblich und vor allem nachhaltig entlasten. Ebenso wichtig ist ein gesellschaftliches Umdenken beim Individualverkehr, weg vom Kraftfahrzeug hin zum Rad und zum ÖPNV. An dieser Stelle bedarf es einer Weiterentwicklung der bisherigen Infrastruktur und Verkehrs- und Mobilitätspolitik, da die Ziele des regelmäßigen Bedarfs mit einem dem Bürger zumutbaren Aufwand erreicht werden müssen. Dem steht jedoch der ebenfalls chronisch unterfinanzierte Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs entgegen. Gerade auf dem Land, zum Beispiel in Nordfriesland oder Ostholstein, werden auch weiterhin Verkehrsverbünde gestrichen. Besonders am Wochenende ist man aufgeschmissen, wenn man auf den ÖPNV angewiesen ist.

Statt neue Straßen zu bauen, muss erst einmal der Unterhalt der bestehenden Verkehrsinfrastruktur in Schleswig-Holstein oberste Priorität haben.

(Beifall PIRATEN)

Aus diesem Grund sollten die oben genannten Punkte im Ausschuss geklärt werden, um in den kommenden Haushaltsberatungen eine finanzpolitisch solide Verkehrs- und Mobilitätspolitik zu ermöglichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der Debatte zum Industriestandort wurde deutlich, dass eine gut ausgebaute, leistungsfähige und sichere Verkehrsinfrastruktur zu den primären Grundvoraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gehören. Unternehmensentscheidungen richten sich nach der Erreichbarkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur. Straßen spielen hierbei immer noch die größte Rolle. Sie ist aber auch Grundlage für die Mobilität der Menschen und ist damit Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Daher ist es wichtig, dass der Zustand der Straßen den Anforderungen entspricht.

Doch leider sieht die Wirklichkeit etwas anders aus als wir es uns wünschen. Der Zustand der Straßen in der Bundesrepublik zeichnet sich immer mehr dadurch aus, dass er sich von Jahr zu Jahr verschlechtert. Egal ob es sich dabei um Gemeinde-, Kreis- oder Bundesstraßen handelt. Eines gilt für alle: Die Unterhaltung kann von den Trägern kaum noch geleistet werden. Dies geht auch sehr deutlich aus dem Zustandsbericht zu den Landesstraßen hervor. Unsere Landesstraßen befinden sich zu einem großen Teil in einem unzulänglichen Zustand. Knapp ein Drittel aller Landesstrassen sind sanierungsbedürftig, und die Verkehrseinschränkungen nehmen weiter zu. Allein zum Abbau des Erhaltungsstaus müssten über 10 Jahre 90 Millionen € jährlich zur Verfügung gestellt werden.

Daher haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, den Erhalt und die Sanierung der Straßen vor den Neubau zu stellen. Darüber hinaus wurde das Sondervermögen Verkehrsinfrastruktur auf den Weg gebracht. Unterm Strich bleibt trotzdem festzustellen, dass die Kohle nicht reicht. Bei der Sanierung und dem Erhalt der Straßen kann nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen werden. Damit lösen wir die Probleme nicht, wir verschärfen sie vielmehr an anderen Stellen.

Ziel muss es daher sein, das Geld vernünftig einzusetzen, um die notwendige Infrastruktur dauerhaft in vollem Umfang zu erhalten. Daher brauchen wir eine systematische Erhaltungsstrategie, die auf eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Planung der Erhaltungsmaßnahmen abzielt. Es müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, nach denen Fahr

(Torge Schmidt)

bahnunterhaltungsmaßnahmen abgewickelt werden. Hierauf wird im Bericht auch eingegangen. Die Kriterien dürfen sich aber nicht allein an den Verkehrszählungen orientieren. Damit würden die Straßen, vor allen Dingen bei uns im Norden und im ländlichen Raum, hinten runterfallen. Das kann nicht gewollt sein. Daher ist es gut und richtig, dass dieser Aspekt nur ein Teil der Prioritätenkriterien ist. Demnach werden die Landstraßen nach deren Netzfunktion im Zusammenhang mit dem System der zentralen Orte betrachtet.

Ich möchte aber kurz noch einmal auf die Straßenverkehrszählung eingehen, die die Grundlage dafür sein soll, ob etwas gemacht werden soll oder nicht. Zum Teil macht das Sinn, doch wenn sich seit der Verkehrszählung 2005 die Verkehrssituation verändert hat aufgrund von zwischenzeitlich durchgeführten Verkehrslenkungsmaßnahmen, dann muss dies berücksichtigt werden.