Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Eka von Kalben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will nicht alles wiederholen, was wir eben in der Debatte zur Regierungserklärung schon gehört haben. Ich möchte nur auf drei Punkte eingehen.

Erstens möchte ich zum Thema „Abschottung beziehungsweise Abschiebung ausweiten“ sprechen. Das sind eigentlich zwei Themen. Ich glaube, dass wir uns bei dem, was Sie im ersten Punkt Ihres Antrags heraufbeschwören beziehungsweise darstellen, nämlich dass wir Schleuserbanden bekämpfen müssen, einig sind. Aber wir sind uns nicht darin einig, dass wir die Grenzen in Europa stärker abschotten müssen. Wir haben dazu die entgegengesetzte Auffassung. Insofern weisen wir diesen Punkt entschieden zurück.

Wir sind der Meinung: Man muss Fluchtwege ermöglichen und den Menschen die Möglichkeit geben, sicher und unabhängig von Schleuserbanden nach Europa zu kommen. Das erreicht man nicht damit, indem man die Grenzen noch besser abschottet, wie es uns auch auf dem Balkan wunderbar dargestellt wurde. Da wurde gesagt, man könne das wie die Griechen machen: Wenn man Schnellboote aus Deutschland hätte, könnte man die

(Serpil Midyatli)

Schlauchboote abschießen. Diese Politik findet diese Koalition nicht richtig; wir lehnen sie ab.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das habe ich so nicht gesagt! Erzählen Sie doch nicht, dass ich das gesagt habe!)

Wir sind zweitens nicht der Meinung, dass die Möglichkeiten zur Abschiebung nicht ausreichend genutzt werden. Es gibt Menschen, die hier geduldet werden und die zum Teil aus humanitären Gründen -

(Zurufe CDU)

- Ausreisepflichtige werden leider zum Teil abgeschoben. Wir haben teilweise auch schon über Einzelfälle gesprochen, die dann zum Teil vor der Härtefallkommission gelandet sind. Dazu haben auch Sie gesagt: Wenn diese Menschen seit 20 Jahren hier sind und vielleicht bei der Einreise falsche Angaben gemacht haben und deshalb abschiebepflichtig werden, sei das inhuman und nicht akzeptabel.

Mir geht es einfach darum: Wenn Sie in diesen zehn Punkten einen Punkt auflisten, der sowieso Gesetz ist, muss der Eindruck entstehen, als gäbe es massenhaft Menschen, die ausreisepflichtig seien und die sich hier in Deutschland befänden, obwohl sie es nicht verdient hätten. Das schürt Ängste. Deshalb ist diese Vermischung nicht banal, und daher ist diese Vermischung falsch.

Letzter Punkt: Wir haben eine Gemeinsamkeit, denn wir sind auch der Meinung, dass es richtig ist - wir hatten ein Konzept -, dass wir einen aktualisierten Bericht bekommen. Wir sind auch der Meinung, dass man die Kommunen noch viel mehr bei der Aufnahme der Flüchtlinge unterstützen muss. Dafür - das hat Serpil Midyatli schon gut ausgeführt - haben wir in der Nachschiebeliste sehr viel Geld zur Verfügung gestellt. Das war Ihnen beim Schreiben des Antrags nicht bekannt. Insofern ist das kein Vorwurf.

Aber wir sind voll Ihrer Meinung, dass das a) nicht nur mit Geld geht, b) wir ein Konzept brauchen und wir c) die Kommunen unterstützen müssen. Ich bin jedoch dagegen, Ängste zu schüren. Ich beobachte die Stimmung im Land ganz anders. Wenn ich in den Kommunen oder in den Kreisen unterwegs bin, bemerke ich eine große Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und vereinzelt CDU)

Deshalb müssen wir keine Sorgen haben und befürchten, dass das die falschen Flüchtlinge seien. Wir brauchen das überhaupt nicht. Wir können das einfach positiv zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die unser Land bereichern werden, und dass wir glücklich sein können, dass so viele Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner das positiv begleiten - aus allen Parteien. Lassen Sie uns daran bitte nichts durch irgendwelche Scheindebatten verschlechtern. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ende September 2013 hat der Landtag die Landesregierung auf Basis eines Antrags aller Fraktionen aufgefordert - ich zitiere -, „die Kommunen bei der Unterbringung … von Flüchtlingen aktiv zu unterstützen“ und gemeinsam mit den Kommunen ein Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen zu entwickeln. Mindestens ein Dreivierteljahr lang hat die Landesregierung dieses Thema schlicht verschlafen. Das angeforderte gemeinsame Konzept ist bis heute nicht vorgelegt worden. Diese Kritik muss man einfach anführen.

Es bleibt noch viel zu tun, auch wenn - das will ich auf der anderen Seite für meine Fraktion feststellen - auf der anderen Seite anzuerkennen ist, dass jetzt endlich konkrete Verbesserungen eintreten, wie das gestern von der Bildungsministerin vorgelegte Maßnahmenpaket zur Sprachförderung von Flüchtlingskindern. Vielleicht erinnern Sie sich, dass wir in der Septemberdebatte auch hierüber diskutiert haben und dass ich mit Blick auf die deutlich gestiegenen Zahlen der hier aufgenommenen Flüchtlinge von der Notwendigkeit gesprochen habe, im schulischen Bereich deutlich nachzulegen. Das passiert, und das erkennen wir als Liberale auch nachdrücklich an.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es wäre schön, wenn sich auch andere Ressorts in ähnlich erkennbarer Weise engagieren könnten, etwa um in einer Gemeinde wie Boostedt, die vor besonderen Herausforderungen steht, die Akzeptanz für die geplante neue Erstaufnahmeeinrichtung zu

(Eka von Kalben)

sichern. Dafür gäbe es eine ganze Reihe von Ansatzpunkten. Ich will an dieser Stelle nur zwei Ansatzpunkte nennen, etwa eine über das Jahresende 2014 hinaus fortgesetzte Landesförderung für den dort tätigen Konversionsmanager. Sie wissen alle: Boostedt ist von dem Abzug der Bundeswehr in besonderer Weise betroffen. Ebenso wichtig wäre meines Erachtens auch, ein klares Signal des Landes an die Gemeinde Boostedt zu senden, dass das Land bei Firmenansiedlungen auf den dafür nutzbaren Teilen des Kasernengeländes eventuell auftauchende Hürden wegräumen wird - Stichwort: Landesentwicklungsplan.

Meine Damen und Herren, ich möchte ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratiekultur. Hilfsbereitschaft gegenüber Bürgerkriegsflüchtlingen ist in gleicher Weise auch aus humanitären Gründen geboten.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Ich halte es keinesfalls für verwerflich - jetzt werden Sie auf der anderen Seite dieses Hauses nicht so begeistert sein, wenn ich Ihnen das sage - diesen beiden Gruppen einen Vorrang gegenüber jenen einzuräumen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen einwandern wollen - ganz gleich, woher sie kommen. Man muss schon feststellen, dass das Asylrecht eigentlich nur für diejenigen eingeführt wurde, die tatsächlich politisch verfolgt sind. Man muss zumindest um Klarheit zu schaffen sagen, dass das nicht das Instrument für alle ist, die gern in Deutschland einwandern wollen.

Wir haben schon zu einem früheren Zeitpunkt einen Vorschlag für die unterbreitet, die als Armutszuwanderer kommen wollen. Für diese sollten wir eine besondere Aufnahmeregelung entwickeln, die sich am deutschen Fachkräftebedarf orientiert.

Das hat auch der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorgeschlagen. Das ist eine gute Idee, die wir nach wie vor für richtig halten.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Vonseiten der Koalition wird in diesem Zusammenhang immer wieder davor gewarnt, Flüchtlinge in gute oder schlechte Flüchtlinge aufzuteilen. In diesem Sinne hat sich auch Ministerpräsident Albig in seiner Bundesratsrede vom 19. September 2014 geäußert. So etwas klingt auf den ersten Blick sehr schön und vordergründig auch nachvollziehbar.

Tatsächlich ist es aber so, dass wir die Bereitschaft der Menschen in unserem Land, Flüchtlingen und Asylsuchenden zu helfen und sie bei uns aufzunehmen, nur dann erhalten können und nur dann erhalten werden, wenn man gleichzeitig deutlich macht, dass politische und religiöse Extremisten hier in Deutschland eben nicht willkommen sind.

(Beifall Dr. Axel Bernstein [CDU] und Vol- ker Dornquast [CDU])

Anders gesagt: Wer entweder deutscher Staatsbürger werden will oder ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten möchte, von dem erwarten wir, dass er sich zu den Werten unseres Grundgesetzes bekennt und sich nicht am Aufbau einer Parallelgesellschaft beteiligt.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Serpil Mi- dyatli [SPD])

Die Aufnahme einer steigenden Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden bürdet insbesondere den Städten und Gemeinden vor Ort eine große Verantwortung und erhebliche Lasten auf.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Sie haben daher einen Anspruch auf Unterstützung, und zwar vonseiten des Landes und des Bundes. Was das Land angeht, so habe ich dazu eingangs bereits einiges gesagt.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

- Vielleicht beruhigen Sie sich wieder ein bisschen, Frau Midyatli.

(Serpil Midyatli [SPD]: Nee, tue ich nicht! Mir reicht das!)

Offen bleibt aber bisher die Forderung, dass sich auch der Bund an Hilfen für Länder und Kommunen stärker beteiligen soll.

Herr Abgeordneter, Sie müssen bitte zum Ende Ihrer Rede kommen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Gott sei Dank!)

Gern. - Hier hat es bislang eine große Zurückhaltung vonseiten des Bundes gegeben, und auch die CDU war leider nicht bereit, diesen Punkt aufzunehmen. Ich meine, dass wir den Bund weiter fordern müssen,

(Dr. Ekkehard Klug)

(Beifall FDP und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf Eka von Kal- ben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die Länder und Kommunen bei der notwendigen Integrationsarbeit zu unterstützen. Ich erwarte, dass dies auch von der Landesregierung eingefordert wird.

(Beifall FDP, Daniel Günther [CDU] und Katja Rathje-Hoffmann [CDU])

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat Frau Abgeordnete Angelika Beer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mehrere Anträge zu beraten und unterschiedlich zu behandeln. Ich rede zu dem Antrag meiner Fraktion, dem Änderungsantrag zum CDU-Antrag. Wir sagen: Wir müssen die Flüchtlings- und Asylpolitik den aktuellen Bedürfnissen anpassen. Und ich rede zu unserem Antrag „Syrische Kriegsopfer schützen - Flüchtlinge konsequent und bedingungslos aufnehmen“.

Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung.