Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

„Wir sitzen alle in einem Boot - nur nicht auf dem Sonnendeck.“

Ich verweise an dieser Stelle auch noch einmal auf die Resolution des Kreises Nordfriesland, die mich gestern ereilt hat. Es lohnt sich, sich diese noch einmal anzuschauen; denn sie ist überfraktionell beschlossen worden.

Ich erkenne an, dass es aufgrund der Stellungnahmen in der Anhörung durch die regierungstragenden Fraktionen einen Änderungsantrag gegeben hat: zusätzliches Geld für Infrastrukturlasten, eine Erweiterung der Mindestgarantie, eine Erhöhung des Faktors für Bedarfsgemeinschaften, die Rück

nahme der Verschärfung bei der Erhöhung der Kreisumlage und die Einführung einer Progression.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Das ist auch alles nachzuvollziehen. Aber es bleibt dabei: Auf einem brüchigen Fundament baut man einfach kein Haus.

(Beifall CDU und FDP)

Diese Aussage trifft weiterhin auf den Gesetzentwurf zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs zu. Denn auch mehr als 60 Informationsveranstaltungen der Landesregierung ergeben noch kein transparentes Gesetz und keine transparente Reform.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Und dass Sie mit sich selbst reden, ergibt auch keinen Dialog.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf Eka von Kal- ben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Um der Landesregierung die Möglichkeit zu geben, die erforderliche Datenbasis zu schaffen und einen neuen und tragfähigen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, sollte daher das jetzt geltende Gesetz in seiner Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2017 befristet werden.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Auch dann wird die CDU nicht das Sagen haben!)

- Schauen wir einmal, wie das wird.

Der Landtag wird die fehlende Aufgabenerhebung allein einfach nicht durchführen können. Daher gibt unser Änderungsantrag der Landesregierung jetzt drei Jahre Zeit, die Versäumnisse des Gesetzgebungsverfahrens nachzuholen.

Gleichzeitig sollte zunächst für den Zeitraum der Fortgeltung des bestehenden Gesetzes der Betrag für die Konsolidierungshilfen aufgestockt werden. Dies käme insbesondere den kreisfreien Städten mit ihren finanziell schwierigen Situationen zugute.

Die Aufstockung der Mittel für die Konsolidierungshilfen sollte dabei erfolgen, indem der finanziellen Ausgleichsmasse ein zusätzlicher Betrag von 36 Millionen € hinzugefügt wird, und das zweckgebunden. Es wird zusätzliche Konsolidierungshilfe zur Verfügung gestellt, wovon etwa 80 % der Mittel den kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins zugutekommen werden. Der Betrag von 36 Millionen € entspricht in etwa dem Betrag, durch den der Bund die Kommunen durch die Übernahme der Grundsicherung entlastet hat. Das Gesetz hieß da

(Petra Nicolaisen)

mals „Gesetz zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen“ und nicht „Gesetz zur Entlastung der Landeskasse“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abstimmung der Resolution des Landkreistages am 6. November 2014 hat eindrucksvoll bewiesen, dass hier überparteilich - bis auf drei Gegenstimmen - der Wille besteht, das Gesetzgebungsverfahren zu verschieben. Der Landtag wird aufgefordert, für einen breiten Konsens aller Kommunen für einen verfassungsgemäßen aufgabenorientierten Finanzausgleich zu sorgen.

Im Übrigen haben Sie durch den Haushaltserlass, den Sie auf den Weg gebracht haben, uns als Parlament ignoriert. Ein noch nicht verabschiedeter Gesetzentwurf findet in den Haushalten der Kommunen bereits Anwendung. Die Regierung kommt ja häufig ohne Parlament besser aus; das wissen wir. Aber durch erneut veränderte Zahlen wird es jetzt überall relativ schnell zu Nachtragshaushalten kommen müssen. Das ist eine Arbeitsbeschaffung für unsere Kämmerer.

Sehr geehrte Landesregierung, ich fordere Sie auf: Beseitigen Sie diesen wirtschaftlichen Totalschaden. Ein Rechtsstreit zwischen dem Land und den Mitgliedern der kommunalen Familie wäre durch unseren Kompromissvorschlag vermeidbar. Das schafft den Konsolidierungsempfängern Luft zum Atmen, schafft Zeit zur Analyse und zur Erstellung eines zukunftsfähigen Finanzausgleichsgesetzes für Schleswig-Holstein. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Oh jemine! Können Sie mir eigentlich jede Ihrer Aussagen in Form einer Zwischenfrage stellen? Dann kriegen Sie auch eine Antwort darauf; denn in zehn Minuten kann ich das nicht alles schaffen.

Also, einen Haushaltserlass gibt es immer, nämlich vor der Haushaltsgesetzgebung, die wir hier jedes Jahr im Dezember machen. Übrigens werden erst da die FAG-Mittel festgelegt. Da sind die Differenzen weit höher als die 20 Millionen €, um die es bei der Verschiebung von Mitteln zwischen kreisangehörigem Raum und kreisfreien Städten geht. Da hatten wir schon Änderungen in der Grö

ßenordnung von 100 Millionen €. Man kann das nicht steuern.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Von welchen Nachträgen reden Sie denn? Nennen Sie mir doch bitte einen Gemeinderat oder einen Kreistag, der den Haushalt schon verabschiedet hat.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das war wohl der berühmte Angriff der leichten Brigade, mit Schneid vorgetragen. Aber damit gleicht man keine Substanzlosigkeit aus, und das führt zu einem zweifelhaften Erfolg. Wahrscheinlich werden nachher noch die koch‘schen Hilfstruppen einreiten.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Jede Reform eines kommunalen Finanzausgleichs ist normalerweise ein Freudenfest für die Opposition, geht es doch darum, Mittel neu zu verteilen. Da liegt es natürlich in der Natur der Sache, dass diejenigen, die etwas abgeben sollen, lauter sind als diejenigen, die etwas bekommen. Im Zweifel sagen Letztere auch noch: Das ist uns alles nicht genug! Nicht zu vergessen ist dabei die allseits verwendbare reformscheue Dialektik, man sei ja grundsätzlich für eine Reform, aber nicht so, die übrigens immer von dem Verlierer gewählt wird, egal, wer es gerade ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zusätzlich kann man auch noch die regionalen Regierungsabgeordneten bis ins Privatleben hinein verfolgen. Angesichts dessen sollte man es als pfiffige Opposition schaffen, eine solche Reform zu Fall zu bringen.

Kurz: Eine solche Reform gleicht einer Mission Impossible. Deswegen wurde sie auch 44 Jahre nicht ernsthaft vorgenommen. Doch wir mussten etwas tun, und zwar hier und heute; denn seit Jahrzehnten entspricht der KFA nicht dem Verfassungsauftrag. Ich finde es immer spannend, wie wenig in die Verfassung geguckt wird. Immerhin ist sie gerade reformiert worden. Ich lese Ihnen einmal den Verfassungsauftrag vor:

„Um die Leistungsfähigkeit der steuerschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen …“

(Petra Nicolaisen)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Da steht nicht „mit Aufgaben“. Da mögen Sie den Kopf schütteln. Die CDU hat keinen entsprechenden Änderungsantrag gestellt. Herr Günther, gucken Sie einfach hinein. Der Verfassungsauftrag ist, die unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen. Die Aufgaben braucht man übrigens nicht zu ermitteln, Frau Nicolaisen. Die Pflichtaufgaben sind nämlich gesetzlich festgelegt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Kleiner Tipp: Deshalb nennen sie sich auch Pflichtaufgaben.

Der alte KFA enthält zwar einen Ausgleich der Steuereinnahmen. Aber weder verteilt er die Mittel nach den tatsächlichen Aufwendungen für die Gemeinde- und Kreisebene sowie die Zentralitätsfunktion noch berücksichtigt er die unterschiedlichen Belastungen, allen voran die Soziallasten. Der zweite Teil des Verfassungsauftrags ist also bisher nicht erfüllt. In Rheinland-Pfalz wurde der KFA unter anderem deshalb aufgehoben, weil der Soziallastansatz zu gering war. Wir haben noch nicht einmal einen. Stattdessen finden sich in dem KFA, den Sie gern weiter gelten lassen wollen, willkürliche Zuschlags- und Abschlagsbeträge. Wer das gerecht findet, muss mir einmal erklären, warum Pinneberg 1,7 Millionen € mehr vorab abgezogen werden als Stormarn. Schließlich ist in Pinneberg die Umlagekraft geringer, und die Soziallasten sind höher. Das ist die Gerechtigkeit des alten KFA.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Korrekturen gehen so weit, dass es inzwischen für jeden Kreis und jede kreisfreie Stadt einen Korrekturbetrag gibt. Wenn man diese auflöst, dann hat man natürlich schon einmal einen Startwert im Reformergebnis, das aber mit der Wirklichkeit erst einmal nichts zu tun hat; vielmehr bedeutet es einfach, dass man einen Zuschlag, den man bekommen hat, nicht mehr hat, sodass man also schon einmal ein Minus hat. Wenn es einen Abzug gibt, hat man erst einmal mehr Geld. Das ist das Problem, wenn man mit Reformergebnissen rechnet.

Aber Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen. Heutzutage müssen Sie die Soziallasten beim Ausgleich berücksichtigen; denn während sich die Umlagekraft, die bisher ausgeglichen worden ist, nur um 60 € pro Einwohner unterscheidet, unterscheiden sich die Soziallasten um 300 € pro

Einwohner. Das ist das Fünffache der bisherigen nivellierten Unterschiede bei der Umlagekraft. Das können Sie doch nicht ignorieren. Wenn Sie die Soziallasten berücksichtigen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann können bei einem Kreis wie Stormarn, der die höchste Umlagekraft und die niedrigsten Soziallasten hat, am Ende nur erheblich weniger Schlüsselzuweisungen herauskommen, egal, wie man es im Detail gestaltet. Das muss das Ergebnis einer solchen Reform sein, die dann auch verfassungskonform ist. Sie können tausendmal nach Stormarn gehen und sagen: Wenn wir das machen, wird das alles ganz anders. - Damit streuen Sie den Leuten jedoch nur Sand in die Augen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das darf die Opposition. Aber Sie wissen es ja oder ahnen es zumindest. Wie anders soll ich mir Ihren Änderungsantrag denn erklären? Es ist ja nicht so, dass Sie sagen: Lasst das einmal sein, Ihr macht ohnehin nur Schrott. Wir machen das in der nächsten Legislaturperiode besser. - Nein, wir sollen das bis 2017 entwickeln. Da haben Sie sich früher aber einmal mehr zugetraut, zumindest in Ihren Wahlprogrammen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

2005 wollten Sie den KFA auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Bravo! 2009 wollten Sie ihn immerhin sorgsam abgewogen überarbeiten. 2012 wollten Sie ihn noch einer grundlegenden Prüfung unterziehen. Für 2017 fällt Ihnen wohl keine untapferere Formulierung mehr ein. Deshalb: Bitte, bitte, liebe Koalition, mach das einmal vorher, am liebsten im Wahlkampf.