Protokoll der Sitzung vom 23.01.2015

batte. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Wir haben den Grundschulen die Freiheit gegeben zu entscheiden, wie sie mit Noten in Klassenstufe drei und vier verfahren wollen. Die Schulen haben von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, und sie haben entschieden: Die meisten bleiben bei Noten. Aber auch von diesen Schulen haben eine ganze Reihe signalisiert, dass sie sich in einem Jahr eine andere Entscheidung vorstellen können. Eine ganze Reihe von Schulen haben sich gegen Noten entschieden, anknüpfend an ihr pädagogisches Konzept und natürlich im Gespräch mit den Eltern.

(Unruhe)

Ich habe Vertrauen in die Entscheidungskompetenz unserer Schulen. Ich finde es schade, dass FDP und CDU dieses Vertrauen nicht haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wir haben hier viele Argumente gehört. Ich möchte betonen, dass Notenzeugnisse eine Vergleichbarkeit vortäuschen, die in Wahrheit nicht gegeben ist. Natürlich wissen auch wir, dass Eltern aus eigener Erfahrung und langer Tradition das gut kennen und man das Vertraute natürlich gern hat.

Mir geht es noch um einen anderen Aspekt, weil Sie von der CDU und der FDP diese Ebenen häufig vertauschen: Noten sind kein Instrument, um die Leistungsfähigkeit der Schule und des Unterrichts zu beurteilen. Sie legen dies nahe. Damit hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wir wissen - egal wie die Leistungsbewertung erfolgt -, dass es gar keinen Zusammenhang gibt. Deshalb möchte ich hier noch einmal betonen, dass wir die Instrumente, um die Leistungsfähigkeit von Schulen und Unterricht zu messen - darum geht es uns doch, Frau Franzen und Frau Klahn -, dass wir die Standards, die wir im Rahmen der Kultusministerkonferenz bundesweit verankert haben, die wir in unseren Fachanforderungen und Lehrplänen verankert haben, sicherstellen, damit Kinder in Klasse 1, 2, 3 oder 4 das lernen, was wir festgelegt haben. Das ist das Ziel von Schulbildung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Das ist der staatliche Auftrag. Wir wollen überprüfen, ob die Kinder das Vorgegebene am Ende können. Es muss im Zentrum stehen, dass sie die Kom

(Kai Vogel)

petenzen haben, um einen guten weiteren Bildungsweg zu gehen.

Das überprüfen wir sehr wohl. Deshalb führt der Vorwurf der Leistungsfeindlichkeit komplett in die Irre, weil wir das, worum es geht, mit Instrumenten überprüfen. Das machen die Schulen durch interne Evaluation, und das machen wir vorrangig durch das bundesweit eingeführte Instrument VERA. Insofern kann man diesen Vorwürfen klar entgegentreten.

(Anhaltende Unruhe)

Der Landtag hat das Ministerium aufgefordert, eine Evaluierung in Auftrag zu geben. Wir sollen uns die Entwicklungsberichte und Kompetenzraster ansehen. Das tun wir gern, weil auch wir dort Veränderungsbedarf sehen. Wir werden uns auf der Grundlage noch einmal mit der Frage insgesamt befassen und dann im Lichte der Ergebnisse von Professor Möller zu einer Bewertung kommen. Insofern wird uns das Thema hier wieder einholen. Wir wollen dann eine standardisierte Unterstützung für die Schulen schaffen, um ausgerichtet an den Standards, die wir in den Grundschulen haben, die Leistungsbewertung einheitlich vornehmen zu können. Das ist unser Ziel.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Sie haben ein zweites Thema nachgemeldet, die Methode „Lesen durch Schreiben“, die Sie ablehnen. Ich möchte Sie davor bewahren, hier einen Popanz aufzubauen, auf den Sie dann draufschlagen. Die Methode „Lesen durch Schreiben“ wird in Schleswig-Holstein nicht als alleinige Methode angewandt,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

sondern die Lehrkräfte benutzen einen Mix. Die Studien, auf die man sich beziehen kann, sagen klar, dass es nicht von der einzelnen Methode abhängt, was Kinder nach Klasse 3 und 4 können, dass es unterschiedliche Tempi gibt, in denen Rechtschreibung oder Textproduktion gelernt werden, und dass sich die Kompetenzen in Klasse 3 und 4 wieder angleichen, sodass die Kinder mit gleichen Fähigkeiten in die weiterführenden Schulen gehen.

Nachdem das im Landtag 2003 diskutiert wurde, haben wir eine Reihe von Veranstaltungen dazu durchgeführt. Es hat ein Bildungsforum mit Professor Becker-Mrotzek gegeben, auch eine Tagung in Berlin, und es wird im kommenden Februar eine

weitere Tagung geben. Professor Becker-Mrotzek, der die vorliegenden Studien analysiert hat, hat es gut auf den Punkt gebracht, indem er sagt: Keine Methode ist so schlecht, dass man sie verbieten müsste, und keine ist so gut, dass man sie ausschließlich empfehlen kann.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Das ist der aktuelle Stand der Wissenschaft zu diesem Thema.

Wir wollen, dass Kinder gut lesen und schreiben können. Wir haben deshalb ein ausgesprochen spannendes Projekt mit Professor Becker-Mrotzek auf den Weg gebracht: „Niemanden zurücklassen - Lesen macht stark“. Wir haben das inzwischen auf 100 Schulen ausgedehnt, wir werden dort erhebliche Fortschritte beim Lesen- und Schreibenlernen erzielen und werden das auf weitere Grundschulen ausdehnen.

Frau Franzen - es wäre schön, wenn Sie zuhören -, Sie haben das Thema Abi-Quote angesprochen. Die Klage, dass die Steigerung der Abi-Quote mit schlechteren Leistungen einhergehe, vertritt Ihre Partei seit Ende der 60er-Jahre.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Ich bin es wirklich leid, dass Konservative in diesem Land seit Ende der 60er-Jahre verhindern wollen, dass Kinder und Jugendliche ihre Bildungspotenziale ausnutzen. Da werden wir nicht zusammenkommen. Ich finde, Kinder müssen die Chance haben, ihre Bildungspotenziale auszunutzen. Dazu gehört auch der Weg zur Hochschulreife, unabhängig davon, dass wir natürlich auch für den Weg der dualen Berufsausbildung in Schleswig-Holstein werben. Schleswig-Holstein ist nicht das Land mit besonders hohen Quoten beim Abitur. Wir müssen uns die Frage stellen, warum weniger Kinder und Jugendlichen in diesem Land Abitur machen können als in anderen Bundesländern.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Vielleicht muss man sich auch einmal mit der Frage beschäftigen, warum die Ausnutzung von Bildungspotenzialen in einigen Regionen Schleswig-Holsteins nicht so hoch ist wie in anderen. Dieses Thema steht auf der Tagesordnung, darum geht es in Wahrheit. - Vielen Dank.

(Lebhafter anhaltender Beifall SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

(Ministerin Britta Ernst)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Ministerin Ernst, Sie haben eine sehr berechtigte Frage gestellt: Warum ist es in Schleswig-Holstein so, dass die Bildungsabschlüsse und die Ausbildungsabschlüsse im Vergleich zur übrigen Bundesrepublik relativ schlecht sind?

(Zurufe SPD)

Ich kann Ihnen das erklären: In den letzten 30 Jahren, von 1988 bis einschließlich zum Jahr 2014, haben bis auf zwei Jahre nur sozialdemokratische Bildungsministerinnen und Bildungsminister die Politik dieses Landes bestimmt - nur!

(Beifall FDP und CDU)

Und dann sollen wir das Vertrauen haben, dass es jetzt auf einmal besser wird, wenn wir doch feststellen müssen, dass die bisherigen Minister mit ihrer ganzen wunderbaren Bildungspolitik so schlecht waren?

(Zurufe SPD - Wortmeldung Jürgen Weber [SPD])

- Ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu.

Ich will noch einmal sagen: Wir vertrauen den Eltern, den Schülerinnen und Schülern und den Lehrern in Schleswig-Holstein. Aber wir vertrauen Ihnen nicht, was die Wahlfreiheit an den Schulen angeht. Wir vertrauen Ihnen nicht, weil Ihre ganzen Redner heute gesagt haben, ihr Ziel sei es, die Noten abzuschaffen. Von Wahlfreiheit war da gar keine Rede mehr.

(Widerspruch SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ihr Ziel ist es, die Noten abzuschaffen, das hat der Kollege Habersaat gesagt, das hat der Kollege Vogel gesagt.

(Martin Habersaat [SPD]: Dass ich mir das wünsche, ja, aber wir haben auch gesagt, dass es die Wahlfreiheit gibt!)

Das ist übrigens auch ein lustiger Vogel, der Kollege Vogel - dazu komme ich gleich noch -, diese wunderbare Geschichte: Solche Forderungen können nur Menschen erheben, die noch nie schlechte Noten gehabt haben! Ich kann auch sagen: Solche Forderungen, wie Sie sie eben erhoben haben, kön

nen nur Leute erheben, die nur schlechte Noten gehabt haben.

Ich will Ihnen einmal sagen, wie es bei mir war.

(Widerspruch SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Beifall Jens-Christian Magnussen [CDU])

In jedem Halbjahreszeugnis stand bei mir: „Versetzung gefährdet“.

(Zurufe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter Kubicki, vielleicht können wir zum Schluss der Tagung -

(Zurufe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)