Protokoll der Sitzung vom 23.01.2015

Wenn der Erwachsene beispielsweise für eine Fahrt mit dem Bürgerbus in Ladelund ein Entgelt von 1 € oder 1,50 € zahlt und gleich westlich davon mit dem öffentlichen NVB für eine vergleichbare Strecke 2,85 € oder 3,90 € gezahlt werden, muss die Frage der Konkurrenz erlaubt sein.

(Vereinzelter Beifall CDU und SSW - Hans- Jörn Arp [CDU]: Genau!)

Zudem wäre die pauschale Forderung der PIRATEN, die Landesregierung möge die Kosten von Bürgerbussen komplett tragen, in dieser Form ein Kahlschlag für den ÖPNV.

(Beifall SPD und SSW)

Der ÖPNV wird bei uns seit Jahren von den Kreisen organisiert, da diese vor Ort bedarfsgerechter entscheiden können. Sie können sich sicherlich vorstellen - ich beende den Satz noch, dann kommen Sie dran, Herr Dr. Breyer -, wenn eine Landesregierung mit kostenfreien oder ergänzenden Buslinien winken würde - so wie es die PIRATEN in ihrem Antrag fordern -, wie begeistert die Kreise die größten defizitären Linien aufgeben würden, da ja das

(Hans-Jörn Arp)

Land die Buslinien mit einem Bürgerbus übernehmen würde. Das kann wahrlich nicht das Ansinnen sein. - So, jetzt bitte einmal die Uhr anhalten.

Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Abgeordnete Dr. Breyer.

Herr Kollege Vogel, wir wollten mit unserem Antrag deutlich machen, dass Bürgerbusse keinen öffentlichen Personennahverkehr ersetzen sollen, sondern dass sie Lücken schließen und Angebote ergänzen sollen. Deswegen haben wir auch keine vollständige Finanzierung gefordert, sondern gesagt, dass bestimmte Kostenkomponenten ganz oder teilweise übernommen werden sollten. Vielleicht kennen Sie die Finanzierungsregelungen in Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz oder Niedersachsen, wo es entsprechende Landesprogramme gibt. Würden Sie vor dem Hintergrund meine Einschätzung teilen, dass es sinnvoll wäre, wenn wir eine verlässliche landesweite Finanzierung zumindest eines Teils der Kosten, die bei einem solchen Bürgerbusbetrieb anfallen, hinbekämen?

Ich bezog mich bei meiner Feststellung - das war der erste Teil Ihrer Bemerkung - auf die Formulierung im Antrag. Da haben Sie geschrieben, Sie forderten eine gänzliche Förderung.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Nein!)

- Sie haben die Formulierung doch eben selbst gebraucht: entweder teilweise oder ganz.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ganz oder teilweise!)

- Teilweise oder ganz. In dem Antrag steht „oder ganz“ drin, und das heißt zur Gänze. Das ist etwas, was ich ablehne. Das habe ich in meinem Beitrag kundgetan.

(Beifall SPD)

Des Weiteren haben Sie sicherlich die Mail von einem Taxiunternehmer gelesen, die uns heute kurz vor sieben zugegangen ist und die alle verkehrspolitischen Sprecher erhalten haben. Nicht nur der ÖPNV, sondern natürlich auch private Taxiunternehmer sehen das durchaus kritisch. Herr Kubicki hat es schon angesprochen, dass natürlich auch die

Taxiunternehmen schauen, dass am Ende Linien aufrechterhalten werden können. Auch ein Kahlschlag dort kann nicht in unserem Interesse sein.

Bürgerbusse sollen die Mobilität in einzelnen strukturschwachen Regionen ermöglichen. Doch es gilt, noch viele rechtliche Fragen zu klären. Daher stimme ich mit allen Vorrednern überein, dass wir das im Ausschuss detailliert klären sollten. Ich beantrage daher die Überweisung in den Ausschuss, allerdings nicht in den Verkehrs-, sondern in den Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich bei den anwesenden Bürgerbusbetreibern für ihr Engagement bedanken. Ich sage: Weiter so!; denn davon brauchen wir mehr in Schleswig-Holstein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

In den Städten ist es mit Bussen oftmals gut gelöst und perfekt abgestimmt, wie in Preetz oder Plön: alle halbe Stunde alle Richtungen. Doch auf dem Land, gerade in Nordfriesland, woher ich komme, ist es oftmals so, dass die Buslinien unregelmäßig und viel zu selten fahren. Die typische Buslinie im ländlichen Raum hat einfach keine Zukunft mehr. Sie wird, wenn wir ehrlich sind, fast nur noch von Schülerinnen und Schülern genutzt, und bekanntlich gibt es im ländlichen Raum immer weniger. Dann fährt nur noch der Schulbus morgens hin und nachmittags zurück, und der Arztbesuch wird, gerade für die ältere Bevölkerung, zur Tagesreise, und der Einkauf wird unmöglich.

Der Bedarf an öffentlicher Nahmobilität steigt, insbesondere aufgrund des demografischen Wandels. Deshalb müssen wir Nahmobilität auch mit den Herausforderungen des demografischen Wandels übereinbekommen.

Wir Grüne setzen dabei auf starke Linien und flexible Bedienung vor Ort. Dazu gehören Züge, Überlandbuslinien, Rufbusse, Bürgerbusse, Linientaxis und vieles mehr. Hierfür müssen wir Antworten

(Kai Vogel)

finden und ein integriertes Gesamtkonzept voranbringen. Bürgerbusse sind eine wichtige Antwort, aber eben nur eine. Insofern, lieber Herr Dr. Breyer, haben Sie das Problem richtig erkannt, aber Ihre Diagnose geht uns Grünen nicht weit genug. Damit aus den Puzzleteilen auch ein richtiges Bild wird, bedarf es eines Gesamtkonzeptes.

So begrüßen wir die Umwandlung der ehemaligen LVS in den Aufgabenträgerverbund nah.sh. Das haben wir politisch vorangetrieben. nah.sh steht dafür, dass Land und Kommunen zusammenarbeiten, damit der ÖPNV - ich zitiere aus der Gründungspräambel - „für die Menschen leicht verständlich, möglichst barrierefrei und flexibel nutzbar und bezahlbar“ wird. Im nah.sh sehen wir auch den kompetenten Ansprechpartner für die Bürgerbusvereine. Wir brauchen keine neuen Arbeitskreise, lieber Herr Dr. Breyer, sondern wir müssen die Kompetenz, die in unseren Strukturen vorhanden ist, einsetzen.

Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen haben bereits viele dutzendmal Bürgerbusse mit bis zu 80.000 € gefördert. Antragsteller sind dabei die ortsansässigen Busbetriebe, mit denen die Bürgerbusse zusammenarbeiten.

Ganz interessant fand ich übrigens: Die notwendigen Formulare sind mit Ausfüllhilfen sehr einfach aus dem Internet direkt herunterladbar und so für die Bürgerinnen und Bürger sehr unkompliziert und unbürokratisch nutzbar. So einfach muss es nach unserer Auffassung für Bürgerinnen und Bürger sein, die sich engagieren wollen.

Es müssen aber auch Rechtsvorschriften beachtet werden. Ich erinnere an das Personenbeförderungsgesetz, an Linienkonzessionen und viele andere bürokratische Vorschriften, die für einen Bürgerverein zunächst einmal abschreckend sind.

Über 150 Bürgerbusse gibt es inzwischen in Deutschland, aber nur zwei davon fahren in unserem Land. Wir finden, das ist zu wenig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Einer davon fährt in Ladelund, und wir wissen auch, dass dieser Bus deshalb auf die Straße gesetzt worden ist, weil er durch die AktivRegion gefördert worden ist. Wichtig ist: Wir brauchen keine Konkurrenzen. Das Wenige, das wir im Land haben, müssen wir sichern. Deshalb müssen wir sehr genau hinschauen. Das werden wir im Ausschuss tun.

Ein Bürgerbus kann Wegbereiter für einen Linienbus sein. So ist es im Übrigen in Sievershütten ge

schehen. Die Bürgerbuslinie war dermaßen erfolgreich, dass sie inzwischen in einen regulären Linienbetrieb überführt worden ist.

Ein Bürgerbus ist mehr als Verkehr. Er stärkt den sozialen Zusammenhalt vor Ort. Nicht nur das Ehrenamt, sondern auch Bürger vor Ort wissen oftmals viel besser, wer wann wohin gebracht werden muss.

Jede Reise beginnt bekanntlich mit einem ersten Schritt, doch oft wird es Mitbürgern schwer gemacht, die kein Auto haben, auf diese Reise zu gehen. Hier müssen wir ansetzen. Das ist richtig, weil es hilft, den Bürgern einerseits angesichts des demografischen Wandels Serviceangebote zu unterbreiten, andererseits aber auch in Zeiten des Klimawandels CO2 einzusparen.

Für uns reicht die Mobilitätskette von Tür zu Tür. Die Mobilitätskette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Dieser Antrag repariert nur ein Glied. Deshalb lassen Sie uns im Ausschuss darüber beraten, welche weiteren Aspekte wir noch brauchen. Gehen Sie davon aus, dass wir auch und gerade die Förderstrukturen noch einmal anschauen müssen. Nicht die Vollkaskomentalität, sondern das Thema Anreizsysteme würde vielen Bürgerbusvereinen schon helfen, wenn man wüsste, dass man wenigstens bei den Investitionskosten eine Unterstützung bekommt, sodass sich die Betriebskosten entsprechend verringern.

(Beifall PIRATEN, Anke Erdmann [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Mey- er [SSW])

Dies werden wir sehr wohlwollend mit Ihnen gemeinsam besprechen. Ich habe es als sehr wohltuend empfunden, lieber Herr Kollege Arp, dass Sie in Ihrer Rede so konstruktiv und gut in das Thema eingeführt haben.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Karriereende bei mir, mein Lieber!)

- Wir haben durchaus auch Projekte im Land im Verkehrspolitischen Beirat umgesetzt, in dem wir gemeinsam für die Verkehrspolitik Verantwortung getragen haben. Das ist keine Seltenheit.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Es gibt eine Bemerkung, die der Abgeordnete Breyer machen möchte. Lassen Sie diese zu? Dann hätten Sie die Gelegenheit, darauf noch zu antworten.

(Dr. Andreas Tietze)

Ja, bitte schön, wenn es ihn drängt.

Herr Kollege Dr. Tietze, ich freue mich sehr, dass Sie besonders dem im Antrag enthaltenen Vorschlag für ein landesweites verlässliches Förderprogramm gegenüber aufgeschlossen sind. Sie haben aber den ersten Punkt unseres Vorschlags, nämlich ein Kompetenzteam einzurichten, so wie ich es verstanden habe, doch sehr negativ beantwortet und dem eine Absage erteilt. Aber Sie haben in Ihrer Rede auch gesagt, dass die Bürgerbus-Initiativen sich oft bürokratischen Hindernissen gegenübersehen. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass eine Beratung, wie es sie in anderen Bundesländern für Bürgerbus-Initiativen gibt - sozusagen eine Anlaufstelle -, helfen könnte, mehr Bürgerbusse, die wir gemeinsam wollen, auf die Straße zu bringen?

- Lieber Herr Kollege Dr. Breyer, ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Ich habe mich nicht gegen die Beratung gewandt oder gegen ein Portal mit niedrigschwelligem Zugang, um zu wissen, wie man Bürgerbusse initiiert. Ich habe mich nur dagegen gewandt, dass wir immer wieder neue Arbeitskreise einrichten,

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

die dann am Ende nicht wirklich zu Ergebnissen führen. Ich glaube, dass wir in dem Verkehrsverbund nah.sh eine gute Struktur haben. Die haben wir aufgebaut, und dort haben wir professionelle Kompetenz. Ich gehe davon aus, dass sie das gerade mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln. Ich gehe davon aus, dass die nah.sh so arbeiten wird. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir ein gutes, niedrigschwelliges Beratungsportal hinbekommen. Deshalb sind wir in der Zielsetzung nicht weit auseinander. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])