Protokoll der Sitzung vom 23.01.2015

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

und wir immer zunächst diese Lösung wählen sollten, meine Damen und Herren. Das heißt, der Bürgerbus ist dann die Ultima Ratio, wenn wir in bestimmten Regionen bestimmte Standards des Nahverkehrs nicht mehr gewährleisten können.

Herr Minister, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Breyer?

Ja.

Bitte schön, Herr Breyer.

Herr Minister, bei der zuletzt genannten Zielsetzung sind wir uns einig. Sie haben gesagt, dass Ihnen Initiativen lieber sind, die sich selber finanzieren. Sind Sie der Meinung, dass sich auch der Busverkehr und der öffentliche Personennahverkehr selber finanzieren sollten? Ihnen ist sicherlich wie mir bekannt, dass da normalerweise eine Kostenunterdeckung von bis zu 90 % besteht. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass man Bürger zumindest bei den Restkosten und den Investitionskosten unterstützen sollte, wenn sie schon ehrenamtlich fahren und so die Kosten des Verkehrsangebots senken?

Herr Breyer, Sie verwirren mich, denn den ersten Satz, den Sie mir unterstellen, habe ich so nicht gesagt. Insofern erübrigt sich der Rest.

Meine Damen und Herren, wenn wir Bürgerbusse weiterentwickeln wollen, dann gibt es einen natürlichen Partner: Wir haben im letzten Jahr den Aufgabenträgerverbund nah.sh neu gegründet. Dort sitzt das Land, die LVS, mit den Aufgabenträgern auf der kommunalen Ebene, den Kreisen, zusammen, meine Damen und Herren. Ich glaube, da ist der richtige Platz: Wir müssen das Thema Bürger

busse auf die Agenda von nah.sh setzen. Dort gehört es hin, meine Damen und Herren.

Ich sage auch: Wenn wir Bürgerbusse haben, dann müssen wir im Sinne des Gesamtziels zum Beispiel auch dafür sorgen, dass sie den Schleswig-HolsteinTarif anwenden. Man muss also nicht nur die Leute in einem öffentlich geförderten Projekt erst einmal mit einem Preis von 1 € anlocken, sondern es muss sich irgendwann auch finanzieren. Es muss der gleiche Fahrschein gelten, wenn die Leute von Ladelund aus losfahren und dann umsteigen, um in andere Richtungen zu fahren. All das muss mit bedacht werden. Ich glaube, nah.sh ist hier der richtige Ort, um die Integration von Bürgerbussen in Schleswig-Holstein zu organisieren.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch einmal: Bürgerbusse sind kein Ersatz für staatliches Handeln. Wir bevorzugen als Landesregierung den Weg über nah.sh, mit dem Blick auf den ÖPNV im ganzen Land. Wir wollen ein Mobilitätskonzept für Schleswig-Holstein. Wenn wir Geld ausgeben - das richte ich an die Adresse des Antragstellers -, dann sollten wir wissen, was wir tun. Ich glaube, was den Antrag der PIRATEN angeht, weiß man das noch nicht. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Ich schließe deshalb die Beratungen.

Es ist beantragt worden, den Antrag in der Drucksache 18/2623 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass wir den folgenden Tagesordnungspunkt 25 C - „Konsequenzen aus dem Urteil des OVG Schleswig für den Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein“ - nach der Mittagspause aufrufen, die wir entsprechend zeitlich anders einplanen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genau 60 Minuten ab jetzt!)

(Minister Reinhard Meyer)

- Vielen Dank, Herr Kollege Arp, für Ihre Unterstützung. Wir werden uns um 13:45 Uhr wieder in diesem Plenarsaal treffen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 12:38 bis 13:48 Uhr)

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir wollen die Sitzung fortführen. Wir beginnen nicht mit dem gesetzten schulpolitischen Tagesordnungspunkt, sondern mit den Dringlichkeitsanträgen. Die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass diese jetzt nacheinander aufgerufen werden. Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Konsequenzen aus dem Urteil des OVG Schleswig für den Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2652 (neu)

Konsequenzen aus dem Urteil des OVG Schleswig für den Ausbau der Windenergie - Einberufung eines Runden Tisches zur Zukunft der Windenergie in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2662

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume das Wort, der - ich will nicht despektierlich sein - durch Ministerpräsident Torsten Albig „vertreten“ wird, wollte ich gerade sagen.

(Heiterkeit)

„Vertreten“ finde ich unangemessen. Wir freuen uns, dass Torsten Albig als Ministerpräsident jetzt zu uns spricht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das tue ich sehr gern, zumal es sich hier um landesplanerische Fragen handelt und die Landesplanung in der Staatskanzlei verortet ist. Daher ist es fachlich geboten, dass ich dazu berichte.

Das Urteil des OVG hat eine große Veränderung in der Art und Weise, wie wir landesplanerisch mit dem Ausbau der Windenergie umgehen, mit sich gebracht. Nun gilt es, klug, angemessen und möglichst schnell darauf zu reagieren.

Was sagt das Urteil im Kern? Es stellt fest, dass das, was wir in den letzten Jahren gemeinsam für richtig gehalten haben, als Grundlage für die Organisation des landesplanerischen Vorgehens beim Ausbau der Windenergie so, wie wir es gemacht haben, nicht trägt. Wir haben im Landesentwicklungsplan 2010 raumordnerische Ziele beschrieben. In Nummer 3.5.2 - Windenergie - Absätze 8 ff. definieren wir Bereiche, in denen wir keine Eignung sehen, definieren wir Ausschlussgebiete, im Kern beschrieben durch Begrifflichkeiten wie FFH, Wald oder Ähnliches. Wir haben charakteristische Landschaftsräume beschrieben, in denen wir enge Prüfungen für notwendig halten.

Darüber hinaus haben wir jenseits der Definition im Landesentwicklungsplan 2010 folgende politische Einigung gehabt, die von der Vorgängerregierung zutreffenderweise genutzt wurde: Überall da, wo wir lokal Bürgerbegehren, Bürgerentscheide gegen Wind haben, ziehen wir gar nicht erst in Erwägung, ob es sich um Eignungsgebiete handeln soll oder nicht. Wäre ich damals für Raumordnung zuständig gewesen, hätte ich es exakt so gesehen, wie es das Innenministerium damals gesehen hat. Das war mit dem Ziel begründet, dass wir in einem Land, in dem es eine große Bereitschaft gibt, Windenergie möglich zu machen, und wir viel Fläche haben, um das Ziel von 1,5 oder 1,7 % zu erreichen, keinen Zwang ausüben müssen, wenn Menschen sagen: Wir wollen das nicht.

(Beifall)

Selbst um den Preis, dass diese Flächen objektiv gesehen geeigneter gewesen wären als andere, auf die man dann gegangen ist.

Hier hat uns das OVG nun gesagt, dass wir Überlegungen, die mit Landesplanung nichts zu tun haben, zu landesplanerischen machen, und das sei unzulässig. Der kommunale Wille sei kein landesplanerisches Argument.

(Uli König [PIRATEN]: Unglaublich!)

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Ich habe das nicht zu bewerten, ich habe das zur Kenntnis zu nehmen. Wir alle haben das natürlich gesehen und gespürt, weil wir es nicht zu Zielen der Landesplanung gemacht haben. Das taucht im Landesentwicklungsplan mit keinem Wort irgendwo auf. Wir haben ein planerisches Ziel. Es war für uns quasi ein Vor-die-Klammer-Ziehen politischer Erwägungen. Das war - noch einmal - politisch ein kluges und richtiges, rechtlich jetzt ausgeurteilt nicht richtiges Vor-die-Klammer-Ziehen. Ich hätte es genauso getan.

Wir haben 50 Normenkontrollklagen gegen die Teilfortschreibung der entsprechenden Regionalpläne. Ein Teil davon, betreffend die ehemaligen Regionalplänen I und III, ist jetzt entschieden; die anderen Verfahren stehen noch aus. Die werden aber genauso durchentschieden werden wie bei den zwölf Klagen, die jetzt bei I und III verhandelt worden sind. Es wird keine andere Entscheidung geben.

Was heißt das jetzt? Wir haben keine wirksamen Ziele mehr von Landesplanung in diesem Bereich. Auch die von uns beschriebenen Ziele, die Unterscheidung zwischen weichen und harten Kriterien, sind vom Gericht als nicht ausreichend begründet beschrieben worden. Wir haben das so gemacht auch das hätte ich so geteilt, wie das Innenministerium das gemacht hat -, weil wir es immer so getan haben. Das ist nicht 2008 Herrn Dornquast so eingefallen; es ist immer so verfahren worden. Wir waren uns immer sicher, dass, wenn wir sagen: „FFH wollen wir nicht, das und das wollen wir nicht“, das ein klares, fundiertes, stabiles Rechtsgefühl in Schleswig-Holstein beschreibt. Das ist dort beschrieben. Es ist ein klarer Begriff, keiner, an dem man groß herumrätseln muss.

Aber auch da haben wir erfahren, dass beispielsweise ein Begriff wie „Wald“, den wir als hart, als Ausschlusskriterium genommen haben, für ein Gericht nur ein weicher ist. Es hat gesagt, es könnte Wald geben, wo es sinnvoll ist. Es könnte auch FFH-Gebiete geben, in denen es doch geht. Das haben wir so nicht gesehen. Das würde ich auch immer noch nicht so sehen. Aber auch das muss ich zur Kenntnis nehmen.

Wir haben also keine Ziele mehr. Für Anträge, die heute beim LLUR zur Genehmigung anstehen - nur um die geht es; für die bereits Genehmigten gilt altes Recht, für die bereits Projektierten und Gebauten sowieso; Sie haben Bestandsschutz -, diejenigen, die sich noch in der Genehmigung befinden, aktuell in einem Volumen von ungefähr 1,1 GW Windenenergieleistung, einem Investitionsvolumen von über 1 Milliarde €, gilt nur noch das zugrunde

liegende Bau- und sonstige ordnungsrechtliche Genehmigungsrecht wie Emissionsschutzrecht, Denkmalschutzrecht oder Ähnliches.

Wir bewegen uns also auf der Ebene von § 35 Absatz 1 Nummer 5 Baugesetzbuch, Privilegierung im Außenbereich. Dort sind Windanlagen dezidiert als privilegierte Bauvorhaben beschrieben, die nur dann nicht zulässig wären, wenn Sie nach § 35 Absatz 3 Zielen der Raumordnung widersprechen. Die haben wir jetzt aber nicht mehr. Also kann es keine Ziele der Raumordnung geben, denen Sie widersprechen könnten, sodass jetzt allein auf der Basis von § 35 zu entscheiden ist.

Darauf müssen wir nun gemeinsam sehr schnell eine Antwort geben. Das ist nicht ganz trivial. Wenn es trivial gewesen wäre, hätten wir damals schon andere Antworten gegeben. Wir müssen fragen: Wie genau fangen wir den Bürgerwillen, der nur auf kommunaler Ebene stattfinden kann, so ein, dass wir ihn auf eine Ebene heben, dass er landesplanerisch eine Sperrwirkung ausübt? Wie kriegen wir das hin? Wie mache ich aus unserem gemeinsamen Verständnis eine Regelung?

Wir haben Eiderstedt ausgenommen - klug, wie ich finde. Wie heben wir das aus dem Abwägungsprozess hervor, sodass wir jetzt auf ganz Eiderstedt, von Kommune zu Kommune, keinen Kampf haben? Wie heben wir dieses planerische Ziel, das wir gemeinsam hatten, das uns alle eint, schnell - nicht indem wir jetzt 500 Anträge nach § 35 abarbeiten auf eine Ebene, dass es quasi vorgreifend vor jeder weiteren landesplanerischen Erarbeitung oder Durchdringung wirkt? Das ist nicht trivial. Das ist jetzt zu leisten. Das können wir nur gemeinsam tun.

Ich habe mich - Herr Günther hat das in der Zuspitzung kritisiert, die ich gelesen habe - mitnichten gefreut, dass das eine Stärkung von Investoren ist. Faktisch ist es das natürlich, weil wir jetzt das gesamte Land mit dem, was da jetzt gilt, als Eignungsgebiet haben. Jeder, der jetzt Anträge stellt, hat nur § 35. Damit ist eine Begrenzung von 1,7 nicht mehr gegeben. Fiele uns also nichts ein, müsste alles nach § 35 durchentschieden werden. Überall da, wo Immissionsschutzrecht, wo Denkmalschutzrecht, wo Luftsicherung oder Ähnliches greift, könnte das untersagt werden. Ansonsten gibt es einen Anspruch darauf, im Außenbereich zu bauen, und zwar Mühle für Mühle.

Auch das war klug, dass man gesagt hat: Wir wollen das gebündelt haben, wir wollen es konzentriert haben, wir wollen Parks haben, wir wollen nicht im ganzen Land atomisiert einzelne Mühlen haben.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Auch das könnte - zumindest in der Steuerungswirkung - durch das Land nicht mehr verhindert werden.