Protokoll der Sitzung vom 19.02.2015

Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat deutlich gezeigt, dass der Rückgang der Bauaktivitäten bis zum Jahr 2010 zu einer erheblichen Lücke im Bereich der Wohnraumversorgung geführt hat, insbesondere in unseren Ballungsräumen. Auch wenn die Zahl der Neubauten seit diesem Zeitpunkt erfreulicherweise wieder zugenommen hat, bleibt festzustellen, dass dieser Zuwachs nicht ausreicht, um der Nachfrage in diesen Regionen gerecht zu werden. Davon betroffen sind neben dem Hamburger Umland auch die Bereiche Kiel und Lübeck sowie Sylt.

Innenminister Studt hat in seinem Grußwort beim Verbandstag Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen in Hamburg zu Recht darauf hingewiesen, dass durch den massiven Siedlungsdruck aus Hamburg heraus und durch den erheblich ansteigenden Zustrom von Flüchtlingen und Zuwanderern das von den Kommunen im Hamburger Umland zur Verfügung gestellte Bauland bei Weitem nicht mehr ausreicht, um den wachsenden Bedarf zu decken. Das hat er in seinem heutigen Bericht wiederholt. Dabei stimmen wir völlig überein.

Deshalb muss es Aufgabe der Landesregierung sein, den bisherigen Rahmen der Wohnbauentwicklung bis 2025 insbesondere in den Regionen mit ständig wachsender Wohnraumnachfrage zu erweitern und damit zusätzliche Flächen für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, die deutlich über den bisherigen genehmigungsfähigen Rahmen hinausgehen.

Dies könnte kurzfristig über eine Vorgabe des Innenministers gegenüber den zuständigen Genehmigungsbehörden erfolgen, entsprechend flexibel zu handeln. Dieses Vorgehen hätte den Vorteil, kurz

fristig auf die massive zusätzliche Nachfrage nach Eigentumsbildung, insbesondere für bisherige so genannte Schwellenhaushalte, zu reagieren und dadurch frei werdende Wohnungen für intelligente Nachnutzungen am Markt zur Verfügung zu stellen.

Im Bereich des Hamburger Umlandes würden dabei außerdem die zusätzlich entstehenden Pendlerverkehre weitgehend über einen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr umweltfreundlich und nachhaltig organisiert werden können. Neben der Schaffung eines bedarfsgerechten und bezahlbaren Mietwohnungsangebots in zentralen Orten und auf den Siedlungsachsen bietet sich auch eine Chance für eine nachfrageorientierte Schaffung von zusätzlicher Einzelhausbebauung, insbesondere für Familien mit Kindern, zur Deckung des regionalen Wohnungsbedarfs.

Ich fordere die Landesregierung deshalb auf, in diesem Bereich des Wohnungsbaus endlich aktiver zu werden und für die betroffenen Kommunen kurzfristig und unbürokratisch entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Detlef Matthiessen.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wohnungsbau ist nicht nur Privatsache, sondern auch öffentliche Aufgabe. Das Recht auf Wohnen gehört zwar nicht zu den Grundrechten, wohl aber zu den Grundbedürfnissen. Es gerät in unserer saturierten Gesellschaft leicht aus dem Bewusstsein, dass es Grundbedürfnisse gibt und die Wirtschaft, die die Güter zur Befriedigung von Grundbedürfnissen herstellt, vom Staat besonders zu beobachten ist, dass die Politik einen Rahmen zur Steuerung dieser Wirtschaft schaffen und gegebenenfalls Märkte regulieren muss.

Dazu ist das Wie und das Wo der Bedarfe zu klären. Welche sind nicht gedeckt? Dies betrifft Menschen mit niedrigem Einkommen, Familien mit mehreren Kindern sowie alte und behinderte Menschen in städtischen Zentren, im Hamburger Umland oder auch anderswo. Das Land hat das dann zu steuern mit finanzieller Förderung nach dem Wohnraumfördergesetz beziehungsweise mit Wohnraum

(Peter Lehnert)

förderprogrammen. Außerdem gibt es auf Bundesebene zusätzlich das Instrument des Wohngeldes sowie die Diskussion über die Mietpreisbremse.

Was ist mit der vom Minister in seiner Rede erwähnten Kappung von Mietpreisen gemeint? Eigentlich wird nicht der Mietpreis gekappt, sondern die Mieterhöhungsmöglichkeit. Als Kappungsgrenze wird im Mietrecht die gesetzliche Regelung bezeichnet, gemäß derer die Miete innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren um insgesamt nicht mehr als 20 % erhöht werden darf.

Dies bedeutet in der Praxis, dass ein Vermieter nicht nur die ortsüblichen und vergleichbaren Mietpreise beachten, sondern auch die Kappungsgrenze einhalten muss. Dies gilt für bestehende Verträge. Die Mietpreisbremse soll auch für neue Verträge gelten. Das ist noch Zukunftsmusik und noch nicht Gesetzeswerk des Bundesgesetzgebers.

Zur Wohnraumförderung. Es ist immer ein Spagat zwischen den begrenzten finanziellen Ressourcen und dem zu machen, was notwendig wäre. Ich habe Verständnis für die Kritik beispielsweise des Mieterbundes. Natürlich gibt es immer gute Argumente, die dafür sprechen, mehr zu tun. Das ist richtig. Richtig ist aber auch - und das zeigt der Bericht deutlich -, dass wir im Rahmen der Möglichkeiten eines Konsolidierungslandes sehr viel tun.

Der Wohnungsmarkt ist vielfältig, und das ist auch gut so. Der selbstgenutzte Wohnungsbau schafft ein Gegengewicht zum Mietsektor, von der Stadtvilla, über das Häuschen auf dem Land bis zur Doppelhaushälfte am Stadtrand. Der private Sektor, also die große Familie Haus & Grund, hat eine wichtige Ventilfunktion im Wechselspiel mit den großen und mittleren Wohnungsbaugesellschaften.

Ein Problem ist die Veränderung der Wohnungsmärkte durch Großkonzerne. Dies sind die Heuschrecken - wenn ich das einmal so plakativ ausdrücken darf. Ich begrüße es sehr, dass neben dem klassischen Markt auch andere Modelle wie Wohnungsbaugenossenschaften und Stiftungen wieder Fahrt aufnehmen.

Wir beobachten eine Gentrifizierung ehemals günstiger Quartiere. Studenten finden nur schwer Mietmöglichkeiten im Rahmen ihres Portemonnaies. Der Hamburger Rand und Inseln werden unbezahlbar.

Der öffentliche Wohnungsbau soll dort entlasten, wo es notwendig ist. Der öffentlich geförderte Wohnungsbau ist kein Selbstzweck, meine Damen und Herren. Er ist ein wichtiges Regulativ in dem

komplexen Geflecht des Wohnungsmarkts. Er hat so gesehen eine dienende Funktion in einer auf Wettbewerb und privatem Eigentum beruhenden Wohnungswirtschaft, die der öffentliche Sektor nach unserer Wirtschaftsordnung nicht ersetzen soll und die er auch gar nicht ersetzen kann.

Der öffentlich geförderte Wohnungsbau und die Vorhaltung von Wohnraum im öffentlichen Besitz sind in der Vergangenheit vernachlässigt worden. Ein entspannter Wohnungsmarkt und knappes öffentliches Geld bildeten den Hintergrund einer Entwicklung, die uns heute in Form von Mieten, die nicht mehr bezahlbar sind, auf die Füße fällt. Auch wenn über das ganze Land hinweg gesehen die Lage nicht dramatisch ist, so gilt das eben nicht für die Brennpunkte der Mietpreisentwicklung. Klar ist: Wir müssen handeln.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankt Minister Studt für den Bericht. Die Bilanz, die Sie vorgelegt haben, kann sich sehen lassen. Mit dem bereits angekündigten Wohnungsaufsichtsgesetz werden wir demnächst hier weitere Initiativen diskutieren.

Die Botschaft lautet: Schleswig-Holstein nimmt seine Verantwortung auf dem Wohnungsmarkt ernst. Mieter und Vermieter finden in der Küstenkoalition verlässliche Partner für ihre Interessen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesamtvolumen des landeseigenen Förderprogramms - 360 Millionen € verteilt auf die Jahre 2015 bis 2018 - erscheint auf den ersten Blick beachtlich. Die Ziele - bezahlbares Wohnen für Menschen mit geringem Einkommen zu ermöglichen und mit 20 Millionen € Projekte für die Unterbringung von Flüchtlingen zu fördern - sind gewiss lobenswert. Betrachtet man aber die einzelnen Bereiche, so wird deutlich, dass im Vergleich zu den in manchen Bereichen erheblich steigenden Bedarfen nur wenige Personen in den Genuss dieses Programms kommen werden.

Ein Beispiel ist das 20-Millionen-€-Kontingent für Wohnprojekte zur Unterbringung von Flüchtlin

(Detlef Matthiessen)

gen. Nach dem vorliegenden Landesprogramm werden derzeit drei Programme geplant, durch die 200 Flüchtlinge Wohnmöglichkeiten erhalten sollen. Rechnet man das auf vier Jahre um, so kommt man auf 50 Personen pro Jahr.

Gestern hat uns der Ministerpräsident aber mitgeteilt, dass die Landesregierung allein in diesem Jahr mit 20.000 zusätzlichen Flüchtlingen rechnet, die nach Schleswig-Holstein kommen werden. Hiervon könnten also 2,5 ‰ der Flüchtlinge mit Wohnraum versorgt werden. Wenn weitere Projekte hinzukommen, wird sich dieser Anteil vielleicht auf 7 ‰ oder 8 ‰ steigern. Das macht deutlich, dass das Problem damit ganz gewiss nicht gelöst werden kann, sondern dass es nur eine Entlastung in sehr kleinen Bereichen geben wird.

Insgesamt stellt sich die Frage, ob nicht die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investoren mehr bewirken könnte als ein Landesprogramm, das ein paar Tropfen auf heiße Steine fallen lässt.

Die von Rot-Grün-Blau beschlossene Anhebung der Grunderwerbsteuer auf ein bundesweites Rekordniveau weist jedoch in die gegenteilige Richtung.

Sie verteuert den Neubau und bremst damit die Erweiterung des Wohnungsangebots in unserem Land.

(Beifall FDP)

Ich möchte die Problematik noch an einem weiteren Beispiel verdeutlichen. Ich kritisiere, dass dieses Thema im Bericht des Herrn Innenministers nicht angesprochen worden ist.

Herr Dr. Klug, lassen Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Matthiessen zu?

Aber gewiss doch.

Will die FDP die Grunderwerbsteuer wieder senken?

- Es ist in der Tat eine Zielsetzung, diese Grunderwerbsteuer wieder auf ein bundesweit vergleichbares Niveau zu senken.

(Zuruf Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Das halte ich für eine erforderliche politische Veränderung. Da muss in den kommenden Jahren in Schleswig-Holstein etwas korrigiert werden, das aus meiner Sicht von Ihnen falsch gemacht worden ist.

(Wortmeldung Detlef Matthiessen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Es tut mir leid. Aber ich möchte dieses Thema weiter ausführen. Ich lasse keine weitere Zwischenfrage zu.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)

Ich möchte verdeutlichen, wo ich das Problem sehe und wo meine Kritik am Innenminister ansetzt. Es geht um die Erweiterung des Wohnraumangebots für Studenten. Wir wissen: Im Wintersemester 2016/2017, also sehr bald, wird ein doppelter Abiturientenjahrgang an unsere Hochschulen gelangen. Die Erstsemesterzahlen werden massiv in die Höhe schnellen. Das wird unter anderem zu einer extremen zusätzlichen Belastung des Wohnungsmarkts für Studierende führen.

Die Landesregierung erklärt zwar, sie wolle in den Förderbudgets für die Hochschulstädte Kiel, Lübeck und Flensburg bedarfsgerechte Kontingente zur Förderung des studentischen Wohnraums berücksichtigen, aber auch hierbei sind die konkreten Zahlen ernüchternd. Denn allein für die Stadt Kiel sind laut Planung für den gesamten Neubaubereich 200 neue Wohneinheiten in den kommenden vier Jahren in Planung. In Lübeck sind es 225. Wohlgemerkt geht es dabei um Neubau und um zusätzliche Angebote.

Aus diesen Zahlen sollen dann Kontingente für das studentische Wohnen herausgeschnitten werden. Dabei können Sie sich ausrechnen, dass das nur vergleichsweise wenige zusätzliche Angebote sein werden.

Meine Damen und Herren, das Deutsche Studentenwerk veröffentlicht jährlich Übersichten über die Entwicklung der Studentenwohnheimplätze in Deutschland. Auch wenn man diese Zahlen betrachtet, wird deutlich: Die rot-grün-blaue Landesregierung hat auch hier - erst recht angesichts des bevorstehenden doppelten Abiturientenjahrgangs die Zeit verschlafen. In anderen Bundesländern ist, selbst wenn man die unterschiedlichen Einwohnerzahlen der Länder berücksichtigt, eine mehrfache Zahl neuer Studentenwohnheimplätze im Bau oder in der Planung. In Schleswig-Holstein sind 182 Plätze im Bau oder in Planung. In Rheinland

(Dr. Ekkehard Klug)

Pfalz sind es über 800. In Bayern sind es rund 2.500. Wie gesagt: Wenn man die unterschiedlichen Einwohnerzahlen der Länder berücksichtigt, wird immer noch deutlich: Schleswig-Holstein hinkt immer noch weit hinter den anderen Ländern hinterher. So oder so ist klar, dass Schleswig-Holstein unter den westdeutschen Flächenländern das Bundesland mit der niedrigsten Versorgungsquote bei studentischen Wohnheimplätzen ist. Diese liegt bei etwa 6 %.