Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Herr Kollege, kann es sein, dass Sie bei der aktuellen Fassung

(Peter Eichstädt)

des 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Entwurf übersehen haben, dass auch die Gewerkschaften Sitze abgegeben haben im Vergleich zu der bisherigen Besetzung des Fernsehrates?

- Ich bitte, in den Entwurf hineinzuschauen. Also ich komme auf vier.

Wenn Sie diese Schwerpunktsetzung so haben wollen, dass Sie sagen, gezielt bei den Kirchen soll ein Platz zugunsten gesellschaftlicher Vielfalt gestrichen werden, muss das schon gut begründet werden. Es muss insbesondere deshalb gut begründet werden, weil die jeweils 25 Millionen Mitglieder der Kirchen natürlich auch gesellschaftliche Vielfalt abbilden.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau deswegen ja!)

Es ist ja überhaupt nicht gesagt, dass eine Person, die in den Fernsehrat entsendet wird, nicht mehr als eine Facette abbilden kann. Ich halte das auch für nötig. Denn bei 60 Mitgliedern, die der Fernsehrat zukünftig noch haben soll - darauf haben Sie selber hingewiesen -, kann ich natürlich nicht jede gesellschaftliche Gruppierung, die man sich vorstellen kann, abbilden. Dann ist es von einem besonderen Mehrwert, wenn Menschen aus ihrer Person heraus auch mehr als eine Facette abbilden können.

Der Gedanke, der in dem Entwurf steht, dass jedes Bundesland sozusagen eine besondere Facette für sich übernimmt und einen Vertreter aus diesem Bereich entsendet, ist ein interessanter Gedanke. Ich könnte mir durchaus vorstellen, an der Stelle flexibler zu werden. Warum muss ein Bundesland in jeder Besetzungsperiode des Fernsehrates genau einen Vertreter aus diesem Bereich entsenden? Man könnte die Palette breiter machen, indem man den Bundesländern hier mehr Spielraum lässt und so über die Zeit mehr Vielfalt in die Gremien einbringt.

Noch ein Wort zum Thema Zeitungsverleger. Die mögliche Interessenkollision im Bereich des privaten Fernsehens ist ein Punkt, über den man diskutieren kann. Allerdings glaube ich, dass die Bedeutung, die die Zeitungen für die Meinungsfreiheit und für die Demokratie in unserem Land haben, eine ist, die man gar nicht überschätzen kann.

Wir müssen uns in der heutigen Zeit, in der die Printmedien ohnehin unter einem erheblichen Druck stehen, ihr Geschäftsmodell insbesondere im Bereich der neuen Medien aufrechterhalten zu können, an vielen Stellen Gedanken darüber machen,

wie wir Verlagen helfen können, dass sie ihre Demokratiefunktion weiter wahrnehmen können.

Ausgerechnet dieser Entwurf des Staatsvertrags für die Neuregelung des ZDF geht sehr bewusst von konvergenten Medienlandschaften aus, also davon, dass auch Verlage im Netz aktiv sein müssen, was die öffentlich-rechtlichen Sender auch tun. Das ist eine entscheidende Schnittstelle, bei der es wichtig ist, dass gerade die Zeitungsverlage weiter in den Gremien präsent sind, damit wir uns beispielsweise Kollisionen, wie wir sie am Beispiel der Tagesschau-App sehen - auch wenn das die ARD betrifft; es gibt aber auch vergleichbare Angebote vom ZDF -, möglichst ersparen und man vielleicht bereits vorher zu vernünftigen Regelungen kommen kann.

Insofern können wir den Vorschlägen, die Sie hier unterbreiten, nicht folgen, weil wir die Vertretung von Kirchen und Zeitungsverlegern für richtig und angemessen halten.

Noch ein Wort zum Antrag der FDP. Lieber Kollege Klug, was in Ihrem Antrag steht, finde ich eigentlich alles in den Leitsätzen des Verfassungsgerichtes und im Entwurf des Staatsvertrages wieder. Insofern ist es meiner Ansicht nach unschädlich, Ihrem Antrag zuzustimmen. Ich habe darin jetzt noch nicht die Innovation erkannt. Aber die werden Sie uns jetzt eventuell gleich mitteilen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das werde ich Ihnen gleich erklären!)

- Darauf freue ich mich. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Kollegen Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

„Koch und seine Kellner servieren ZDF ab. …Die konservativen Hardliner haben ihre Macht demonstriert.“

Damit ist nicht etwa der von mir sehr geschätzte Kollege Tobias Koch gemeint, sondern so titelte der „Stern“, nachdem der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch mit anderen die

(Dr. Axel Bernstein)

Verlängerung des Vertrags für den Ex-ZDF-Chefredakteur Brender verhindert hatte.

Das Ergebnis der Nichtverlängerung der Amtszeit des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs Brender war abgesehen von einer großen medienpolitischen öffentlichen Diskussion - eine Klage der SPD vor dem Bundesverfassungsgericht zur politischen und staatlichen Einflussnahme im ZDF. Das Urteil, das danach gefällt wurde, hätte deutlicher nicht sein können. Die Einflussnahme des Staats muss begrenzt werden, und politische Vielfalt muss gewährleistet sein.

Jetzt, kurz vor Beschluss des ZDF-Staatsvertrags auf der Ministerpräsidentenkonferenz in der nächsten Woche, muss man feststellen, dass die Vorgaben aus dem Urteil zum ZDF-Staatsvertrag aus grüner Sicht nur unzureichend erfüllt worden sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Die Mindestvorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind erfüllt worden. Dazu haben meine beiden Vorredner schon etwas gesagt. Mehr ist aber auch nicht passiert. Die Chance, die Gremien des ZDF den Veränderungen in der Gesellschaft anzugleichen, wurde aus unserer Sicht verpasst.

Diejenigen, die erneut die Zusammensetzung des Fernsehrats verhandelt oder ausgekungelt haben, haben es sich leicht gemacht: die Verringerung der staatsnahen Vertreterinnen und Vertreter wurde einfach dadurch gelöst, dass die Parteien nicht mehr vertreten sind, aber die Landesregierungen unverändert darin sitzen. Das benachteiligt vor allem kleine und mittelgroße Parteien, die nicht so oft Regierungschefs stellen, aber auch eine wichtige Funktion in unserer Demokratie haben.

(Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch bei den Vertretungen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich bleiben viele Fragezeichen.

Wirkliche Veränderungen gibt es nur in den Bereichen, die sich jedes Bundesland selbst aussuchen konnte. Schleswig-Holstein ist - das hat der Kollege Eichstädt auch schon gesagt - zuständig für die nationalen Minderheiten. Der Kollege Eichstädt hat recht: Das passt zu unserem Land. Es ist gut, dass wir für diesen Bereich im ZDF-Fernsehrat zuständig sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- RATEN und SSW)

Aber warum hat Sachsen beispielsweise den Bereich ehrenamtlicher Zivilund Katastrophenschutz, warum Brandenburg die Senioren, Familien und Frauen und Niedersachsen die Muslime? Warum erhalten muslimische Verbände nicht den gleichen Status wie die evangelische oder die katholische Kirche oder der Zentralrat der Juden? All das zeigt schon etwas die Konzeptlosigkeit und Willkür, mit der hier gearbeitet wurde.

Ganz heruntergefallen sind dafür Menschenrechtsorganisationen, Lesbenund Schwulenverbände und der Bereich der digitalen Bürgerrechte. Gerade in Zeiten, in denen öffentlich-rechtliche Anstalten um Sportrechte in Orten wie Sotchi oder in Ländern wie Katar mitbieten und die Krisenberichterstattung aus unterschiedlichen Regionen zunimmt, müssen aus unserer Sicht Menschenrechtsorganisationen in den Gremien vertreten sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PIRATEN)

Wir glauben, dass Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty den ZDFFernsehrat bereichern würden. Sie außen vor zu lassen, wäre ein Qualitätsverlust.

Ähnliches gilt auch für den Bereich der Schwulenund Lesbenverbände. Sexuelle Vielfalt in den Medien als das darzustellen, was es ist, nämlich eine gleichberechtigte Lebensform, findet noch viel zu wenig statt. Homophobie ist nach wie vor in unserer Gesellschaft - das haben wir auch festgestellt, als wir den Aktionsplan hier diskutiert und mit breiter Mehrheit beschlossen haben - ein gesamtgesellschaftliches Problem. Aus unserer Sicht kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier noch stärker in die Verantwortung gehen. Dies gibt es zum Teil schon - zugegeben -, aber gerade das ZDF kann hier noch deutlich nachlegen.

Das ZDF wird sich dem digitalen Wandel auch nicht entziehen können. Neue Formate wie zum Beispiel der Jugendkanal, der jetzt in der Planung ist, oder eine Ausweitung des digitalen Angebots können für das ZDF eine Chance darstellen, sind aber auch eine neue Herausforderung. Die Bereiche Datenschutz und Informationskampagnen stellen das ZDF in Zeiten des digitalen Wandels vor neue Herausforderungen. Wir glauben, dass der Bereich der digitalen Bürgerrechte ein Bereich ist, aus dem das ZDF Unterstützung aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich gut gebrauchen kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- RATEN und SSW)

(Rasmus Andresen)

Wir Grüne können uns größere Änderungen beim ZDF-Staatsvertrag vorstellen. Das ist, glaube ich, zu Beginn meiner Rede deutlich geworden. Ich habe deshalb wahrscheinlich ein bisschen mehr Sympathie, als andere Vorredner das deutlich gemacht haben, für den Antrag der FDP-Fraktion. Wir glauben aber auch, dass es jetzt, eine Woche vor der Ministerpräsidentenkonferenz, darum gehen muss, das Bestmögliche herauszuholen. Deshalb wollen wir uns auf den Bereich der Bürgerrechte und der Menschenrechte konzentrieren. Die Kirchen, die auf unseren Vorschlag hin jeweils einen Sitz abgeben müssten, wären dann immer noch gleichberechtigt mit anderen Glaubensgemeinschaften mit jeweils einem katholischen und einem evangelischen Vertreter berücksichtigt. Herr Bernstein, nimmt man den Bereich der Wohlfahrtsverbände hinzu, den Sie gerade angesprochen haben, und betrachtet, welche Wohlfahrtsverbände das sind - das sind die Caritas und die Diakonie -, stellt man fest, dass in diesem Bereich weitere Gruppen aus dem Kirchenmilieu hinzukommen. Es muss also keiner fürchten, dass die Kirchen keinen Einfluss mehr haben. Die Kirchen sind wichtig. Sie gehören auch in dieses Gremium, aber eben nicht über Gebühr.

(Beifall PIRATEN)

Es gibt keine andere Gruppe, die mit zwei Sitzen vertreten ist. Wir sind der Meinung, dass alle gleichberechtigt behandelt werden sollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PI- RATEN und SSW)

Herr Abgeordneter!

Letzter Satz! Vielen Dank. - Im Urteil steht, dass Personen mit möglichst vielfältigen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens zusammengeführt werden müssen. Wir glauben, dass wir das mit unserem Antrag besser zum Ausdruck bringen, als es der Entwurf bisher darstellt. Wir geben deshalb unserem Ministerpräsidenten für die Ministerpräsidentenkonferenz ein starkes Verhandlungsmandat. Ich freue mich, dass wir gleich dem Antrag gemeinsam mit den PIRATEN zustimmen werden. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist höchste Zeit, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Gremienzusammensetzung beim Zweiten Deutschen Fernsehen umgesetzt werden. Die Karlsruher Richter haben den Ländern hierfür eine Frist gesetzt. Für eine verfassungsgemäße Neuregelung haben wir Zeit bis zum 30. Juni 2015, von heute an also gerade nicht einmal mehr dreieinhalb Monate. Deshalb meinen wir Freie Demokraten, dass für die im Antrag der Regierungsfraktionen und der PIRATEN geforderte Neuverhandlung der Gremienzusammensetzung nicht mehr genügend Zeit bleibt. Die in Nummer 2 des Antrags enthaltene Forderung nach einer anderen Besetzung von drei Positionen im ZDF-Fernsehrat macht natürlich überhaupt keinen Sinn, wenn damit nicht zugleich der Auftrag an die Landesregierung verbunden wäre, hierüber mit den anderen 15 Bundesländern in neue Verhandlungen einzutreten. Dafür jedoch - wie gesagt - haben wir nach unserer Einschätzung nicht mehr die erforderliche Zeit, wenn alle Landesparlamente bis zur Jahresmitte den neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag ratifizieren sollen.

Die FDP ist daher der Ansicht, dass die Erörterung möglicher Umbesetzungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden muss. Eine Verringerung der Zahl der Kirchenvertreter zugunsten der Berücksichtigung weiterer gesellschaftlicher Gruppen beziehungsweise Organisationen ist dabei unseres Erachtens durchaus erwägenswert.