Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Die Sorge, Opfer zu werden, treibt Bürgerinnen und Bürger zunehmend dazu, das Handeln selbst in die Hand zu nehmen. 7.529 Haus- und Wohnungseinbrüche hat es allein im vergangenen Jahr gegeben, ein Drittel davon am helllichten Tag. Wer einmal Opfer eines Einbruchs geworden ist, der weiß, wie einschneidend das für einen Menschen ist. Ein Einbruch ist immer auch ein Eindringen in die intimste Privatsphäre des Menschen. Wenn Fremde in den intimsten Dingen herumgewühlt haben, wenn Schubladen herausgerissen werden und die Wohnung oder das Haus von Einbrechern auf den Kopf gestellt wurde, dann weiß man erst, was für eine psychische Belastung so etwas darstellt.

(Beifall CDU)

Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, die Bundesratsinitiative - in diesem Fall von Bayern zu unterstützen. Mit Sorge nehmen wir zur Kenntnis, dass der Rechtsausschuss des Bundesrates jetzt schon empfohlen hat, diese Gesetzesinitiative abzulehnen, bei der es darum geht, dass die Möglichkeit der Einstufung von Wohnungseinbrüchen als minder schwerer Fall gestrichen werden soll. Wer einen Einbruch begeht, der muss auch angemessen für seine Tat bestraft werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU und vereinzelt PIRATEN)

Auch wenn der Herr Strafverteidiger Kubicki das anders sieht: Ermittler müssen nach § 100 a Strafprozessordnung die Möglichkeit haben, bei Wohnungseinbruchdiebstählen das Instrument der Telekommunikationsüberwachung nutzen zu dürfen.

Das muss wirklich gemacht werden. Sonst werden wir diesem Problem überhaupt nicht mehr Herr.

(Beifall CDU)

Wer sich die Kriminalitätsstatistik anschaut, stellt fest: Nur ein Bruchteil der Wohnungseinbrüche wird überhaupt aufgeklärt. Nur 12,6 % waren es im Jahre 2014. Das bedeutet, in 6.761 Fällen konnte der Täter nicht ermittelt werden. Ich sage Ihnen: Ich glaube, dass die Tatsache, nach der die Anzahl der Einbrüche nach der Statistik jetzt runtergeht, schlicht und ergreifend etwas damit zu tun hat, dass Menschen einen Einbruch überhaupt nicht mehr zur Anzeige bringen, weil sie wissen, dass in dem Bereich sowieso nicht ermittelt wird, weil die Instrumente nicht da sind, um solche Straftaten aufzuklären.

(Beifall CDU)

Bürgerinnen und Bürger nehmen die Sache jetzt vermehrt selbst in die Hand. Bürgerwehren gründen sich insbesondere im südlichen Schleswig-Holstein. Aber solche Bürgerwehren ersetzen nun einmal keine Polizei. Ich habe eher Sorge, wenn dort Menschen unterwegs sind, die nicht ausgebildet sind, die überhaupt nicht wissen, wie sie in Stresssituationen damit umgehen müssen, wenn sie plötzlich auf jemanden treffen, der dort mit einer Waffe herumläuft. Ich möchte nicht, dass dort Menschen unterwegs sind, die sich selbst als Bürgerwehr aufführen. Ich finde, es ist klassische Aufgabe des Staates, die innere Sicherheit in unserem Lande sicherzustellen.

(Beifall CDU und vereinzelt PIRATEN - Zu- ruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, Sie sollten sich am Ende schon dafür entscheiden, ob Sie eher der Kollegin Lange zustimmen, die sagt, Bürgerwehren seien für sie völlig unproblematisch, oder ob Sie dem zustimmen, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, nämlich dass Sie Bürgerwehren ablehnen. Da erwarten wir heute Aufklärung, was denn in diesem Bereich aus Ihrer Sicht richtig ist.

(Beifall CDU)

Wir fordern, dass Sie die Kürzungen bei der Landespolizei rückgängig machen. Sie haben zahlreiche zusätzliche Strukturen aufgebaut - ich könnte sie alle benennen -, von den Oberstufen im ländlichen Raum bis hin zu den Doppelstrukturen bei der Lehramtsausbildung. Ausgerechnet bei der Polizei nutzen Sie das allen Ernstes als Argument dafür, dass das der einzige Bereich ist, in dem in dieser Landesregierung gekürzt wird. Ausgerechnet bei

den Polizistinnen und Polizisten, die für unser aller Sicherheit sorgen, kürzen Sie. Ich bitte Sie wirklich darum, dieses Ansinnen zurückzunehmen.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete Simone Lange.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich dem Fraktionsvorsitzenden Daniel Günther nur noch einmal auf seine Behauptung antworten, der Innenminister würde alle Stationen unter fünf Personen schließen. Diese Behauptung ist schlichtweg falsch.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir können das in jeder Landtagssitzung wiederholen. Ich wiederhole das dann auch in der nächsten: Diese Behauptung ist schlicht unwahr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, die Gewährleistung der Sicherheit muss Kernaufgabe des Staates bleiben. Ich füge hinzu: Das ist sie, und sie macht einen funktionierenden und modernen Staat überhaupt erst aus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Worüber reden wir wirklich? Reden wir über Sicherheit oder über Kriminalität? Sicherheit ist ein subjektives Gefühl. Was als unsicher und gefährlich gilt, ist unterschiedlich begründet und wandelt sich im Laufe der Zeit. Ursachen für die Kriminalitätsfurcht sind vielfältig und lassen sich auf individueller, nachbarschaftlicher oder gesellschaftlicher Ebene finden. Einer dieser Faktoren ist zum Beispiel die Einschätzung der persönlichen Verletzbarkeit. Sicherheit kann es nur da geben, wo es keine Angst gibt.

Woher kommt diese Angst? Sie kommt aus dem persönlichen Erleben und aus der Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen. Sehe ich täglich im Internet Bilder von Überfällen, Amokläufen und so weiter, dann verringert sich natürlich mein Sicherheitsgefühl viel eher, oder sehe ich Bilder einer funktionierenden Gesellschaft oder auch funktionierenden Polizei, von Festnahmen und Erfolgen.

Kriminalität hingegen lässt sich feststellen, und sie bildet sich in der Kriminalitätsstatistik ab. Auch Kriminalitätsschwerpunkte können benannt werden. Im Übrigen werden solche Schwerpunkte in der Regel sogar durch die Polizei öffentlich bekannt gegeben. Dass das bei den Bürgerinnen und Bürgern vorhandene Sicherheitsgefühl nicht immer mit der tatsächlichen Kriminalitätslage übereinstimmt, sehen wir zum Beispiel daran, dass sich Bürgerinnen und Bürger teilweise dort besonders wachsam zeigen, sich unter anderem sogar organisieren, wo es gar keine Kriminalitätsschwerpunkte gibt. Es gibt in Schleswig-Holstein vielfach engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich sogar als Gruppe oder auch als Verein zusammenschließen und ihren Beitrag zur Sicherheit leisten wollen.

Schnell fällt der Begriff Bürgerwehr, der rechtlich nicht definiert ist, historisch aber eindeutig vorgeprägt ist. - Vielleicht kann der Herr Günther auch zuhören, wenn er so gut austeilt. Das hilft!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Dann könnte er was lernen!)

Besonders jetzt sollten Sie vielleicht einmal lauschen, wenn wir dem historisch geprägten Begriff von Bürgerwehren folgen, der einhergeht mit der Bezeichnung von bewaffneten Einheiten. Das lehnen wir eindeutig ab.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Wortmeldung des Abgeordneten Kubicki?

Nein, bitte nicht.

Verstehen wir unter „Bürgerwehren“ den Zusammenschluss engagierter Bürgerinnen und Bürger, dann sollten wir diese nicht reflexhaft verteufeln. Wir sollten mit ihnen gemeinsam Strategien entwickeln, die das Vorgehen der Polizei nicht beeinträchtigen, das Engagement der Bürgerinnen und Bürger aber ernst nehmen und ihnen auch Schranken dieses Engagements klarmachen. Hier muss die Zusammenarbeit der Polizei mit bestehenden Bürgerinitiativen lobend hervorgehoben werden.

In Schleswig-Holstein gibt es teilweise schon seit Jahrzehnten eingetragene Vereine, die auf den Internetseiten ihrer Gemeinden beworben werden. Beispielhaft möchte ich zwei erwähnen. Schauen

(Daniel Günther)

Sie sich den Internetauftritt der Bürgerinitiative „Mehr Sicherheit für Großhansdorf“ e.V. an. Schauen Sie sich den Internetauftritt der Bürgerinitiative „Sicherheit für Oststeinbek“ e.V. an. In diesen Vereinen sind engagierte Bürgerinnen und Bürger tätig, die auch Präventionsveranstaltungen anbieten, die seit vielen Jahren im Austausch mit der Landespolizei aktiv sind. Die als Bürgerwehr zu bezeichnen und zu verteufeln, lehnen wir ab.

Wir selbst haben durch den Rat für Kriminalitätsverhütung und die kriminalpräventiven Räte ein Netzwerk aufgebaut, weil wir eine gemeinwesenorientierte Sicherheitspolitik wollen. Kriminalitätsprävention funktioniert am besten vor Ort, auch deshalb, weil in den meisten Fällen der oder die Täter aus dem regionalen Nahbereich kommen. Deshalb wollen wir an dieser Strategie festhalten und vor allem die kriminalpräventiven Räte stärken, denn genau dort können bürgerliches und staatliches Engagement gebündelt und zielgerichtet eingesetzt werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mit Erlaubnis des Präsidiums möchte ich mit einem Zitat enden, das aus den „Kieler Nachrichten“ stammt. Es lautet:

„Gut, dass es die Kriminalitätsstatistik gibt. Dort ist nämlich schwarz auf Weiß nachzulesen, dass dieses Land nicht kurz davor steht, in Gewalt und Chaos zu versinken. Im Gegenteil: Zieht man die mit dem Flüchtlingszustrom einhergehenden Asyldelikte ab, ist die Zahl der Straftaten erneut gesunken.“

An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an unsere Landespolizei, die das tatsächlich tagtäglich leistet. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Abgeordnete Burkhart Peters das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe CDU-Fraktion! Zuerst zum Wohnungseinbruchdiebstahl. Ihr innenpolitisches Profilierungsstreben nimmt inzwischen skurrile Züge an. Jetzt suchen Sie Ihr Heil schon bei der Stammtischpolitik der CSU. Von Bayern lernen,

heißt siegen lernen. Diese Maxime gehört in Fußballstadien, aber nicht hier ins Plenum.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Was dabei herauskommt, dazu würde ich, wenn ich ein Bayer wäre, sagen: „Dös ist oan rechter Schmarrn!“ Bayerns Vorschlag ist reine Symbolpolitik. Wer immer noch glaubt, durch Strafverschärfung eine abschreckende Wirkung zu erzielen, hat von Kriminalwissenschaft nichts verstanden.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

In den Bundesstaaten der USA, wo die Todesstrafe noch vollstreckt wird, wird deutlich mehr gemordet, totgeschlagen und vergewaltigt als in Deutschland. Meine Damen und Herren, es gibt keinerlei empirischen Beleg für einen Zusammenhang zwischen dem Strafrahmen im Gesetzbuch und der Kriminalitätsrate in einer Gesellschaft. Kein Einbrecher wird sich davon abhalten lassen, nur weil der minderschwere Fall aus dem Gesetz gestrichen wird. Mit der geplanten Streichung markieren Sie am Stammtisch den starken Max.

Herr Bausback, Justizminister in Bayern, sagt: Für die Opfer ist so etwas niemals minderschwer.

Das mag stimmen. Sie manövrieren sich aber in einen handfesten juristischen Wertungswiderspruch. Den minderschweren Fall gibt es nämlich nicht nur beim Einbruchdiebstahl, beispielshaft seien nur die Misshandlung von Schutzbefohlenen, Raub oder Freiheitsberaubung mit Todesfolge genannt. Trotz des ähnlichen Strafrahmens wie beim Wohnungseinbruch gibt es dort einen minderschweren Fall, an dem auch Bayern nicht rüttelt. Sogar bei Totschlag gibt es einen minderschweren Fall.

Das ist doch „narrisch“, um im Bayerischen zu bleiben, liebe CDU. Für die Täter vom Wohnungseinbruch gibt es keinen minderschweren Fall, bei Totschlag aber schon. Das ist Populismus pur.