Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Das ist doch „narrisch“, um im Bayerischen zu bleiben, liebe CDU. Für die Täter vom Wohnungseinbruch gibt es keinen minderschweren Fall, bei Totschlag aber schon. Das ist Populismus pur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Sven Krumbeck [PIRATEN])

Auf ähnlich dürftigem intellektuellen Fundament beruht Ihr Vorschlag, den Wohnungseinbruch in den Katalog von § 100 a StPO aufzunehmen. So soll die Möglichkeit der Telefonüberwachung für die Polizei eröffnet werden. Bei genauerer Betrachtung ist das eine unsinnige Scheinmaßnahme. Bandendiebstahl steht bereits im Katalog des § 100 a StPO. Somit ist in Fällen, in denen Banden Einbrüche begehen und dazu untereinander telefonieren,

(Simone Lange)

die Möglichkeit der TKÜ bereits gegeben. Also auch in diesem Fall wieder blinder Aktionismus!

Meine Damen und Herren, statt Stammtischgerede bleiben wir lieber bei den Maßnahmen gegen Wohnungseinbruch, die Innenminister Studt in der vorletzten Landtagstagung ausführlich vorgestellt hat. Vielen Dank noch einmal dafür.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie öffnen der Irrationalität Tor und Tür. Die Veröffentlichung der jüngsten polizeilichen Kriminalstatistik entsprach wohl so gar nicht der CDU-Erwartung, dass das Land unter der Küstenkoalition in Kriminalität und Chaos versinken würde. Egal, dachte der Landesfachausschuss Innenpolitik der CDU und sprach allen Ernstes von der großen Lücke zwischen erfasster und gefühlter Kriminalität. Ja wo kommen wir denn dahin, wenn auf einmal gefühlte Angst vor Kriminalität zum Maßstab unserer Politik werden soll!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Genau auf dieser Linie liegt auch Ihr zweiter Antrag. Munter schwadronieren Sie vom „Empfinden der Menschen im Land“, anstatt Sachargumente zu liefern. Ja wo leben wir denn! Erst erzeugen Sie mit Ihrer Kampagne gezielt ein Klima der Angst, und anschließend präsentieren Sie sich wahlkampfwirksam als Retter der bedrohten Menschen. Das ist ebenso durchschaubar wie gefährlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Für uns Grüne gilt: Mehr Sicherheit kann sinnvollerweise nur auf der sozialpolitischen Ebene erreicht werden. Statt härtere Bestrafungen zu fordern oder nach immer mehr Polizei zu rufen, sollte man grundsätzlich die Ursachen für Eigentums- und Vermögensdelikte in den Fokus rücken. Vieles spricht dafür, dass die seit Jahren wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit dabei eine gewichtige Rolle spielt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das rechtfertigt aber nicht Verbrechen!)

In keinem anderen EU-Land ist das Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. Die Reichsten, 0,1 % der Bevölkerung, besitzen über ein Viertel des Gesamtvermögens,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das erklärt Ein- bruchdiebstahl?)

die ärmere Hälfte der Bevölkerung dagegen nur 1 % des Gesamtvermögens. Mindestens 12,5 Mil

lionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Diese Schere geht immer drastischer auseinander. Noch dramatischer ist das Vermögensgefälle zwischen den EU-Ländern, was ja gerade bei den grenzüberschreitend operierenden Tätergruppen eine Rolle spielen dürfte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, hier sollte eine moderne Sicherheitspolitik ansetzen, bevor wir zu populistischen Maßnahmen greifen, wie von Ihnen vorgeschlagen. Wir lehnen den Antrag zu den Bürgerwehren ab. Den Antrag zum Wohnungseinbruchdiebstahl wollen wir im Innen- und Rechtsausschuss weiter erörtern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Uli König [PIRATEN])

Für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Peters, ich habe einem wesentlichen Teil Ihrer Rede nicht nur gelauscht, sondern voll zugestimmt, aber ich hoffe nicht, dass Sie mit Ihren Abschlussbemerkungen Wohnungseinbrüche dadurch rechtfertigen, dass die Einbrecherbanden aus Süd- und Osteuropa zur Vermögensumverteilung beitragen wollen. Das wäre doch ein bisschen weit hergeholt.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Heiterkeit und Unruhe)

Die aktuelle Kriminalitätsstatistik, die Innenminister Studt Anfang dieses Monats vorgestellt hat, hatte sowohl Licht als auch Schatten. Wir konnten erfreulicherweise erkennen, dass sich die Aufklärungsquote im Bereich der Wohnungseinbrüche im Vergleich zum Vorjahr leicht positiv entwickelt hat, von 10,2 auf jetzt 12,6 %.

Dennoch können wir noch lange nicht davon sprechen, dass es einen signifikanten Rückgang der Deliktzahlen im Bereich der Wohnungseinbrüche gibt. Wir sind - das musste der Innenminister einräumen - hier noch immer auf einem sehr hohen Niveau der Einbruchszahlen beziehungsweise einem geringen Niveau der Aufklärungsquote.

Vor diesem Hintergrund dürfen wir auch nicht damit rechnen, dass sich das Sicherheitsgefühl der Menschen in den besonders von Einbrüchen betrof

(Burkhard Peters)

fenen Gebieten wieder rasant steigert. An den Bürgerwehren, die sich in vielen Orten gebildet haben, ist leider abzulesen, wie groß die Verunsicherung und wie gering das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit der staatlichen Behörden mittlerweile ist. Wenn die Menschen das Gefühl haben, sie müssten zur Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit ihre eigenen Hände benutzen, dann kann etwas nicht stimmen. Denn das führt meistens dazu, dass wir am Ende weniger Recht und weniger Gerechtigkeit bekommen. Insofern stimme ich zumindest der Überschrift des einen CDU-Antrags, dass die Gewährleistung der Sicherheit Kernaufgabe des Staates bleiben muss, uneingeschränkt zu.

Herr Kollege Peters hat es zutreffenderweise ausgeführt: Um die Deliktzahlen zu reduzieren, ist Abschreckung vonnöten. Diese erreichen wir aber nicht, indem wir die Strafdrohung erhöhen. Wie wir wissen, schreckt die Aussicht auf die Todesstrafe Sie haben es gesagt - viele Menschen nicht davon ab, Morde zu begehen.

Das Unions-Argument, mit einer Erhöhung der Strafdrohung könne leichter auf Telekommunikationsüberwachung zugegriffen werden, ist per se kein Grund, diese Delikte in den Katalog der schweren Straftaten aufzunehmen. Das ist nicht der eigentliche Grund. Die Idee ist nicht, dass es das bei Banden schon gibt, sondern die Idee ist, wenn es die Vorratsdatenspeicherung gibt, Wohnungseinbrüche zu schweren Straftaten zu erklären, damit auch die Vorratsdatenspeicherung dafür genutzt werden kann. Die Idee ist also: Wir haben keine ordentliche Aufklärungsquote, deswegen machen wir uns Maßnahmen aus der Strafprozessordnung, die dafür eigentlich nicht gedacht sind, für diese Verfahren zu eigen. Dann könnte man demnächst alle Delikte zu schweren Straftaten erklären, um die Vorratsdatenspeicherung insgesamt anwenden zu können. Das ist der wahre Beweggrund, und darauf müssen wir immer hinweisen.

(Vereinzelter Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, eine angebliche Erleichterung der Strafverfolgung macht die Tat nicht grausamer oder brutaler. Vielmehr versuchen die Kollegen der Union, hier eine Scheinsicherheit aufzubauen. Denn wenn wir derzeit nicht einmal genug Personal haben, um die schon jetzt verfügbaren Informationen wirkungsvoll zusammenzutragen, dann werden wir uns mit noch mehr Daten nicht noch mehr Informationen beschaffen können, sondern im Gegenteil, eher weniger.

Wir haben es an dieser Stelle schon häufiger gefordert, Abschreckung im Bereich der Einbruchskriminalität lautet vielmehr: Erhöhung der Aufdeckungswahrscheinlichkeit durch mehr Polizisten vor Ort. Anders geht es nicht. Wenn die Einbrecher in einigen Landstrichen in Schleswig-Holstein damit rechnen können, dass sie bis zu 45 Minuten Zeit haben, bis die erste Polizeistreife eintrifft, dann machen wir es den Verbrechern schlicht zu leicht. Herr Innenminister, Sie wissen wie ich, dass es in Schleswig-Holstein einige Gegenden gibt, wo es nachts keine Nachtstreife mehr auf den Straßen gibt und manchmal Strecken von 40 oder 50 km zurückgelegt werden müssen, um die Streifen in einem Kreis von A nach B zu bringen. Das ist nicht gerade gut für die Aufdeckungswahrscheinlichkeit.

Wenn wir die Polizeipräsenz für alle sichtbar erhöhen können, werden die Menschen auch keinen Grund mehr haben, sich in Bürgerwehren zu organisieren. Dafür brauchen wir keine wissenschaftlichen Studien.

Ich finde den Antrag der Union an einer Stelle besonders lustig. Im Antrag Drucksache 18/2779 heißt es:

„Vor diesem Hintergrund nimmt der Landtag besorgt zur Kenntnis, dass in verschiedenen Regionen Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger ohne Eigeninitiative ihre Sicherheit nicht gewährleistet sehen. Besonders schwerwiegend ist das dahinterstehende Empfinden der Menschen im Land, dass der Staat als Inhaber des Gewaltmonopols seine Aufgabe, die Menschen vor Gefahren zu schützen, nicht mehr in ausreichender Weise wahrnimmt.“

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU] und Daniel Günther [CDU])

Das finde ich gut. Aber wenn ihr das schon wisst, was wir alle wissen, warum brauchen wir dafür dann noch eine wissenschaftliche Expertise, die ihr im letzten Absatz eures Antrags fordert?

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Das ist widersinnig. Entweder man weiß es - dann braucht man keine wissenschaftliche Expertise -, oder man weiß es nicht - dann muss man eine solche nicht fordern.

Wir lehnen den Antrag Drucksache 18/2815 aus innerer Überzeug ab, den Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer schweren Straftat zu erklären. Dem anderen Antrag könnten wir bedenkenlos - weil in

(Wolfgang Kubicki)

haltsleer - zustimmen, oder wir könnten ihn auch weiter beraten, Herr Kollege Peters.

Zum Schluss möchte ich noch auf eines hinweisen. Liebe Frau Kollegin Lange, die Aufgabe der Polizei besteht nicht nur darin, Kriminalität zu verfolgen, sondern im Rahmen der Gefahrenabwehr auch zu verhindern. Die Gefahrenabwehr geht übrigens weiter. Deshalb sagt die Kriminalitätsstatistik über die Belastungssituation von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort überhaupt nichts aus.

(Zuruf Simone Lange [SPD])

- Sie haben vorhin erklärt, wir könnten daran sehen, wo besondere Gefährdungslagen vorhanden seien, wo die Polizei besonders gefordert werde. Auch das Vorhandensein der Polizei bei Bundesligaspielen zur Vermeidung von Straftaten ist eine Belastung für die Polizei, die zunehmen wird. Demonstrationen werden zunehmen, die Gewaltbereitschaft von Menschen, die in Stadien gehen, wird zunehmen. Wie wir gerade in Frankfurt sehen, werden Demonstrationen richtig gewalttätig ausgeübt.

Ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht nur wir das sagen, dass nicht nur die Grünen auf Bundesebene das sagen, dass der Bundesinnenminister gerade festgestellt hat, mit einer Ausweitung der Bundespolizei im Einvernehmen mit den Ländern, dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir nicht weniger Polizei brauchen, als hätten wir in der Vergangenheit zu viel gehabt, sondern mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vor Ort brauchen, um der verstärkten Arbeitsbelastung und der veränderten Sicherheitslage Herr zu werden.

(Beifall FDP, CDU und Wolfgang Dudda [PIRATEN])

Kommen Sie bitte zum Ende.

Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident. - Alles andere bedeutet, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Gehen Sie deshalb noch einmal in sich, vielleicht für den Haushalt 2016, bei der Frage, ob es uns gemeinsam gelingen kann, die notwendigen Polizeistellen in Schleswig-Holstein zu gewährleisten und von Stellenstreichungen Abstand zu nehmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag „Wohnungseinbruchdiebstahl ist eine schwere Straftat“, mein Kollege Wolfgang Dudda wird auf den Antrag „Gewährleistung der Sicherheit muss Kernaufgabe des Staates bleiben“ eingehen.