Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Bereits im Herbst letzten Jahres haben Sie uns dies angekündigt und noch immer, so steht es im Bericht, sind Sie über die Planung nicht hinausgekommen. Wie immer bleibt alles unkonkret, unverbindlich und geht an der Realität vorbei.

(Beifall PIRATEN)

Fakt ist, die Flüchtlinge kommen häufig noch vor der Asylantragstellung in die Kreise, ihre Ankunft wird den Kommunen meist erst kurz vorher mitgeteilt. Die mir schon mehrfach geschilderten Herausforderungen, die Unterbringung und Betreuung, die diese Menschen mit sich bringt, leisten allein die Städte, Kreise und Gemeinden. Nicht zu vergessen

(Astrid Damerow)

sind die Mitarbeiter in den völlig überlasteten Gemeinschaftsunterkünften und in der Erstaufnahmeeinrichtung sowie - in wirklich überwältigender Art und Weise - die vielen ehrenamtlichen Helfer in unserem Land. Allen diesen Menschen drücke ich hier meinen ausdrücklichen Dank aus.

(Beifall CDU)

Sie alle geraten aber zunehmend an ihre Belastungsgrenzen und tragen in nicht unerheblicher Art und Weise die Verantwortung. Alles, was der Landesregierung zur Lösung dieser Probleme wirklich einfällt, ist, den Kommunen klarzumachen, wofür sie zuständig sind. Noch nicht einmal die 17 Millionen €, die Sie vom Bund erhalten haben, werden Sie vollständig an die Kommunen durchleiten.

Wir haben im letzten Monat eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten erhalten, der außer vielen warmen Worten und Absichtserklärungen keinerlei konkrete Unterstützung angeboten hat. Für den Monat Mai planen Sie einen Flüchtlingsgipfel. Auch dieser kommt viel zu spät. Seit eineinhalb Jahren beschäftigen wir uns mit diesem Thema. Seit gestern ist nun das ganz neue Credo, an allem sei der Bund schuld, weil er nicht die richtigen Zahlen veröffentliche.

(Zuruf Minister Stefan Studt)

- Herr Studt, ich verstehe nicht, selbst wenn Ihnen der Bund jetzt sagt, es werden eine Million Flüchtlinge und Sie gehen von 20.000 Flüchtlingen aus, dann planen Sie doch einmal für die 20.000. Aber Sie kommen hier nicht weiter!

(Beifall CDU)

Im Übrigen hat der Bund bereits mit der Aufstockung der Mitarbeiter für das BAMF reagiert. Warum das nicht so schnell geht, haben Sie am Beispiel Boostedt selbst erlebt. Es ist nicht so einfach, genügend Menschen zu finden, die das wahrnehmen können.

Ja, noch einmal: Hier hätte man früher anfangen können.

(Zurufe SPD)

Im Übrigen hat der Bund für die nächsten zwei Jahre den Ländern jeweils 5 Millionen € Unterstützung zugesagt und hat in derselben Vereinbarung ebenfalls zugesagt, weitere Unterstützung wird in den künftigen Bund-Länder-Finanzverhandlungen besprochen. Sie, die Landesregierung, hat diese Vereinbarung selbst mit unterzeichnet.

Ich hätte von Ihnen heute gerne wenigstens einmal erfahren, wie Sie diese 4.000 Erstaufnahmeplätze bereitstellen wollen. Es hätte mich auch gefreut einmal zu hören, wie weit Sie mit dem Projekt Flüchtlingsunterbringung auf dem Gelände der Universitäten und Fachhochschulen sind. Wo sind die konkreten Zusagen Kiels, Lübecks, von Heide und Flensburg? Gestern Abend haben wir im „Schleswig-Holstein-Magazin“ gehört, dass die Universitäten Unterbringungsprobleme für ihre Studenten haben. Ich frage mich, wie Sie diese Enden zusammenbringen wollen.

Welche Zeitvorstellung haben Sie denn, bis die Flüchtlinge endlich wieder sechs Wochen lang in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben können? Denn damit, und das wissen Sie sehr genau, steht und fällt alles, was wir hier im Land im Bereich der Integrationsmaßnahmen tun. Solange die Landesregierung es nicht schafft, eine Verweildauer von sechs Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung sicherzustellen, solange werden in den Kommunen die Menschen gar keine Zeit haben, über Integrationsmaßnahmen nachzudenken, geschweige denn sie umzusetzen. Auf all diese Dinge warten wir. Deshalb haben wir übrigens einstimmig vor eineinhalb Jahren ein Konzept gefordert, das Sie bis heute verweigern. Das halte ich für eine Missachtung des Landtages.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gelingende Aufnahme und Integration der Flüchtlinge ist eine Querschnittsaufgabe, das ist uns allen bewusst. Das wird auch im Bericht zur humanitären Flüchtlingspolitik sehr deutlich. Das hat jetzt endlich auch die Landesregierung erkannt und seit Kurzem eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Das begrüßen wir sehr. Die Diskussionen in den letzten Wochen haben gezeigt, dass auch hier häufig die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut.

(Lars Harms [SSW]: Das liegt aber an der rechten Hand!)

Diese Arbeitsgruppe ist im Übrigen auf Regierungsebene das ideale Gegenstück zu dem von uns beantragten Ausschuss für Flüchtlings- und Integrationspolitik.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Wir fordern diesen Ausschuss, weil wir meinen, dass der Innen- und Rechtsausschuss diese Themen aufgrund der Fülle seiner sonstigen Aufgaben nur schwer in der notwendigen Tiefe behandeln kann.

(Astrid Damerow)

Hier würde die Möglichkeit geschaffen, diesen Ausschuss auch mit anderen Fachpolitikern zu besetzen. Wir meinen, dass die Einrichtung eines solchen Ausschusses auch ein wichtiges Signal dafür ist, dass die Flüchtlingspolitik im Schleswig-Holsteinischen Landtag ein zentraler politischer Punkt ist. Deshalb werbe ich hier noch einmal eindringlich auch bei den Kollegen der Regierungsfraktionen um Zustimmung für unseren Antrag.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Zur Behandlung der Berichte und dieses Antrags schlägt meine Fraktion vor, alle drei Berichte an den Innenausschuss und den Bericht über die unbegleitenden minderjährigen Flüchtlinge an den Sozialausschuss und an den Bildungsausschuss zu überweisen. Hinsichtlich des Antrags für den Ausschuss zur Flüchtlings- und Integrationspolitik bitten wir um Abstimmung in der Sache. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erstmal vielen Dank, Kollegin Astrid Damerow, für diese sehr, sehr engagierte Rede zu den Flüchtlingen. Ich glaube, vor vielen Jahren hätten wir von der CDU-Fraktion nicht so eine Rede dazu gehört. Deswegen herzlichen Glückwunsch dazu, auch wenn es den einen oder anderen Punkt gibt, den ich hier jetzt leider klarstellen muss. Aber in der Sache muss man ja schon sagen, dass es hier in erster Linie auch um die Menschen ging.

(Beifall SPD, Barbara Ostmeier [CDU] und Flemming Meyer [SSW])

Zunächst einmal möchte auch ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass hier vier Tagesordnungspunkte mit den unterschiedlichsten Themen miteinander vermengt wurden. Das „F“ für Flüchtlinge war wohl hierfür der Hintergrund. Nun denn!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Innenund Rechtsausschuss -

(Zurufe)

- Heftige Kritik am Ältestenrat; diese heftige Kritik habe ich auch schon bei meinem Fraktionsvorsitzenden zum Ausdruck gebracht.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das ist sehr rich- tig gewesen!)

- Ja, das haben Sie aber gar nicht mitbekommen. Der Innen- und Rechtsausschuss ist der Ausschuss, in dem fast jede Woche - die Betonung liegt hier auf: fast jede Woche - Flüchtlingsthemen auf der Tagesordnung stehen. Dies Beratungen werden mit viel Sorgfalt, aktueller und guter Beratung unter der Leitung der Ausschussvorsitzenden, Frau Barbara Ostmeier, geführt.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das finde ich gut!)

- Das finde ich auch.

(Beifall FDP und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

In dem Antrag von CDU und PIRATEN gehen Sie darauf ein, dass es sich hier um ein Querschnittsthema handelt.

Daher sind wir der Meinung, dass diese Querschnittsthemen auch nicht nur in einem einzigen gesonderten Ausschuss, der dann nur einmal im Monat tagt, beraten werden sollen, sondern diesen Querschnittsaufgaben können wir nur gerecht werden, wenn der Sozialausschuss die soziale, der Bildungsausschuss die bildungspolitische und der Europaausschuss die europäische Dimension zur Flüchtlingspolitik berät und somit die Fachsprecher zu den bestmöglichen Ergebnissen gelangen.

(Beifall SPD, FDP, SSW und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Angebot eines ständigen Tagesordnungspunkts am Anfang jeder Innen- und Rechtsausschusssitzung haben wir Ihnen bereits gemacht, und zu diesem Angebot stehen SPD, Grüne und SSW auch weiterhin. Das sollte eigentlich auch in Ihrem Interesse sein.

Kommen wir nun zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Hier hätte ich mir ausdrücklich gewünscht, dass die Jugendministerin Kristin Alheit dazu spricht. Aus ihrem Haus stammt auch der Bericht, für den ich mich recht herzlich bedanken möchte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten handelt es sich nämlich in erster Linie um Ju

(Astrid Damerow)

gendliche. Diese Jugendlichen stehen unter dem Schutz des Kinder- und Jugendschutzgesetzes. Das ist auch richtig so. Der Aufenthaltsstatus darf nicht über den Schutz und die Förderung von Jugendlichen entscheiden. Das ist aber leider immer noch so.

Ich möchte gern auf einen Punkt eingehen, der dies deutlich macht, das ist die medizinische Versorgung. Es kann nicht sein, dass Kinder und Jugendliche, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, nur eine Notversorgung erhalten. Das geht gar nicht, und schon gar nicht, wenn es sich hierbei um schwer traumatisierte Kinder und Jugendliche handelt.

(Beifall SPD, Dr. Andreas Tietze [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Mey- er [SSW])