Die nächste Deichlinie war die Ermöglichung eines nationalen Anbauverbots. Das war das Trostpflaster, das hingeworfen wurde. Es ist demokratietheoretisch eigentlich selbstverständlich, dass wir politisch bestimmen können, was wir anbauen wollen und was nicht. Wir orientieren uns am Mehrheitswillen der Bevölkerung.
- Herr Dr. Klug, stellen Sie mir doch eine Zwischenfrage, wenn Sie so interessiert an dem Thema sind.
Sicherstellen sollte das die entsprechende EURichtlinie. Ein Verbot darf nicht willkürlich sein. Man braucht dafür eine Rechtsgrundlage, das heißt zwingende Verbotsgründe.
Dann brach die nächste Deichlinie. Statt des Umweltrechts sollte plötzlich das Binnenmarktrecht Anwendung finden.
Die meisten Argumente gegen die Zulassung von Gentechnik in der Landwirtschaft haben ihren Ursprung nicht im Binnenmarktrecht; man hört eigentlich nicht, Gentechnik verhindere Freihandel. Daher ist vollkommen klar, dass diese EU-Richtlinie weiße Salbe ist. Insofern hat sich die Kommission, gestützt durch die Bundesregierung, schlicht und ergreifend durchgesetzt.
Es ist vollkommen klar: Unter Freihandelsaspekten ist jedes Anbau- und Vertriebsverbot ein Handelshemmnis. Mit anderen Worten, es ist schwierig, für ein Verbot eine Rechtsgrundlage zu finden. Das weiß auch der Bundeslandwirtschaftsminister, Herr Kollege Rickers. Deshalb scheut er davor zurück, es selbst zu entscheiden. Er weiß genau, dass dann der „Trick“ auffliegt, da die EU-Richtlinie höchstwahrscheinlich nicht dazu dient, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen rechtssicher zu verbieten. Damit ist die nächste Deichlinie gebrochen.
Nun schlägt der Bundeslandwirtschaftsminister mit Verweis auf die bessere Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten eine Verlagerung der Entscheidung von Anbauverboten auf die Länder vor. „Vigelinsch“ würde der Norddeutsche dazu sagen: Erst ermöglicht die Bundesregierung den Anbau. Dann setzt die der Regierung nahestehende Kommission
gegen den Willen des EU-Parlaments! - ein relativ zahnloses Instrument im Kampf gegen GVO durch, indem sie sich auf Binnenmarktrecht stützt. Nunmehr sollen sich die Länder in Grabenkämpfen mit milliardenschweren multinationalen Konzernen verschleißen; sie würden höchstwahrscheinlich verlieren. Der Schwarze Peter landete bei denen, die das die ganze Zeit nicht gewollt haben, nämlich bei der Mehrheit der Länder. Darum geht es. Das ist die ganze Geschichte.
Es gibt übrigens durchaus einen Unterschied zum Fracking, das immer auf ein Bundesland lokalisiert ist.
- Bei gentechnisch veränderten Pflanzen ist nichts zu lokalisieren; sonst hätten wir nicht so viele Probleme mit eingeschleppter Flora und Fauna im nicht gentechnischen Bereich. Das wissen Sie doch besser als ich, Herr Rickers. Abgesehen davon wäre das nicht rechtssicher. Wie wollen Sie ein Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen in Rheinland-Pfalz begründen, wenn der Anbau in Hessen zugelassen wird? Das würde Ihnen vor Gericht sofort um die Ohren fliegen.
So? Das ist überhaupt kein Problem. Vielen Dank für den Hinweis. - Das ist auch gar kein Deich mehr gewesen, der aufgebaut worden ist. Zum Schluss blieben nur noch Hochwasserwände, die noch dazu lückenhaft sind.
Ja, ich komme zum letzten Satz. - Lückenhafte Hochwasserwände führen zu feuchten Füßen, nicht aber zu einem Schutz vor der Flut. Deshalb versuchen wir, die Lücke zu schließen. Viel Hoffnung habe ich nicht. Ich bitte dennoch um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich als Marschbewohner und küstenschutzpolitischer Sprecher meiner Fraktion auch zum Thema „gebrochene Deichlinien“ sprechen darf.
Die Koalition beklagt sich über einen möglichen Flickenteppich beim Gentechnik-Opt-Out; das hat Herr Dr. Dolgner noch einmal eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist zwar nicht lokal zu begrenzen. Aber bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass wir schon einen Flickenteppich haben, und zwar auf EU-Ebene. Da die Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, haben wir einen EU-weiten Flickenteppich. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Die Kanzlerin hat sich zwar enthalten; das ändert nichts an dem zuvor festgestellten Zustand.
Der Kompromiss auf EU-Ebene ist aus meiner Sicht akzeptabel und schafft auch eine gewisse Rechtssicherheit. Aber binnenmarktfreundlich ist das aufgrund dieses Flickenteppichs überhaupt nicht.
Der EU-Kompromiss erlaubt es nicht, auf nationaler Ebene ein Gesetz zu verabschieden, das den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland pauschal verbietet. Die Opt-Out-Maßnahmen müssen mit EU-Recht in Einklang stehen und verhältnismäßig sein. Für ein Verbot müssen zwingende Gründe vorliegen. Insofern bezweifele ich stark, ob der Antrag der Koalition wirklich durchträgt. In Ihrem Antrag heißt es konkret:
„Der Landtag bittet die Landesregierung, sich insbesondere dafür einzusetzen, dass bundesweite Anbauverbote für alle in der EU zugelassenen GVO durch den Bund erlassen … werden.“
Ich weiß nicht, ob das wirklich durchträgt. Für die sogenannte Länderklausel gibt es durchaus Gründe. Diese will ich mir nicht zu eigen machen. Aber wie hat denn der Bundeslandwirtschaftsminister argumentiert? Er sagte zum Beispiel, dass man auf regionale Gegebenheiten Rücksicht nehmen und auf
regionale Zahlen zugreifen müsse. Angesichts des föderalen Aufbaus Deutschlands sieht er es als richtig an, diese Frage auf Länderebene zu klären - wie es schon beim Wasserschutz und bei der Ausweisung von FFH-Gebieten der Fall ist.
Herr Kollege Kumbartzky, kennen Sie eine Rechtsvorschrift, die es dem Bund verbietet, ähnlich wie bei den Wasserstraßen oder im geologischen Bereich - Bergbauämter sind Bundesämter - die regionalen Gegebenheiten zur Kenntnis und eventuell sogar die Amtshilfe der Landesregierung in Anspruch zu nehmen? Teilweise ist diese Aufgabenverteilung sogar gesetzlich geregelt. Ist Ihnen bewusst, dass wir in Deutschland einen Unterschied machen zwischen dem Agieren der Verwaltung und demjenigen, der das politisch verantwortet? Ich nenne nur das Stichwort „Auftragsverwaltung“. Würden Sie mir unter dem Aspekt zustimmen, dass das Argument von Herrn Schmidt, er kenne die regionalen Gegebenheiten nicht, nur vorgeschoben ist? Das würde zwar das Verhalten des Bundesverkehrsministers erklären; aber ich habe gehofft, dass sich das nicht allgemein im Kabinett ausgebreiten würde.
- Ich habe bewusst darauf hingewiesen, dass ich mir das nicht zu eigen mache. Aber wir müssen uns die Argumente anschauen und uns mit ihnen auseinandersetzen. Natürlich haben Sie recht, Herr Dr. Dolgner - wie eigentlich fast immer.
Meine Damen und Herren, gerade über die Gentechnik werden die Debatten - das kennen wir - oftmals hoch emotional geführt. Es gibt durchaus eine gewisse Grundskepsis gegen die Forschung auf diesem Gebiet. So wurde auch ohne wissenschaftliche Grundlage, wie ich eingangs sagte, eine Grundfreiheit im EU-Binnenmarkt infrage gestellt. Statt immer neue Verbote zu erlassen, sollte den Bürgern auch einmal die Möglichkeit gegeben werden, sich umfassend zu informieren. Dann können die Ver
Das bringt mich zu folgender Fragestellung - der Kollege Rickers hat ja schon auf die Petition hingewiesen, die jetzt gestartet wurde -: Warum gibt es noch kein Gesetz, wonach auf Produktverpackungen von Lebens-, Arznei-, Futter-, Reinigungs- und Waschmitteln, von Textilien und anderen Produkten klar zu kennzeichnen ist, dass bei deren Herstellung und Weiterverarbeitung gentechnologische Verfahren eingesetzt wurden? Warum gibt es solch ein Gesetz noch nicht? Bei aller Kritik an der Gentechnik sollte es doch möglich gemacht werden, dem Verbraucher transparent aufzuzeigen, wo Gentechnik eingesetzt wurde. Denn so würden die Verbraucher wirkliche Wahlfreiheit erhalten, meine Damen und Herren.
Vielen Verbrauchern ist gar nicht klar, wie sehr Gentechnik schon jetzt im täglichen Leben vorhanden ist.
Ich war guter Dinge, dass zumindest ein erster Schritt getan wird, was die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Tierprodukten angeht. Das wurde im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene festgeschrieben. Nun wundere ich mich, dass heute, gerade vor wenigen Minuten, bei „Spiegel ONLINE“ die große Meldung kommt, dass der Bundeslandwirtschaftsminister zurückrudert und die Forderung aus dem Koalitionsvertrag nach Kennzeichnung von genveränderten Tierprodukten sang- und klanglos, geräuschlos, einfach wegfallen lässt. Da erwarte ich gerade auch von der SPD in Schleswig-Holstein ein klares Machtwort, dass das nicht passiert und der Koalitionsvertrag an dieser Stelle wirklich eingehalten wird.
Herr Abgeordneter Kumbartzky, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?
Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie die Parteizugehörigkeit des Bundeslandwirtschaftsministers kennen und an der Stelle nicht vielleicht einer Buchstabenverwechslung unterliegen. Das könnte ja
sein. Müsste das Machtwort nicht auch eher gegenüber den Kollegen von der CDU-Fraktion ausgesprochen werden? Die Kennzeichnungspflicht ist im Übrigen zwischen Liberalen und Sozialdemokraten im Europaparlament völlig unstrittig. Aber Sie wissen ja auch, welche Fraktionen das verhindert haben. Das könnten Sie an der Stelle vielleicht auch einmal erklären.