ternationaler und auf europäischer Ebene, aber speziell auch eine innenpolitische Herausforderung für uns in Deutschland. Was sich wenige Flugstunden von uns entfernt abspielt, ist eine Katastrophe. Menschen fliehen vor Tod, Misshandlung und Unterdrückung. Wir wissen um die Tragödien im Mittelmeer; der Opfer haben wir vorhin gedacht. Die Bilder, die uns erreichen, sind schockierend, ja entsetzlich. Wir müssen feststellen, dass die bisherigen Maßnahmen leider nicht den Erfolg gebracht haben, den wir erwartet hatten.
Deshalb begrüßen wir es sehr, dass der Europäische Rat im April und die Europäische Kommission in der vergangenen Woche Vorschläge zur Bewältigung dieser Probleme unterbreitet haben. Diese gehen wesentlich weiter als all das, was bisher auf europäischer Ebene angedacht worden war. Hintergrund ist die richtige Erkenntnis, dass Einzelmaßnahmen nicht ausreichen, sondern dass wir ein Paket aus kurzfristigen und mittelfristigen Maßnahmen brauchen, um langfristig Änderungen herbeizuführen.
Es ist richtig, dass die Mittel für die Seenotrettung deutlich erhöht werden. Ebenso ist es richtig, dass unsere Bundesmarine an diesen Einsätzen beteiligt ist. Das ist heute in den „Kieler Nachrichten“ nachzulesen. Ich finde, auch das muss erwähnt werden. Auf diese Weise ist es möglich, schnelle Hilfe im Mittelmeer zu leisten - jetzt und heute.
Natürlich darf sich Europa nicht vom Elend der Menschen, die vor Krieg und politischer Verfolgung nach Europa flüchten, abschotten. Allerdings dürfen wir hieraus nicht schließen, dass der Zugang nach Europa uneingeschränkt geöffnet werden sollte. Der Schutz der Außengrenzen in einem Europa ohne Grenzen ist für uns unabdingbar.
Würden wir unsere europäischen Außengrenzen nicht länger schützen, bekämen wir sofort innereuropäische Grenzschutzmaßnahmen. Wollen wir das? - Ich denke nicht.
Klar ist auch: Schleuser, die aus Profitgier die Not und die Hoffnung von Menschen ausnutzen, sind Verbrecher. Insoweit finde ich den Begriff „Fluchthelfer“ völlig verzerrend. Gegen diese Kriminellen müssen und werden Maßnahmen ergriffen werden.
Gleichzeitig werden die Ressourcen und Kapazitäten der gemeinsamen Frontex-Missionen „Triton“ und „Poseidon“ deutlich aufgestockt. Dies ermög
Ebenso entscheidend wird in den nächsten Jahren die solidarische Verteilung der Flüchtlinge in Europa sein. Hierzu gibt es bereits Diskussionsansätze; weitere werden in den nächsten Monaten folgen. Langfristig wird es keine Alternative zu einem europaweiten solidarischen Verteilmechanismus geben.
Ich begrüße es außerordentlich, dass die EU-Außenbeauftragte Mogherini diese Diskussion angestoßen hat. Das war mehr als notwendig. Wir alle haben darüber in diesem Parlament schon mehrfach gesprochen.
Man wird sich auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, in welchen Fällen Asylanträge aus dem Ausland heraus gestellt werden können. Ein solches Modell kann aber nur greifen, wenn es endlich eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik mit gemeinsamen Standards gibt. Insoweit haben wir noch einen weiten Weg vor uns.
Inwieweit die umfangreichen Vorschläge von Rat und Kommission umgesetzt werden können, werden die Beratungen der Regierungschefs Mitte Juni zeigen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wissen sehr genau, dass nicht Deutschland das Land ist, das insoweit die größten Probleme bereitet, sondern es sind andere Länder in der EU, die endlich ihrer Aufgabe gerecht werden und Solidarität zeigen müssen. Das darf man an dieser Stelle sicherlich auch einmal laut und deutlich sagen.
Die Vorschläge zur Schlepperbekämpfung sind erst am Anfang. Wir alle wissen um die großen Probleme, die insoweit noch zu bewältigen sind. Da geht es sowohl um Fragen des internationalen Rechts als auch um ein mögliches UN-Mandat. Die mehr als schwierigen Verhältnisse in Ländern wie Libyen sind dabei zu berücksichtigen.
Die Anträge der Koalition und der PIRATEN haben uns etwas verwundert, bleiben sie doch hinter der aktuellen Lage zurück, was wir sehr bedauern. Wir hatten deshalb vorgeschlagen, sie in den Ausschuss zu überweisen; das ist in den Vorgesprächen abgelehnt worden. Deshalb haben wir unseren Änderungsantrag vorgelegt, in dem wir besonders auf die aktuellen Entwicklungen eingehen. Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich bin mir sehr sicher, dass wir über dieses Thema in Zukunft noch sehr häufig diskutieren werden. In Bezug auf das Engagement Deutschlands und Europas ist sicherlich nicht alles perfekt, und wir können vieles noch besser machen. Aber ich finde es anstrengend, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass wir in Deutschland nicht ganz auf der Höhe der Zeit seien, was die Flüchtlingspolitik und unser Engagement innerhalb Europas anbelangt. Wir stehen im Vergleich zu anderen europäischen Staaten recht gut da. Das soll nicht bedeuten, dass wir nicht noch besser werden könnten.
Aber ich finde, auch unsere Verdienste darf man hier schon einmal deutlich machen. Wir als deutscher Staat müssen uns hier nicht verstecken. Ich hoffe sehr, dass andere Länder in Zukunft eine ebensolche Solidarität zeigen werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt die Fraktionsvorsitzende, Frau Eka von Kalben, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Europa ist aufgewacht, mal wieder. Aber aus unserer Sicht ist Europa immer noch gelähmt. Es ist gut, dass wir heute auch hier im Haus noch einmal deutlich gemacht haben, dass uns das Thema wichtig ist, obwohl es ein europapolitisches Thema ist - oder vielleicht gerade deswegen. Ich danke allen, die zugestimmt haben, dass wir dazu eine Schweigeminute durchführen, wohl wissend, dass es zurzeit in der Welt auch andere Brennpunkte gibt, derer man ebenfalls gedenken könnte.
Die Bilder im Mittelmeer sind schrecklich. Ja, das stimmt. Aber sie sind im Grunde nur das Ende eines ganz anderen Films, nämlich das Ende für die Menschen, die sich aus ihren Herkunftsländern aufmachen, weil dort Krieg, Terror, Armut, Unterdrückung oder Diskriminierung herrschen.
Deshalb muss man, so finde ich, immer wieder deutlich machen, dass die Diskussion in Europa im Moment eigentlich eine absurde Diskussion ist. Wir diskutieren im Grunde eine Art Mann-über-BordManöver. Flüchtlinge werden in Seenot gebracht, weil sie keine andere Möglichkeit haben, nach Europa zu kommen. Es entsteht eine Seenotsituati
on. Dann werden sie von europäischen Einrichtungen gerettet, weil man das wiederum - Gott sei Dank - auch nicht zulassen will. Diese Situation ist vollkommen absurd und unmenschlich.
Diejenigen, die diese ganze Aktion begleiten, die sogenannten Schlepper, die die Menschen sicherlich zum ganz großen Teil unwürdig behandeln, viel Geld fordern und sicherlich zum großen Teil Kriminelle sind, sind aber auch Menschen, die selber ein hohes Risiko eingehen. Darunter sind auch Menschen, die als die letzte Chance für diese Flüchtlinge wahrgenommen werden, überhaupt aus ihrer ausweglosen Situation zum Beispiel in afrikanischen Lagern herauszukommen.
(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch jetzt nicht Ihr Ernst?)
Insofern gab es durchaus historische Situationen, auch bei uns im Land, in denen Menschen, die anderen Menschen zur Flucht verholfen haben, als Fluchthelfer bezeichnet wurden.
Ich stehe dazu, dass es auch in diesem Falle Menschen gibt, die den Menschen zur Flucht verhelfen. Das ist nicht nur zu stigmatisieren und zu kriminalisieren.
Wir müssen legale Zugangswege schaffen - das ist eine Grundvoraussetzung -, damit dieser absurden Situation, der Seenotsituation, ein Ende gesetzt werden kann. Ja, ich gebe zu, es gibt, wenn wir die Grenzen öffnen, eine Problematik: Wo setzen wir dann die Grenzen?
Frau von Kalben, ich hoffe, dass ich Sie falsch verstanden habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie glauben, dass Menschen, die andere Menschen zu einem horrenden Preis und in dem sicheren Bewusstsein, dass sie das andere Ufer nicht erreichen werden, auf nicht seetüchtige Schiffe bringen, diesen Menschen zur Flucht verhelfen wollen. Das sind Menschen, die den Tod von Menschen bewusst in Kauf nehmen. Wir würden bei uns sagen: Das sind hochkriminelle Verbrecher und keine Menschen, die wir akzeptieren können.
Ich habe gesagt, dass Menschen, die anderen Menschen zur Flucht verhelfen, durchaus auch als Fluchthelfer bezeichnet werden können und dass es historische Situationen gab, in denen Menschen ebenfalls auf sehr gefährlichem Weg eine Flucht gewagt haben und in denen das so bezeichnet wurde.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es kann nicht wahr sein, dass Sie Fluchthelfer des Dritten Reiches mit solchen Menschen vergleichen! Das sind Kriminelle!)
Ich denke, es ist auch gut, wenn in solch einer Debatte nicht nur die große Einigkeit deutlich wird, dass wir humanitär handeln wollen, sondern dass es durchaus auch Unterschiede in der Debatte darüber geben kann, wie man Dinge einschätzt.
Meine Damen und Herren, unabhängig davon, wie hoch wir eine Quote für eine legale Einreise setzen, sind wir, meine ich, mindestens in dem Punkt einig, dass es eine absurde Situation ist, Menschen in Seenot zu bringen - egal ob von Kriminellen oder nicht Kriminellen -, um sie dann aus dem Wasser zu ziehen. Ich hoffe, dass wir uns in diesem Punkt einig sind und auch darin, dass wir stattdessen legale Zugangswege brauchen.
Wenn wir diese schaffen, müssen wir aber auch so ehrlich sein, dass wir in diesem Punkt priorisieren müssen. Auch dann werden vermutlich mehr Menschen nach Europa kommen wollen, als wir hier aufnehmen können, und zwar Menschen, die aus unterschiedlichen Bedürfnissen hierher fliehen und unter Umständen als unterschiedlich nützlich wahrgenommen werden. Wir sind aber der Meinung, dass wir mehr tun wollen, obwohl es vielleicht ungerecht ist.
Ja, es ist richtig: Wir müssen schauen, dass die Verantwortung in ganz Europa wahrgenommen wird. Auch das unterstützen wir. Aber das heißt nicht, dass wir deshalb sagen können: Wir in Deutschland nehmen unsere Verantwortung nicht wahr. Frau Damerow, Sie haben völlig recht, Deutschland nimmt seine Aufgabe verantwortungsvoll wahr. Aber Sie dürfen nicht nur den Vergleich mit anderen europäischen Ländern ziehen, sondern Sie müssen dann auch einen weltweiten Vergleich ziehen. Angesichts der Verantwortung, die zum Beispiel die Anrainerländer von Syrien wahrnehmen, ist unser Beitrag, denke ich, durchaus noch akzeptabel.
Meine Damen und Herren, es wird immer gesagt, wir müssten vor Ort helfen. Das ist richtig. Natürlich brauchen wir langfristige Perspektiven. Ich unterstütze auch die Aussagen von Herrn Stegner zu diesem Punkt. Trotzdem ist es so, dass sich Menschen auf den Weg gemacht haben und zurzeit viele Menschen in Afrika sind, denen diese Aussage nicht helfen wird. Es wird ihnen nicht helfen, wenn wir sagen, wir brauchen langfristige Perspektiven. Wir müssen jetzt etwas tun und können nicht warten, bis mehr Seenotsituationen entstehen.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich geworden, warum wir als Koalitionsfraktionen uns eine Abstimmung in der Sache wünschen. Es gibt bei aller Einigkeit deutliche Unterschiede. Insofern freue ich mich, wenn wir über diesen Antrag in der Sache abstimmen. - Danke sehr.