Meine Damen und Herren, ich denke, es ist deutlich geworden, warum wir als Koalitionsfraktionen uns eine Abstimmung in der Sache wünschen. Es gibt bei aller Einigkeit deutliche Unterschiede. Insofern freue ich mich, wenn wir über diesen Antrag in der Sache abstimmen. - Danke sehr.
Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir einen nicht so häufigen Gast. Unter uns auf der Tribüne ist Carsten Köthe, der sich mit vielen sozialen Projekten einen Namen gemacht hat. Ich denke, wir sollten ihn herzlich begrüßen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ziele, die man zusammenfassend als das Idealbild einer neu ausgerichteten Flüchtlingspolitik der Europäischen Union bezeichnen kann. Das ist sehr ehrenwert.
Die ersten Reaktionen auf den kürzlich von der Brüsseler EU-Kommission unterbreiteten Vorschlag für eine solche neue EU-Flüchtlingspolitik haben aber auch mit aller Deutlichkeit gezeigt, wie weit wir noch von einer solchen Neuorientierung entfernt sind, nämlich sehr weit.
Man kann es auch drastischer formulieren. Der Antrag beschreibt ein Ideal, das sich aller Voraussicht nach, jedenfalls in absehbarer Zeit, nicht verwirklichen lässt. Es ist also ein Antrag, der vielleicht nichts bewirken wird, außer dass er seinen Autoren ein gutes Gewissen verschafft. Das wäre die ganz pessimistische Variante.
Eine etwas weniger pessimistische Prognose könnte darauf hinauslaufen, dass die proklamierten Ideallösungen zumindest dazu beitragen, geringe Fortschritte zu erreichen - damit wäre auch schon eine Verbesserung verwirklicht -, zum Beispiel Beschlüsse wie der vom Krisengipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs vereinbarte Ausbau der Kapazitäten speziell für die Seenotrettung. Aber ich möchte auch betonen, dass es dabei leider nicht dazu gekommen ist, dass man wieder zu der im Herbst letzten Jahres mangels europäischer Unterstützung eingestellten italienischen Mare-Nostrum-Initiative zurückgekehrt ist.
Ich finde, das ist eine bittere Erkenntnis. Sie ist schlimm vor allem für die Menschen, deren Leben auf den Fluchtwegen nach Europa in höchster Gefahr ist. Schlimm ist sie aber auch für all jene, die vom vereinten Europa mehr erwarten, als es absehbar zustande bringen wird.
Der Vorschlag der EU-Kommission, anerkannte Flüchtlinge gerecht über die gesamte Europäische Union zu verteilen, hätte sicher bereits früher eingebracht werden müssen. Aber er ist gleichwohl richtig. Es ist geradezu aberwitzig, dass dieser Vorschlag aus Brüssel postwendend unter anderem von solchen größeren Mitgliedsländern der EU abgelehnt wurde, die durch ihre Politik in der Vergangenheit nicht wenig zu der aktuellen Flüchtlingswelle von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa beigetragen haben.
Meine Damen und Herren, die militärische Intervention Großbritanniens und Frankreichs im libyschen Bürgerkrieg hat zwar seinerzeit den Sturz der
Gaddafi-Diktatur befördert. Aber statt daraufhin neue, stabile staatliche Strukturen zu schaffen, ist aus Libyen in der Folgezeit ein vollkommen zerrütteter Failed State geworden. Dort florieren mittlerweile Geschäftsmodelle wie Schutzgelderpressung und die brutale Ausbeutung von Menschen, die durch diese Region über das Mittelmeer nach Europa flüchten wollen - unter Inkaufnahme vieler Todesopfer, die dabei zu beklagen sind.
Die Mitgliedsländer der EU werden das Flüchtlingsproblem bei noch so gutem Willen nicht vernünftig lösen können, wenn sie sich nicht auch mit ganz anderem Nachdruck als bisher mit der Aufgabe auseinandersetzen, in dieser Region zum Aufbau einer neuen, stabilen Ordnung beizutragen.
Falls Europa dies nicht gelingt, wird die katastrophale Entwicklung der vergangenen Monate nicht enden. Ich fürchte sogar, dass wir dann vielleicht noch Schlimmeres erleben werden. Ich bin sicher, dass allein der aktuelle Vorstoß der Außenbeauftragten Mogherini, ein UN-Mandat für einen robusten Militäreinsatz gegen Schlepper zu erreichen, die EU nicht zu ihrem Ziel bringen wird. Das reicht nach meiner festen Überzeugung definitiv nicht aus.
Herr Abgeordneter Dr. Klug, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?
Herr Kollege Dr. Klug, ist nicht das Beispiel, das Sie eben zu Recht aufgeführt haben und wofür es Beifall in diesem Haus gegeben hat, ein Beleg dafür, dass einem gar nichts anderes übrig bleibt als genau das, was Sie am Anfang etwas kritisch angemerkt haben, nämlich auf der einen Seite für praktische Fortschritte zu sorgen, seien sie noch so klein, und auf der anderen Seite die größeren Ziele, die man braucht, um das eigentliche Problem zu lösen, mit großem Nachdruck zu verfolgen? Das war ja eigentlich eben auch Ihr Argument.
Es ging mir nur darum, darauf hinzuweisen, dass dies Idealvorstellungen sind, die leider in der politischen Realität dieses real existierenden EU-Europas keine realistische Verwirklichungschance haben. Ich glaube, wir müssen der Öffentlichkeit da reinen Wein einschenken und dürfen den Leuten keine falschen Hoffnungen machen. - Danke.
Meine Damen und Herren, auf der Besuchertribüne darf ich jetzt herzlich Frau Pastorin Claudia Bruweleit, die Landeskirchliche Beauftrage der Nordkirche für Schleswig-Holstein, begrüßen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Anfang habe ich mir überlegt: Warum gab es eigentlich nicht schon 2013 eine Schweigeminute, als Hunderte vor Lampedusa ertranken? - Dann habe ich mir gedacht: Doch, es ist richtig. Denn wir sind nicht die einzigen. Endlich haben auch auf europäischer Ebene alle zu dem Mittel der Schweigeminute gegriffen. Das macht mir Hoffnung, dass sich nun endlich, Herr Kollege Klug, Menschenrechte vielleicht doch gegen nationale Interessen durchsetzen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Außengrenzen sind zu einem umkämpften Raum der EU-Politik zwischen Grenzkontrollen und Flüchtlingsrechten geworden. Das darf nicht so bleiben. Wir brauchen dringend ein umfassendes Konzept für eine gut ausgestattete, ständige humanitäre Rettungsoperation auf hoher See. „Mare Nostrum“ kann hier das Vorbild sein. Wir wollen, dass sich dann alle europäischen Mitgliedstaaten dazu bekennen und einen finanziellen Beitrag leisten.
Die von Frontex koordinierten Operationen „Triton“ und „Poseidon“ sind hierfür völlig ungeeignet; denn ihre originäre Aufgabe ist der Grenzschutz und keine humanitäre.
Menschen, die in Europa Schutz suchen, sind keine Feinde, die es durch solche Institutionen abzuwehren gilt. Es gilt, sie zu retten und dann menschenwürdig zu behandeln.
Liebe Kollegen, wir müssen das Sterben an den EU-Außengrenzen endlich beenden und legale, gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge öffnen. Wir freuen uns darüber, dass wir in den letzten Wochen in verschiedenen Ausschüssen und in unterschiedlichen Anhörungen zum Änderungsantrag meiner Fraktion „Für eine solidarische Flüchtlings- und Asylpolitik in Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa“ konstruktiv diskutiert haben. Ich freue mich insbesondere darüber, dass sich die koalitionstragenden Fraktionen mit unseren elementaren Punkten einverstanden erklärt haben und wir heute einen gemeinsamen Antrag hier zur Abstimmung stellen.
Ich hätte mich gefreut, wenn auch CDU und FDP diesen Weg mitgegangen wären. Aber die Differenzen sind im Moment in der Tat noch zu groß.
Gleichwohl brauchen wir Gemeinsamkeit in der Sache. Wir sind zwar nur ein Bundesland im Norden Europas, aber wir können Signale setzen. Ich bin überzeugt davon: Wir können laut werden und gemeinsam alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um dazu beizutragen, dass sich die Katastrophen der Unmenschlichkeit nicht wiederholen.
Wir setzen uns daher für humanitäre Visa ein, damit es den Flüchtenden überhaupt möglich ist, legal in die EU einzureisen. Sowohl über EU-Botschaften in sicheren Grenzstaaten als auch in den bestehenden Botschaften und Konsulaten der Mitgliedstaaten könnten Visaanträge geprüft und Visa erteilt werden. Dies würde den Schleppern den Nährboden entziehen. Legale Einreise ist die schärfste Waffe gegen Schlepper.
Die Ergebnisse des Rates in Brüssel vom April machen mich ein Stück weit traurig, aber zugleich auch wütend. Die EU als Träger des Friedensnobelpreises ist dabei, ihre letzte Glaubwürdigkeit in der Flüchtlingspolitik endgültig aufs Spiel zu setzen, weil sie dabei ist, die Abschottungspolitik der Europäischen Union zu zementieren.
Deswegen, Kollege Klug, streiten wir für ein neues Europa, das an einem Strang zieht, in dem sich die Länder nicht gegeneinander ausspielen und in dem politische Lösungen nicht durch militärische ersetzt werden. Schiffe zu versenken, ist auf keinen Fall ein Mittel, um Flüchtenden zu helfen oder ihnen ihre Ängste und Sorgen zu nehmen.
Ich hoffe, dass Claude Juncker seine Eckpunkte korrigiert. Eine Stärkung von Frontex und Mehrausgaben für das Grenzüberwachungssystem Eurosur sind nicht der richtige Weg. Mit der 1 Milliarde € für ein System der Totalüberwachung unter einem humanitären Deckmantel könnte man in Europa sehr viel mehr erreichen, zum Beispiel die Fluchtursachen bekämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es klingt fast ein bisschen zynisch, angesichts der Vielzahl der Flüchtlinge jetzt über Quoten und Verteilerschlüssel zu reden. Aber wir müssen es tun. Dazu gehört die Erkenntnis, dass die Dublin-Verordnung gescheitert ist.
Ich möchte in diesem Rahmen noch einmal allen danken, die sich in den Ausschüssen beteiligt haben, auch dem Flüchtlingsrat und den Flüchtlingsorganisationen.