Drittens. Wenn gerade der Herr Kollege Kubicki inhaltlich vollständig retro und mit Beben in der Stimme Empörung geißelt, dann hat das weniger etwas mit dem hier Gesagten zu tun, sondern dann ist der Punkt einfach dieser: Meinungsfreiheit heißt, zu ertragen, dass herauskommt, dass es große Unterschiede in der Sache gibt. Diese sind Ihnen nämlich unangenehm. Diese Koalition macht Politik für Familien. Sie machen eine Politik gegen Familien. Sie überhöhen Ihre Kürzungspolitik als alternativlos. Dabei war die zutiefst unsozial und ungerecht. Diese Meinung muss man hier vertreten. Wenn das herauskommt, dann ist das gut für die Demokratie. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Das ist freie Meinungsäußerung. Das können Sie nicht ertragen, weil Sie nämlich merken, dass die Unterschiede zwischen Ihnen und uns dabei deutlich werden.
Wenn Bürgerinnen und Bürger eine Wahl zwischen einer unsozialen Politik und einer sozialen und fortschrittlichen Politik haben, dann ist das gut. Das hat die Debatte gebracht, wenn auch bei Ihnen nicht auf besonders hohem Niveau, was Ihre Rede angeht. Aber das kennen wir ja seit vielen Jahren in diesem Hause.
Ihnen geht es gar nicht darum, ob man hier das Moralische überhöht oder nicht, sondern Sie wollen keine entschiedene Meinungsäußerung haben. Ich finde, eine unsoziale Politik darf man auch unsozial nennen. Ich finde auch, Politik gegen Minderheiten darf man als solche bezeichnen, Frau Kollegin Beer, um das auch einmal klar zu sagen. Mehr Meinungsstreit tut diesem Parlament eher gut. Dass Sie den nicht wünschen, weil dabei nämlich herauskommt, dass Sie Fiskalisten sind und meinen, dass die schwarze Null verehrt und angebetet werden müsste, das mag ja sein. Wir aber sind für eine Politik der Zukunft, für Nachhaltigkeit, für Gerechtigkeit, für gute Bildung, für Aufstiegschancen. Das ist die Politik der Küstenkoalition, und dafür stehen wir. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich bemerkenswert, wie berechnend Sie sind und wie sehr man Sie berechnen kann, Herr Dr. Stegner, weil Sie schlicht und ergreifend immer mit den gleichen Euphemismen arbeiten. Deshalb möchte ich Ihnen einiges entgegenhalten.
- Herr Kollege Andresen, es ist mir völlig wurscht, was Sie gerade sagen. Jetzt unterhalte ich mich hier mit dem Kollegen Dr. Stegner. Werden Sie erst einmal erwachsen, dann können wir uns weiter miteinander unterhalten.
Herr Kollege Dr. Stegner, mir zu unterstellen, ich hätte etwas gegen Meinungsfreiheit und ich wollte mich von Ihnen nicht unterscheiden, ist so hanebüchen, dass ich darüber nur lachen kann.
Aber ich möchte Ihnen etwas in Erinnerung rufen. Da waren Sie noch nicht in diesem Lande und wahrscheinlich auch nicht in diesem Parlament. Wir hatten einmal einen Untersuchungsausschuss, der sich mit der Barschel-Affäre beschäftigt hat und der den Parlamentariern entsprechende Konsequenzen nahegelegt hat. Daraus möchte ich Ihnen einige Sätze zitieren:
„Der Neuanfang im politischen Umgang miteinander sollte sich dadurch auszeichnen, dem politisch Andersdenkenden nicht von vornherein den guten Willen abzusprechen, ihn nicht persönlich zu verdammen oder gar mit Unterstellungen ins politisch-moralische Abseits zu stellen.“
Wenn Sie sich daran halten würden, Herr Dr. Stegner, dann wäre in diesem Parlament schon einiges besser, als es gegenwärtig der Fall ist.
Denn Sie unterstellen immer dem Andersdenkenden und dem, der anderer Meinung als Sie ist, moralische Unvollkommenheit, Verwerflichkeit, je
denfalls keinen guten Willen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir als Konsequenz aus der Barschel-Affäre lernen wollten.
Ich halte Ihnen einen weiteren Text vor, und zwar eine gemeinsame Beschlussfassung des Landtages als Konsequenz aus der Barschel-Affäre: Die vom Ausschuss festgestellten Verstöße gegen das verfassungsrechtliche Verbot, als Regierung den Wahlkampf der Regierungspartei zu unterstützen oder eine Oppositionspartei zu bekämpfen, begründen die Forderung nach zukünftig strikter Trennung von Verwaltungs- und Parteitätigkeit.
- Frau Kollegin von Kalben, ich kann nicht im Sozialministerium anrufen und eine Mitarbeiterin dort veranlassen, mir Zahlen zu übermitteln. Ich kann das nicht, nicht einmal als Parlamentarier und schon gar nicht als Parteivertreter. Ich kann eine Kleine Anfrage stellen. Aber hier erledigt eine Mitarbeiterin des Sozialministeriums unmittelbar Parteiarbeit. Sie übermittelt Ihnen nämlich Zahlen, die sie an sich nicht übermitteln dürfte, weil sie uns diese Zahlen nicht in entsprechender Weise übermittelt. Das ist eine Verletzung des strikten Trennungsgebots.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Herdejürgen?
- Ich sage nicht die Unwahrheit. Denn ich kann als Parteivertreter nicht im Sozialministerium anrufen und sagen: Bitte, Frau Soundso, schicken sie mir mal ein paar Zahlen, die ich gerade brauche.
- Was steht in § 40 der Geschäftsordnung? Da steht, dass die Parteien beim Ministerium unmittelbar anfragen können und Auskünfte erhalten.
- Sensationell! - Jetzt komme ich zur Frage der Meinungsfreiheit, Herr Kollege Dr. Stegner. Sie sind gerade dabei, den Konsens in der Frage der Flüchtlings- und Asylpolitik zu zerstören, und zwar deshalb, weil Sie gerade daran mitarbeiten, die Willkommenskultur bei Bürgerinnen und Bürgern definitiv zu unterlaufen. Fahren Sie einmal zu den Menschen, die im Bornkamp wohnen. Fahren Sie einmal hin! Dort wohnen überwiegend Sozialdemokraten. Sie haben uns erklärt, was sie von Ihnen halten.
- Weil wir da waren! Wir haben auch mit den Menschen geredet. Wenn Sie alle Bürgerinnen und Bürger diskreditieren, die nicht Ihre Auffassung teilen, dann werden Sie sehr schnell feststellen, wie Sie dazu beitragen, dass dieser Konsens im Lande kaputtgeht.
Wer erklärt, das Zurückweichen der Bürgerschaft vor Protesten gegen die große Erstaufnahme würde Bürger an anderen Standorten ermuntern, sich ebenfalls gegen solche Einrichtungen zu wehren, und diese Debatte habe auch zu einem Klima beigetragen, in dem Menschen Angst vor Flüchtlingen gemacht werde, dieses Klima ermuntere Wirrköpfe zu Brandanschlägen, wie in Kücknitz geschehen -
- Herr Dr. Stegner, dann tun Sie mir wirklich leid. Wenn Sie ernsthafte Sorgen von Menschen nicht mehr aufnehmen wollen, sondern ihnen erklären, sie seien moralisch verwerflich, weil sie Ihre Auffassung nicht teilten, dann haben Sie den demokratischen Diskurs noch nicht verstanden. Sie werden erleben, dass der Widerstand zunehmen statt abnehmen wird.
Menschen zu überzeugen heißt, Menschen mitzunehmen, sich zunächst einmal ihre Sorgen anzuhören und darauf angemessen zu reagieren und sie
nicht moralisch ins Abseits zu stellen. Sie werden ansonsten erleben, dass die Menschen Ihnen nicht mehr zuhören, weil sie Sie nicht mehr für einen kompetenten Ansprechpartner halten. - Herzlichen Dank.
Die nächste Wortmeldung ist von der CDU-Fraktion. Der Fraktionsvorsitzende Daniel Günther hat jetzt das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Erklärung des Kollegen Dr. Stegner eben zu der Presseerklärung, die wir zu Ihrer Presseerklärung abgegeben haben, die Sie als Landesverband herausgegeben haben, hat relativ wenig mit dem zu tun, was wir hier als Erklärung erwartet hatten. Denn, Herr Dr. Stegner, der Fehler ist nicht gewesen, dass die Mitarbeiterin im Landesverband vergessen hat, den Pfad zu löschen, damit wir nicht erkennen konnten, dass es im Ministerium gemacht wurde. Die Erklärung hilft uns im Parlament überhaupt nicht weiter. Uns interessiert doch nicht, was der Landesvorsitzende der SPD dazu sagt, sondern wir wollen wissen, was die Regierung den regierungstragenden Parteien zur Verfügung gestellt oder geschrieben hat, um diese Presseerklärung zu veröffentlichen. Da nützt uns doch der Empfänger nichts. Wir wollen wissen, was der Sender gemacht hat. Was wurde im Ministerium gemacht? Das muss der Ministerpräsident erklären. Herr Dr. Stegner, das sind Sie nicht. Das sollten Sie eigentlich wissen. Sie sind nicht Ministerpräsident.
(Beifall CDU, FDP und PIRATEN - Dr. Ek- kehard Klug [FDP]: Aber er muss bei jeder Gelegenheit daran erinnert werden!)
Herr Dr. Stegner, ich will an dieser Stelle auch noch etwas zu dem zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben, sagen, der Flüchtlingspolitik.
Ich bin stolz auf die Willkommenskultur, die wir in Schleswig-Holstein haben. Ich finde es auch angesichts unserer historischen Verantwortung und dessen, was wir in Schleswig-Holstein in der Vergangenheit gehabt haben, eine großartige Leistung, wie viele Menschen in Schleswig-Holstein ehrenamtlich oder hauptamtlich in den Kommunen wirklich tolle Arbeit leisten, um diese Menschen in unserem Land zu integrieren. Aber wenn man einmal einen Deut von Ihrer Regierungspolitik abweicht,
wenn man in der Umsetzung eine anderslautende Meinung hat, wenn man der Auffassung ist, dass Erstaufnahmeeinrichtungen vielleicht nicht 600 Menschen beinhalten sollen, sondern 200, dann muss es doch auch in einem Land wie SchleswigHolstein möglich sein, dass man das artikuliert, ohne dass einem hier im Parlament unterstellt wird, dass man Flüchtlingen gegenüber feindlich eingestellt ist. Das will ich in Schleswig-Holstein nicht. Vielen Dank.