Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Einen solchen bezahlpflichtigen Tunnel brauchen wir erst recht nicht. Eine Mautfinanzierung ist im Vergleich zur Steuerfinanzierung unsozial, weil auch arme Menschen den gleichen Betrag zahlen müssen, und sie ist unökologisch, weil die Maut unabhängig vom Kraftstoffverbrauch anfallen soll. ÖPP führt außerdem zu weniger Transparenz und demokratischer Mitbestimmung, weil Entscheidungen in private Gremien verlagert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, sie ist auch mittelstandsfeindlich, wie die Mittelstandsverbände selbst sagen, weil sie tendenziell bei solchen Verfahren nicht so oft oder sogar nur selten zum Zuge kommen.

(Beifall PIRATEN und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unser Wirtschaftsminister Meyer ist doch ursprünglich selbst gegen das ÖPP-Modell gewesen. Herr Meyer, ich bin gespannt, wie Sie uns Ihre Kehrwende in diesem Punkt erklären möchten. Sie haben noch vor Kurzem selbst gesagt, dass die Kalkulation unseriös sei. Wenn ich mir den Bericht des Bundesrechnungshofs vom letzten Jahr ansehe, ist sie das weiterhin. Ich bin gespannt auf Ihre Erklärung.

Hinzu kommt, dass auf der Grundlage einer sehr dubiosen Planfeststellung gebaut werden soll, die schon jetzt vor Gericht und auch von den Kommunen vor Ort wegen einer Vielzahl von Fehlern beklagt wird. Der Planfeststellungsbeschluss weist danach gravierende Mängel auf, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit des Tunnelbetriebs, das heißt Leib und Leben seiner Benutzer, in Bezug auf alte und behinderte Menschen, Familien, Schwangere und Kinder, das heißt mangelnde Barrierefreiheit, und in Bezug auf Umweltschutzaspekte.

(Christopher Vogt)

Wir haben hier eindeutig den Eindruck, dass man schon wieder den Fehler von alten Verkehrsprojekten gemacht hat und unseriös schnell noch bis zum Jahresende fertig werden wollte. Ich glaube, dafür werden wir wieder mit Verzögerungen bezahlen müssen.

Die Piratenpartei Schleswig-Holstein fordert seit jeher einen konsequenten und zügigen Ausbau der A 20 über die A 7 hinaus, aber doch bitte aus dem Staatshaushalt und auch ohne Pkw-Maut.

Wir haben gelernt: ein Straßenbau muss von Beginn an komplett für die gesamte Strecke durchgeplant und durchfinanziert sein. Wenn man anfängt zu bauen, ohne zu wissen, wie es weitergeht, mündet das allzu oft in Steuergeldverschwendung. Deswegen wäre ein Interessenbekundungsverfahren für ein Teilstück an dieser Stelle verfrüht.

Es kann nicht so sein, dass immer neue Großprojekte angefasst werden und die bestehende Infrastruktur zerfällt. Vorrangig muss die Sanierung unserer vorhandenen Infrastruktur angegangen werden und das bitte zügig.

Mittelfristig müssen wir dazu kommen, dass Infrastrukturprojekte noch vor der Entscheidung darüber transparent und ergebnisoffen mit den Bürgern diskutiert werden. Die Piratenpartei sagt deswegen: A 20 jetzt, aber bitte seriös geplant und durchgerechnet!

(Beifall PIRATEN)

Den Antrag auf Ausschussüberweisung kann ich nicht unterstützen. Denn es schleicht sich ein, dass sich die Koalition immer öfter vor einer Entscheidung drückt, wenn sie sich nicht einig ist.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Daran werden wir Sie erinnern, wenn Sie das nächste Mal eine Überweisung haben wollen!)

Kommen Sie bitte zum Ende.

Gern, Herr Präsident! - Frau Herdejürgen, es geht nicht darum, dass wir uns über unsere Anträge nicht einig werden, sondern es geht darum, dass wir schon mehrfach erleben mussten, dass wir unsere eigenen Anträge in Ausschusssitzungen so oft aufrufen können, wie wir wollen, Sie darüber aber nicht entscheiden.

(Widerspruch Sandra Redmann [SPD])

Sie vertagen die und beerdigen damit kalt inhaltliche Anliegen. Stimmen Sie über den Antrag mit Ja oder Nein ab. Ich stimme mit Nein. Aber stimmen Sie ab.

(Beifall PIRATEN - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir machen das genauso, wie wir das wol- len, Herr Kollege!)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich werte es als ein positives Signal aus Berlin, dass Bundesverkehrsminister Dobrindt nun 600 Millionen € für den Bau einer westlichen Elbquerung im Bundeshaushalt 2016 bereitgestellt hat. Damit nimmt die Finanzierung der Querung erstmalig konkrete Formen an, und der Bund wird hier seiner Aufgabe endlich gerecht.

(Beifall SSW und FDP)

Schließlich haben wir auf ein solches Bekenntnis vonseiten des Bundes gewartet. Minister Dobrindt hat erkannt, dass die A 20 mit der westlichen Elbquerung eines der größten Verkehrsprojekte im norddeutschen Raum ist.

Wir als SSW haben uns immer zur A 20 mit der westlichen Elbquerung bekannt und uns dafür ausgesprochen. Für uns ist klar, die Entlastung der A 7 in Schleswig-Holstein und Hamburg kann nur erfolgen, wenn die A 20 mit der Elbquerung kommt. Darüber hinaus ist die A 20 mit der westlichen Elbquerung gerade aus wirtschaftspolitischer Sicht für die Westküste von großer Bedeutung.

Dies geht auch aus dem Beschluss des Bündnisses für die Infrastruktur hervor. Gemeinsam haben sich Land, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften jüngst auf die wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte des Landes geeinigt. Daraus geht hervor, dass die A 20 mit der westlichen Elbquerung von herausragender Bedeutung für den gesamten norddeutschen Raum ist.

(Beifall Lars Harms [SSW] und Kai Vogel [SPD])

Sie hat eine wichtige Erreichbarkeitsfunktion für den Westen Schleswig-Holsteins.

Auch wenn dies für uns keine neuen Erkenntnisse sind, so haben wir mit dem Bündnis starke Partner

(Dr. Patrick Breyer)

gewonnen, um die verkehrspolitischen Interessen des Landes über die Grenzen hinaus zu vertreten.

Daher ist es mehr als bedauerlich, dass das ganze Projekt ins Stocken geraten ist, weil frühere politische Fehlentscheidungen zu Planungsfehlern geführt haben, die vom Bundesverwaltungsgericht einkassiert wurden. Dies müssen wir nun ausbaden. Hier arbeiten wir nach, was andere verbockt haben. Dadurch verzögert sich die Realisierung des Projekts um circa zwei Jahre.

Kommen wir wieder auf Berlin zurück. Auch wenn mittlerweile Mittel im Bundeshaushalt eingeplant wurden, wird deutlich, dass man die westliche Elbquerung dort letztendlich nur halbherzig verfolgt, denn man hat sich bisher nicht um private Projektträger gekümmert. Dass sich bisher kein Privater in dieser Sache an die Bundesregierung gewandt hat, mag wohl in erster Linie daran liegen, dass die Verantwortlichen rechnen können. Denn es ist davon auszugehen, dass die 50-prozentige Anschubfinanzierung des Bundes, von der Wirtschaft als zu gering eingeschätzt wird.

Zudem rechnet der Bundesrechnungshof mit Kosten von 1,5 Milliarden € für den Bau der Querung. Das heißt, bei einer Fifty-fifty-Finanzierung müsste der Bund insgesamt 750 Millionen € beisteuern. Die Erfolgsaussicht, dass ein ÖPP-Model zum Tragen kommt, ist unter den gegebenen Voraussetzungen eher als gering einzustufen.

Daher sollten wir durchaus auch andere Modelle in Betracht ziehen. Es ist zu begrüßen, dass die Landesregierung hier nicht nur auf das vom Bund favorisierte Modell setzt, sondern auch nach anderen Lösungen sucht.

Welches Modell letztendlich das Rennen macht, ist nicht klar. Die Entscheidung hierfür liegt einzig und allein beim Bund. Wir werden das Projekt der westlichen Elbquerung vorantreiben und unterstützend begleiten, aber die Finanzierung ist und bleibt Aufgabe des Bundes. - Jo tak.

(Beifall SSW und SPD)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament liegen nicht vor. Dann hat jetzt für die Landesregierung der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag gesehen habe, habe ich mich gefragt: Was ist denn das schon wieder? Geht es darum, dass man ein erneutes Bekenntnis zur A 20 abgeben soll? Liebe Damen und Herren der CDU-Fraktion, gern geschehen: Ich bin und bleibe ein Fan der A 20!

(Beifall SPD und SSW)

Insofern könnte man den Antrag für erledigt erklären.

(Unruhe)

Wir haben so häufig über die A 20 gesprochen; ein paar grundlegende Dinge müssten eigentlich sitzen. Ich wundere mich, dass hier wieder Punkte angesprochen werden, die inhaltlich nicht richtig sind.

Kommen wir zu den Details. Bei der A 20 ist ohne Frage der wichtigste Punkt, dass wir die westliche Elbquerung brauchen. Sonst werden wir niemals die Verkehre nachweisen, die wir für dieses große Projekt brauchen. Ich begrüße grundsätzlich, dass der Bund ein Signal gesetzt und Mittel in den Haushalt eingestellt hat. Wenn Sie genau hinschauen: Die 600 Millionen € sind die alte Planung, die wir aus dem Jahr 2012 kennen, mit dem F-Modell ÖPP. Wir haben immer gesagt, dass wir die Berechnungsgrundlagen infrage stellen.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Das hat übrigens auch der Kollege Lies getan. Der Bundesrechnungshof hat Gesamtkosten von 1,5 Milliarden € errechnet. Das alles muss sauber geklärt werden.

Ich bin deswegen am 31. August 2015 beim Parlamentarischen Staatssekretär Herrn Ferlemann gewesen, um dafür zu werben, dass wir an dieser Stelle vorankommen. Ich musste feststellen, dass auf Bundesseite noch nicht klar ist, welches Modell man bei ÖPP haben möchte, ein F-Modell, vielleicht ein Verfügbarkeitsmodell. Darüber wird in der Tat noch diskutiert. Ich finde es in Ordnung, dass man das sauber abwägt.

Herr Breyer, im Übrigen habe ich nie gegen ÖPP geredet. Ich bin da ideologisch nicht festgelegt. Bei ÖPP-Modellen muss man besonders hingucken, was sie den Steuerzahler am Ende tatsächlich kosten.

(Flemming Meyer)

(Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Uli König [PIRA- TEN])

Beim dänischen Modell, das wir vorgeschlagen haben, erlebe ich einen Parlamentarischen Staatssekretär BMVI, der in Brunsbüttel sagt: „Ich bin ein Fan des dänischen Modells.“ Aber weder der BMVI noch der BMF kümmern sich darum oder geben eine Antwort. Ich höre immer wohlwollende Worte, man wolle das prüfen, aber nichts passiert. Deswegen werden wir das noch einmal in die BodewigKommission-II einbringen, weil wir auch da über alternative Finanzierungsmodelle für Infrastruktur, für die Straße, reden wollen.

(Beifall SPD und SSW)

Kurz zum Sachstand der westlichen Elbquerung. Wir haben am 30. Dezember 2014 den Planfeststellungsbeschluss für die westliche Elbquerung auf Schleswig-Holstein-Seite vorgelegt. Herr Vogt, ich wundere mich: Dann ist es auf einmal zu schnell, dass wir das vorgelegt haben, und Sie hoffen, dass das gründlich genug ist. Ich glaube, dass wir hier die Lehren aus dem gezogen haben, was wir bei Bad Segeberg erlebt haben, und das nach bestem Wissen und Gewissen geplant haben.