Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Kurz zum Sachstand der westlichen Elbquerung. Wir haben am 30. Dezember 2014 den Planfeststellungsbeschluss für die westliche Elbquerung auf Schleswig-Holstein-Seite vorgelegt. Herr Vogt, ich wundere mich: Dann ist es auf einmal zu schnell, dass wir das vorgelegt haben, und Sie hoffen, dass das gründlich genug ist. Ich glaube, dass wir hier die Lehren aus dem gezogen haben, was wir bei Bad Segeberg erlebt haben, und das nach bestem Wissen und Gewissen geplant haben.

Wir haben jetzt Klagen, sowohl auf niedersächsischer als auch auf schleswig-holsteinischer Seite. Die Klageerwiderungen werden vorbereitet. Wir sind sehr bemüht und bestrebt, dass wir, ohne den Klageweg in letzter Instanz zu bestreiten, Lösungen mit all denjenigen finden, die jetzt Klagen eingereicht haben. Das ist unser Job. Dann werden wir sehen, wie weit wir kommen.

Herr Arp, zu den Fragen, die hier mit dem Antrag aufgeworfen worden sind. Zu den Kompetenzen muss man klar sagen: Die Entscheidung und Verantwortung für die Finanzierung der westlichen Elbquerung sowie den weiteren Verfahrensablauf liegen beim Bund. Auch hier gilt - bei ÖPP-Modellen im Besonderen -, dass eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ansteht. Die ist noch nicht erfolgt. Warum soll man jetzt schon ausschreiben, wenn das alles noch nicht bekannt ist, es also völlig verfrüht ist? Warum soll es eine Marktsondierung geben? Warum soll es ein Interessenbekundungsverfahren geben? Das kann man doch erst einleiten, wenn klar ist, wofür genau wer sein Interesse bekunden soll.

Da sage ich einmal ganz deutlich: Nicht das Land ist am Zug, sondern der Bund. Und ich hoffe - und wir hoffen das gemeinsam -, dass man sich dort schnell für ein Modell entscheidet. Erst dann kann

man in ein ganz konkretes Interessenbekundungsverfahren eintreten. Aber das entscheidet nicht das Land, das entscheidet allein der Bund. Ich habe ein bisschen die Befürchtung - wenn der Bund schon an der Stelle so lange braucht, das richtige Modell zu finden -, dass die Bundesfernstraßenverwaltung garantiert die falsche Lösung für die Infrastruktur in der Zukunft ist. Darüber werden wir morgen dann hier debattieren.

Was diesen Antrag angeht, sage ich ganz klar: Der Bund ist am Zug. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es ist beantragt worden, den Antrag in der Drucksache 18/3348 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW an den Wirtschaftsausschuss überwiesen worden. Danke schön.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 2:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Kommunalwirtschaft

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/3152

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Stefan Studt, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein sieht sich neben dem Thema, das momentan in aller Munde ist, großen strukturpolitischen Aufgaben gegenüber: der Energiewende und dem Breitbandausbau. Auf diesen Feldern wird sich die Zukunftsfähigkeit des Landes wesentlich entscheiden. Vieles ist hier schon erreicht worden, vieles durch private Investoren, vieles aber auch durch die Kommunen und ihre Unternehmen. Kommunales Engagement ist vor allem dort erforderlich, wo private Investoren ausbleiben. Ich denke dabei insbesondere auch an den Breitbandausbau im ländlichen Raum. Zahlreiche Kom

(Minister Reinhard Meyer)

munen sind hier bereits selbstständig initiativ geworden; anstatt auf die großen Telekommunikationsunternehmen zu warten, hat guter Bürgersinn sich hier schon ans Werk gemacht.

(Beifall Dr. Kai Dolgner [SPD])

Als Innenminister und als Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten wollen wir unseren Teil dazu beitragen, die Kommunen und ihre Unternehmen bei diesem begrüßenswerten Vorhaben zu unterstützen. Ein Instrument dazu ist das hier vorliegende Gesetz zur Stärkung der Kommunalwirtschaft. Es soll die rechtlichen Hürden für das gemeindliche Wirtschaften senken und damit die Kommunen in die Lage versetzen, noch stärker als bisher mit ihrem wirtschaftlichen Engagement zur Energiewende und zum Ausbau einer flächendeckenden Breitbandinfrastruktur beizutragen.

Bevor ich auf die einzelnen Inhalte des Gesetzes zu sprechen komme, will ich aber gern denjenigen danken, die wesentlich mitgewirkt haben, nämlich den kommunalen Landesverbänden, den kommunalen Unternehmensverbänden, den Interessenvertretungen der Wirtschaft und des Handwerks sowie den Mitarbeitern des Landesrechnungshofs. Über zwei Jahre haben sie unser Haus beraten, haben uns zur Seite gestanden und entsprechend zu diesem Gesetzentwurf beigetragen, der eine gute Grundlage für einen langjährigen Rahmen werden kann, innerhalb dessen die Kommunen und ihre Unternehmen entsprechend wirtschaften können.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu den Inhalten des Gesetzentwurfs einige kurze Ausführungen: Zunächst geht es darum, die rechtlichen Hürden für das gemeindliche Wirtschaften, insbesondere im Hinblick auf die energiewirtschaftliche Betätigung der Kommunen, zu senken. Dazu stellt das Gesetz klar, dass kommunale Stadtwerke auch nach der Liberalisierung der Energiemärkte einem öffentlichen Zweck dienen. Das ist keinesfalls selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass Energie europarechtlich als Ware festgeschrieben ist.

Ferner soll die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen nicht mehr auf die Deckung des Eigenbedarfs beschränkt sein. Denn wie sieht es in der Praxis aus? - Ein Bürgerwindpark wird in aller Regel mehr Strom erzeugen, als vor Ort gebraucht wird. Auch ein Telekommunikationsnetz ist schwerlich an einer Gemeindegrenze zu begrenzen. Energiewende und Breitbandausbau funktionieren eben nur grenzüberschreitend.

Es gilt also, dafür die entsprechenden Spiel- und Handlungsräume zu schaffen. Diese Spielräume können umso weiter bemessen werden, je größer die Bereitschaft der Betroffenen ist, an einem Strang zu ziehen. Glücklicherweise ziehen sowohl bei der Energiewende als auch beim Breitbandausbau alle an einem Strang. Die beteiligten Verbände haben von Anfang an deutlich gemacht, dass sie einvernehmliche Lösungen anstreben. So kamen die kommunalen Unternehmensverbände und die Handwerkskammern überein, ihre Geschäftsfelder durch eine Marktpartnervereinbarung abzugrenzen. Wo sich zwei einig sind, muss ein Dritter nicht reglementieren.

Das Mehr an wirtschaftlicher Freiheit für die Kommunen und ihre Unternehmen geht aber auch mit einem Mehr an wirtschaftlichem Risiko einher. Das gilt insbesondere in den investitionsträchtigen Bereichen wie Energiewirtschaft und Telekommunikation. Um dieses Risiko beherrschbar zu machen, soll das Ehrenamt dazu angehalten werden, sich über Satzungen und Gesellschafterverträge, die erforderlichen Rechte verbriefen zu lassen, um ihren Unternehmen nicht nur klare Ziele mit auf den Weg zu geben, sondern deren Einhaltung auch überwachen zu können.

Darüber hinaus gilt es, das Ehrenamt bei seiner Aufgabe zu unterstützen, die kommunalen Unternehmen durch die Einrichtung von Beteiligungsverwaltungen zu steuern. Die Beteiligungsverwaltung behält die Geschäftsentwicklung im Blick und soll das Ehrenamt rechtzeitig darüber informieren, wenn die kommunalen Unternehmen in schwere See geraten und eine Kurskorrektur geboten ist.

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht ist der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Kommunalwirtschaft ein wohl austariertes Papier. Es folgt der Maxime „so viel wirtschaftliche Freiheit wie möglich, so viel Kontrolle und Steuerung wie nötig“. Mit dem, was an wirtschaftlicher Freiheit ermöglicht werden soll, würde Schleswig-Holstein bundesweit zum Vorreiter. Das ist aber aus meiner und aus unserer Sicht auch erforderlich, um die Energiewende und den Breitbandausbau in unserem Land voranzubringen. Immerhin geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Unterstützen wir die Kommunen also dabei, in ihre Zukunft zu investieren, schaffen wir die dafür erforderlichen Spielräume, stärken wir die Kommunalwirtschaft mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. - Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Minister Stefan Studt)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Johannes Callsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Energiewende und den Breitbandausbau beschleunigen will, der muss auch dafür Sorge tragen, dass Unternehmen, kreative Forscher, Existenzgründer und der Mittelstand Zugang zum Energiemarkt und zu den Telekommunikationsmärkten behalten. Wir brauchen diese Ideen von jungen Unternehmen bei Lösungen im Energiebereich, von der Lösung des Speicherproblems bis hin zur Steigerung der Energieeffizienz.

Und richtig ist, dass auch die Kommunen für die Energiewende eine wichtige Rolle spielen. Ob allerdings ein Mehr an unternehmerischer Tätigkeit von Kommunen und Stadtwerken eine derart weite Öffnung der rechtlichen Möglichkeiten erforderlich macht, wie sie die Landesregierung hier vorschlägt, das wird intensiv zu prüfen sein.

Wir als CDU Schleswig-Holstein sind davon überzeugt, dass es in einer marktwirtschaftlichen Ordnung in erster Linie Aufgabe von Unternehmen ist, Innovationen hervorzubringen und zur Marktreife weiterzuentwickeln.

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU] und Dr. Axel Bernstein [CDU])

Der Staat und die Kommunen hingegen sind einerseits für die Rahmensetzungen von Markt und Wettbewerb zuständig, aber eben auch andererseits für die Daseinsvorsorge verantwortlich. An dieser Stelle, Herr Innenminister, bietet der Gesetzentwurf in der Tat mehr Flexibilität. Wenn allerdings den kommunalen Energieversorgern mit Weisungs- und Durchgriffsrechten der Selbstverwaltung jetzt noch stärkere Fesseln angelegt werden, dann setzt sich die Landesregierung zwischen alle Stühle. Das jedenfalls haben die Stadtwerke in Schleswig-Holstein so nicht gewollt.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer den Kommunen mehr unternehmerische Tätigkeit erlauben will, der muss dafür Sorge tragen, dass ein fairer Wettbewerb mit den privaten Unternehmen und Verbesserungspotentiale gegeben bleiben. Die Kommunen haben ohnehin schon zum Teil bessere Voraussetzungen. Wir, die CDU Schleswig-Holstein, sind für eine Stärkung des Wettbewerbs im Energiemarkt, weil wir glauben, dass nur so die

Energiewende insgesamt zu einem schnellen Erfolg gebracht werden kann.

Deshalb sage ich auch sehr deutlich: Die Energiewende und der notwendige Breitbandausbau dürfen jetzt nicht politisch als Feigenblatt und Vorwand dafür genutzt werden, um den Vorrang der privaten Leistungserbringung zu kippen oder das bewährte Subsidiaritätsprinzip außer Kraft zu setzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Kern, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Für uns ist wichtig, dass für die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen klare Kriterien gelten. Der strukturelle Wandel der ehemaligen Monopole im Energiebereich, der Telekommunikation und im Bereich der sozialen Dienstleistungen darf nicht auf Kosten der privaten Institutionen, der privaten Wirtschaft und privater Initiativen, von denen wir in Schleswig-Holstein viele haben, behindert werden.

(Beifall CDU)

Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch starke und leistungsfähige Städte, Gemeinden und Landkreise mit ebenso leistungsfähigen Unternehmen, die die öffentliche Daseinsvorsorge sichern. Kommunale Unternehmen investieren vor Ort in ihren jeweiligen Regionen als wichtige Auftraggeber. Sie sind verlässliche Partner für Handwerk und Gewerbeunternehmen in der Region. Auch dies muss man sehen: Die Stadtwerke stehen gegenüber den großen vier ehemaligen Monopolisten in einem Wettbewerb.

Der Eingriff in das kommunale Wirtschaftsrecht durch die Landesregierung ist somit ein äußerst schwieriges Vorhaben. Herr Innenminister, auch wenn die Begründung des Gesetzentwurfs etwas anderes vorspiegelt, so ist es eben nicht so, dass alle Beteiligten - Sie haben sie aufgezählt - diesen Entwurf unisono toll finden, auch wenn Sie hier diesen Eindruck erweckt haben. Ich habe jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt den Eindruck, dass sich die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf zwischen alle Stühle gesetzt hat.

Ob das Ergebnis am Ende so, wie es der Entwurf hier darlegt, tatsächlich ein besseres ist für den Wettbewerb und für die kommunalen Unternehmen, sei dahingestellt. Gerade deswegen fordern wir eine umfangreiche Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss, aber auch im Wirtschaftsausschuss, die wir sorgfältig auswerten sollten, und zwar unter der Fragestellung, ob Veränderungen überhaupt notwendig sind, denn, Herr Minister, Sie haben es aufgezählt: Es gibt in der Tat in Schles

wig-Holstein viele gute Projekte im Bereich des Breitbandausbaus durch Zweckverbände, bei denen kommunale Einrichtungen schon jetzt auf einem guten Weg sind. Wir müssen sehen, welche rechtlichen Voraussetzungen diese brauchen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Kai Dolgner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den einen ist dies das Sitzen zwischen zwei Stühlen, für die anderen ist es ein vernünftiger Interessensausgleich, wenn man sich nicht nur auf einen Stuhl setzt. Ich glaube, das ist Demokratie.

(Beifall SPD)

Mit dem so sperrigen Begriff der Gemeindewirtschaft verbinden sich handfeste, wenn nicht sogar weltanschauliche Fragestellungen: Sollen sich Kommunen überhaupt wirtschaftlich betätigen oder dies nicht grundsätzlich der Privatwirtschaft überlassen? Oder gibt es andererseits Bereiche, die so wichtig für die Versorgung der Menschen sind, dass sie auf gar keinen Fall der Privatwirtschaft überlassen werden sollten? Ich erinnere zum Beispiel an die Trinkwasserdiskussion.

Neben diesen weltanschaulichen Überlegungen, die wahrscheinlich jeder anders lösen wird, gibt es unabhängig davon selbstverständlich verfassungsrechtliche Grundlagen, und zwar unter anderem das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip und die Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung, die übrigens von den gewählten Gemeindevertretern ausgeht. Ich glaube, das wird manchmal vergessen.

Kommunalwirtschaft ist eben kein Selbstzweck, sondern sie soll einem öffentlichen Zweck dienen und darf den Eigentümer, also die Kommune, nicht überfordern. Deshalb ist der Vergleich mit der Privatwirtschaft nur bedingt möglich, Kollege Callsen, und bei dem Thema Verantwortlichkeiten und demokratische Kontrolle geht er gänzlich fehl.