Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir möchten, dass Schleswig-Holstein Vorreiter bei der Pressefreiheit wird und deutschlandweit mit diesem Gesetz Maßstäbe setzt. Da sich der Kollege Eichstädt als medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion schon 2005 sogar für noch weitergehende Maßnahmen ausgesprochen hat, gehe ich davon aus, dass unsere Initiative auch Ihre grundsätzliche Unterstützung findet und dann entsprechend angegangen und umgesetzt werden kann.

(Beifall PIRATEN - Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD] - Peter Eichstädt [SPD]: Ich war jung und brauchte das Geld!)

Die Umsetzung dieser Initiative ist gut für unsere Verlage, für ihre Journalisten, aber auch für die Bürger in unserem Land und für unsere Demokratie insgesamt. Denn die Presse ist und bleibt die vierte Gewalt in unserem Land. Wir alle brauchen sie gerade dann, wenn sie unbequem ist. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Axel Bernstein das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man einen Blick in das Landespressegesetz Schleswig-Holstein wirft, dann findet man in § 1 Freiheit der Presse - drei sehr prägnante Absätze. Der erste sagt:

„Die Presse ist frei. Sie dient der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.“

Der zweite lautet:

„Die Freiheit der Presse unterliegt nur den Beschränkungen, die durch das Grundgesetz unmittelbar und in seinem Rahmen durch dieses Gesetz zugelassen sind.“

Der dritte Absatz sagt:

„Sondermaßnahmen jeder Art, die die Pressefreiheit beeinträchtigen, sind verboten.“

Eigentlich ist damit alles gesagt, aber - insoweit will ich dem Kollegen Breyer gern recht geben eben nur eigentlich. Für eine freie Presse, die ihren demokratischen Auftrag erfüllen kann, bedarf es nämlich mehr als eines stabilen rechtlichen Rahmens.

Neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist Presse vor allem auch Unternehmertum. Gerade im hier vornehmlich thematisierten Printbereich ist verlegerisches Unternehmertum ebenso eine wesentliche Grundlage für unabhängige und freie Berichterstattung.

Ein solches freies Unternehmertum braucht auch einen Markt. Die Bereitstellung und Verbreitung von qualitativ hochwertigen journalistischen Erzeugnissen muss also monetarisierbar sein. Ein solches Geschäftsmodell muss sich rechnen. Dies ist im Zeitalter digitaler Informationsströme und -gewohnheiten nicht mehr so selbstverständlich gegeben, wie in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik.

Vor diesem Hintergrund findet die Debatte zur inneren Pressefreiheit statt. Sie kann auch nicht ohne diesen Hintergrund gedacht werden. Da ist es schon bemerkenswert, welche Position die PIRATEN insgesamt einnehmen. Auf der einen Seite lehnen Sie zum Beispiel das Leistungsschutzrecht für Verlage ab. Man kann viele Argumente finden, warum man das tut, aber Sie lehnen es ja ab, weil Sie der Auffassung sind, dass journalistische Inhalte frei zugänglich sein sollten. Wenn Sie auf der anderen Seite wirtschaftlich motivierte Einflussnahmen auf die Redakteure unterstellen, dann blenden Sie den Hintergrund dieser Diskussion gerade im Print

(Dr. Patrick Breyer)

markt bewusst einfach aus. Man kann nicht auf der einen Seite die „Kostenlosmentalität“ vorantreiben und gleichzeitig gesetzgeberisch Qualitätsjournalismus erzwingen wollen.

Dennoch will ich den gedanklichen Ansatz, den Sie mit diesem Gesetzentwurf verfolgen, gar nicht ungeprüft vom Tisch wischen. Wir sollten uns aber in den Ausschussberatungen die Zeit nehmen, alle Facetten zu betrachten, die Einfluss auf die Qualität journalistischer Arbeit haben können. Gut gemeint ist nämlich auch hier nicht gut gemacht.

Zu Recht hebt der Gesetzentwurf der PIRATEN darauf ab, dass vielfach in einer Region nur noch eine Tageszeitung zu beziehen ist, und verweist darauf, dass die Unabhängigkeit der Redakteure dadurch umso bedeutsamer werde. Meiner Einschätzung nach zeichnen Sie hier aber ein schiefes Bild. Denn Einflussnahmen der Chefredakteure oder gar der Verleger sind nach meinen Informationen überhaupt kein relevantes Problem für Journalisten. Mit Redaktionsvertretungen und Redaktionsstatut werden Sie den wenigen Fällen, in denen es falsche Rücksichten zum Beispiel auf große Anzeigenkunden geben mag, sicherlich nicht begegnen können.

Vielmehr stellen sich neue rechtliche Fragen. Während im Gesetzestext die Rede davon ist, dass die geforderte Redaktionsvertretung bei wichtigen Personalentscheidungen zu informieren sei, wird in der Begründung bereits von „Beteiligung“ gesprochen. Welche Rechtsfolgen löst eine solche Formulierung und Lesart aus?

Oder ein anderes Beispiel: Die Abgrenzung redaktioneller Unabhängigkeit einerseits und publizistischer Gesamtverantwortung andererseits erscheint mir durch denkbare Widersprüche zwischen den Absätzen 1 und 5 der Regelung des Gesetzentwurfes zumindest unklar.

Wir haben heute ein klar und gut formuliertes Pressegesetz mit 19 Paragrafen. Für mich ist es mehr als fraglich, ob wir mit den vorgeschlagenen fünf neuen Absätzen den tiefgreifenden Strukturwandel in der Medienlandschaft im digitalen Zeitalter wirklich zukunftsweisend gestalten.

Insofern sehe ich viele Themen für eine Ausschussberatung und auf jeden Fall ein Thema, dass es Wert ist, gründlich erörtert zu werden.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Peter Eichstädt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antragsteller hat freundlicherweise schon darauf hingewiesen, dass wir bereits 2006 eine Debatte zu diesem Thema geführt haben. Anscheinend ist den PIRATEN entgangen, dass sich die Presselandschaft in Deutschland und in Schleswig-Holstein in neun Jahren in ihrer Gesamtproblematik dramatisch verändert hat.

Damit keine Missverständnisse aufkommen, möchte ich zunächst einmal klarstellen: Ich freue mich über jeden Verlag, der ein Redaktionsstatut vereinbart und damit den Rahmen für eine unabhängige Arbeit seiner Journalisten setzt. Genauer zu betrachten ist, ob eine Verpflichtung überhaupt möglich ist. Davon haben Sie in Ihrem Gesetzestext ja schon ein wenig Abstand genommen. Stichworte sind das Betriebsverfassungsgesetz und das Recht auf unternehmerische Freiheit. Das muss man sich anschauen.

Insgesamt scheint es mir, dass die PIRATEN bei der Beschäftigung mit der Medienpolitik den Sprung in das neue Jahrtausend noch nicht so ganz vollzogen haben.

(Lachen Uli König [PIRATEN] - Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Ausgerechnet wir!)

Denn inzwischen haben die Verlage und Redaktionen ganz andere Sorgen. Die Unabhängigkeit und Vielfalt ist durch andere Entwicklungen deutlich mehr bedroht als durch das Fehlen von Redaktionsstatuten.

Meine Damen und Herren, ich will kurz auf einige drängende Probleme eingehen, im Besonderen im Bereich der Printmedien. Ich will diese Gelegenheit nutzen. Der Zeitungsmarkt war 2014 davon geprägt, dass 60 % aller Zeitungsexemplare aus nur zehn führenden Verlagsgruppen in der Bundesrepublik kamen. 43 % der Tagespresse kommen aus den fünf auflagenstärksten Verlagsgruppen. Bei den Kaufzeitungen sind es sogar 97 %. Wir haben also eine fortschreitende horizontale Konzentration im deutschen Zeitungsmarkt. Parallel dazu gehen die Auflagen und der Werbeumsatz aller Zeitungen zurück. Die Gesamteinschätzung unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt ist allerdings etwas schwieriger, weil zwar die Auflagen sinken, aber die Zeitungen

(Dr. Axel Bernstein)

deshalb nicht alle unbedingt vom Markt verschwinden.

Klar ist aber: Die Werbeeinnahmen haben sich halbiert, und dies hat Folgen. Die Einnahmekrise verstärkt Einsparbemühungen, und diese gefährden die redaktionelle Qualität der Zeitungen. Sie führen zum massiven Abbau von Redakteursstellen.

Die meisten Stellen sind in Lokalredaktionen gestrichen worden. Oder, was noch folgenschwerer ist, Lokalredaktionen wurden komplett geschlossen. Verlagsgruppen legen die Mantelredaktionen für mehrere Zeitungen zusammen und lassen für zum Teil Dutzende von Zeitungen Beiträge produzieren. Dies führt auch in Schleswig-Holstein zu einem gravierenden Verlust an redaktioneller Informationsvielfalt, auch in den noch bestehenden Lokalredaktionen. Journalisten, die bisher an einzelne Zeitungen gebunden waren, schreiben zum Beispiel durch die Klammer der Madsack-Gruppe jetzt auch regelmäßig in anderen Zeitungen. Das ist nicht unbedingt eine Stärkung der Meinungsvielfalt.

Hier setzt, im Gegensatz zu der Schwerpunktsetzung in Ihrem Gesetzentwurf, liebe PIRATEN, meine Besorgnis ein. Was nützt mir ein Redaktionsstatut, wenn es keine Redaktion mehr gibt beziehungsweise wenn die Redaktionen ganz andere Sorgen haben als ein Redaktionsstatut?

Heute ist eine Zeitung für viele Verleger ein Wirtschaftsprodukt. Journalistischer Anspruch wird immer seltener. Das gilt nicht für alle. Gerade im überregionalen Bereich können wir froh sein, dass es große Zeitungen wie den „Spiegel“, die „Süddeutsche“ oder die „taz“ gibt, die diese Aufgabe noch wahrnehmen.

(Zuruf Olaf Schulze [SPD])

Allerdings sind auch sie finanziell nicht auf Rosen gebettet.

Ich persönlich halte im Übrigen den Einfluss der in Zeitungen werbenden Unternehmen - auch Sie haben es bereits angesprochen - für weitaus problematischer. Die Mediaagenturen sind hier nur ein Stichwort - im Übrigen ein eigenes, besorgniserregendes Thema.

Meine Damen und Herren, können im Presserecht verankerte Redaktionsstatute gleichzeitig Garanten für eine qualitativ gute und unabhängige Berichterstattung sein? Das wird immer suggeriert. Ich meine: Nein, Unabhängigkeit führt nicht automatisch zu journalistischer Qualität. Oft scheint es, dass, ohne dass irgendein Chefredakteur darauf Einfluss nimmt, unter Missachtung journalistischer

Grundregeln wenig Seriöses im Blatt landen kann. Schon deshalb würde ich mir manchmal mehr engagierte Herausgeber wünschen, die Wert auf Qualität legen und in diesem Sinne Einfluss nehmen.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, in Schleswig-Holstein gibt es nach dem Einstieg der Madsack-Gruppe und dem Rückzug des bisherigen Garanten für leidliche Unabhängigkeit der „Lübecker Nachrichten“, der Erbengemeinschaft Heinrich und der SemmerowStiftung, mit dem Verkauf des „Hamburger Abendblattes“ an die Funcke-Mediengruppe und dem „s.hz“ im Wesentlichen noch drei große Verlagshäuser. Diese haben sich den Markt nach Regionen aufgeteilt. Allein das Konzept „Madsack 2018“ und der damit verbundene Umbau und Stellenabbau führt in den Redaktionen zu deutlich mehr Sorgen als ein fehlendes Redaktionsstatut.

Zusammengefasst: Redaktionsstatuten sind wünschenswert, aber wahrlich nicht das zentrale Problem der Zukunft eines unabhängigen Journalismus und der Medienvielfalt in Deutschland und Schleswig-Holstein.

Dieser Gesetzentwurf ist nicht so richtig falsch, aber er hat wenig zu tun mit der Wirklichkeit in den Redaktionen. Eher ist er geeignet, über die tatsächlichen Probleme hinwegzutäuschen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Kollege Rasmus Andresen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Journalistinnen und Journalisten sollen frei sein in ihrer Berichterstattung, möglichst ohne politische oder wirtschaftliche Vorgaben. Die innere Pressefreiheit ist wichtig. Der Vorschlag der PIRATEN geht aus grüner Perspektive also grundsätzlich in die richtige Richtung.

In Schleswig-Holstein gibt es weite Landstriche, in denen es nur noch eine regionale Zeitung gibt. Die Kollegen haben das bereits angesprochen. Konzentrationsprozesse führen zu fehlender Meinungsvielfalt. So gibt es bereits viele Stimmen, die befürchten, dass es in Zukunft nur noch eine Zeitung für

(Peter Eichstädt)