Entscheidend wird sein, nicht nur verlässliche Strukturen aufzubauen, sondern die Menschen dabei mitzunehmen. Nach allem, was ich in den letzten Tagen wahrgenommen habe, Herr Minister Garg, sind Landesregierung und Kommunen in dieser Frage auf einem guten Weg.
Die Impfungen werden nicht nur ein Mittel zum Selbstschutz sein, sondern sie sind vor allem dem Schutz unserer Mitmenschen dienlich. Es ist ein schönes Signal in dieser Woche, dass die Impfbereitschaft nirgendwo in Deutschland so hoch ist wie bei uns im Norden. Dafür sollten wir gemeinsam werben. Das ist wirklich ein Hoffnungsstreifen am politischen Horizont dieses so eigenartigen Coronajahres 2020.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe schon im vergangenen Monat betont: Wir Menschen in Schleswig-Holstein sind weder begriffsstutzig noch unmündig - im Gegenteil. Wir haben im letzten Dreivierteljahr ein hohes Maß an Eigenverantwortung bewiesen. Wir alle können miteinander für die hohe Zustimmung zur Coronapolitik dankbar sein.
Es ist nicht unsere Aufgabe als Politik, die Menschen zu belehren. Aber es ist unsere Aufgabe, für Regelungen zu sorgen, die nachvollziehbar, transparent und plausibel sind. Das ist der Schlüssel zur Akzeptanz. Wir brauchen weiter Regelungen mit Augenmaß.
Die Einigung zum Silvesterfeuerwerk ist ein gutes Beispiel. Wir hätten nicht kontrollieren können und wollen, was am 31. Dezember in Hintergärten passiert. Darum bleibt das private Feuerwerk erlaubt. Wir müssen aber dafür sorgen, dass es keine Menschenaufläufe gibt, keine Schlägereien unter Alkohol und dass in diesem Jahr Silvester aus Sicht der Einsatzkräfte ein ganzes Stück ruhiger wird. Darum verbieten wir das Böllern auf belebten Straßen und Plätzen, und wir appellieren an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hatten in der vergangenen Woche eine, wie ich fand, beeindruckende Anhörung hier im Plenarsaal. Damit haben wir deutschlandweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Zumindest mir haben die Beiträge der Expertinnen und Experten auch bei der Reflektion über unsere eigene Rolle geholfen. Wir tun gut daran, die Hinweise und die Kritik ernst zu nehmen, ohne damit die Rolle kleinzureden, die unser Parlament in den vergangenen Wochen hatte.
Es ist das richtige Signal, dass wir heute hier zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um vor dem Erlass der Landesregierung über die Ergebnisse der Bund-Länder-Runde zu sprechen. Es geht nämlich auch darum, den Bürgerinnen und Bürgern in öffentlicher Debatte darzulegen, was wir tun, denn wir greifen in das Leben von Millionen von Menschen ein.
Es ist auch richtig, wenn die Coronapandemie künftig eine noch prominentere Rolle in den Ausschüssen und im Plenum einnehmen wird. Wir als Landtag wollen nicht die Aufgabe der Landesregierung übernehmen - erst nach der Wahl. Die Gewaltenteilung ist unabdingbar. Wir werden der großen Verantwortung des Parlaments gerecht.
Die Pandemie hat im vergangenen Dreivierteljahr viele Probleme offengelegt, die es lange gab und die jetzt unübersehbar geworden sind. Das gilt für unser Gesundheitssystem, für die Belastbarkeit unserer öffentlichen Daseinsvorsorge, für die Wertschätzung gegenüber Menschen in unverzichtbaren Tätigkeiten, aber das gilt leider auch in Teilen für den gesellschaftlichen Egoismus.
Wir werden uns in den kommenden Wochen und Monaten auch nicht vor der Frage drücken können, wie wir in Zukunft leben wollen. Die diesbezügliche Themenwoche der ARD kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Was ist es eigentlich wert, in einer Gesellschaft zu leben, in der Solidarität und eben nicht Egoismus entscheidend sind? Damit wird die Frage eng zusammenhängen, wer eigentlich die Kosten der Pandemie trägt.
Die von den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten zur Bund-Länder-Runde angestoßene Debatte, ob der Großteil der Coronakosten im Gesundheitssystem den gesetzlich Versicherten aufgebürdet werden soll oder ob wir zu einer fairen Beteiligung der Steuerzahler und damit der oftmals privat versicherten Besserverdienenden kommen, war dafür ein Vorgeschmack. Uns ist es ein wichtiges Zeichen, dass der Bund jetzt als Ergebnis der Einigung einspringt und für 2021 hohe Zusatzbeiträge für Gering- und Normalverdiener vermeidet.
Die Haushalte in den Kommunen, den Ländern und dem Bund stehen vor einer Belastungsprobe. Ein harter Sparkurs würde die pandemiegeplagte Wirtschaft und viele Arbeitsplätze treffen. Rasant steigende Verschuldung wiederum brächte verfassungsrechtliche Probleme und die Verschärfung der sozialen Spaltung. Es wird darum im kommenden Jahr auch um ein deutliches Zeichen der Solidarität
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Armin Laschet sprach vor einigen Tagen mit Blick auf die kommenden Wochen vom härtesten Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt habe. Diesen Satz würde ich mir nicht zu eigen machen, denn er passt so gar nicht, wenn man unsere Situation mit der in anderen Ländern und in weiten Teilen der Welt vergleicht, in denen die Coronafolgen und die Einschränkungen sehr viel härter sind und die Reaktionen des Staates - gerade auch die finanziellen Hilfen - sehr viel schwächer ausfallen als bei uns. Es passt auch nicht zu der Erlebniswelt der Elterngeneration, und es ist auch nicht die richtige Ansprache in einer Zeit, in der wir mit Blick auf die Impfstoffe und unsere Möglichkeiten der Disziplin und Rücksicht die gute Chance haben, mit einem blauen Auge davonzukommen.
Das geht anderen ganz anders, und ich bin dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier dankbar, dass er darauf hingewiesen hat, dass wir bei der Verteilung der Impfstoffe auch an die ärmeren Länder denken sollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Frage beginnt am Sonntag eine ganz besondere Adventszeit. Ich würde mich freuen, wenn wir politisch und menschlich insbesondere diejenigen in den Blick nehmen, die alleine und von Einsamkeit betroffen sind. Das ist ein Problem, dem wir in unserer Gesellschaft zu wenig Aufmerksamkeit widmen. Es wird auch eine der Lehren sein müssen, die wir aus dieser Zeit ziehen. Das gilt und galt für Menschen in Heimen, behinderte Menschen, aber auch viele Ältere, die es geradezu als Freiheitsentzug empfinden mussten, was ihnen widerfuhr.
Viele unserer Eltern und Großeltern waren verzweifelt, dass sie ihre Lieben monatelang nicht sehen durften. Allzu viele sind sogar allein gestorben. Ich wiederhole: So etwas darf sich niemals wiederholen.
Auch gilt der Dank den vielen Pflegekräften, die quasi als Familienersatz herhalten - neben dem Einsatz, den sie ansonsten geleistet haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dennoch: Der erzwungene Verzicht auf Geselligkeit, auf menschlichen Kontakt berührt die Gesundheit der Seele.
So hat es Erich Kästner in dunkler Zeit einmal formuliert. Ob die AWO-Seniorengruppe, der Spielenachmittag, der Klönschnack beim Kaffee, der Gesundheitssport, der Spaziergang mit Kindern und Enkeln - wenn all das monatelang fehlt, zerbricht auch vieles an Lebensglück. Die höchste Vollkommenheit der Seele ist ihre Fähigkeit zur Freude, heißt es. Wir wissen doch selbst, die wir gar nicht im Heim leben, wie wir das gemeinsame Essen mit Freunden und manche Gewohnheit vermissen. Bei aller modernen digitalen Geschäftigkeit, beim ganzen routinierten technokratischen Coronamanagement, bei aller manchmal schrillen öffentlichen Debatte droht uns eine schwer erträgliche Verkarstung unserer emotionalen Beziehungen mit dem Mangel an menschlicher Nähe, der im November vielleicht besonders deutlich wird.
Auch der Verlust von Kunst und Kultur - gerade Musik ist ja Balsam für die Seele; ich empfinde das jedenfalls so - kommt noch dazu.
Vielleicht werden wir das hygienisch zweifelhafte deutsche Händeschütteln nicht so sehr vermissen, aber die Umarmungen fehlen schon und die gewohnte menschliche Nähe auch. Der Begriff „Social Distancing“ spricht für sich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In Nordrhein-Westfalen gibt es eine Enquete-Kommission zum Umgang mit der zunehmenden Einsamkeit in unserer Gesellschaft. Man mag über das Instrument streiten, aber der Befund stimmt schon. Das gab es schon vor Corona, dass ein älterer Mensch ins Krankenhaus kam, nicht mehr zurück in die eigene Wohnung konnte und ein anderer, oft fremder Mensch entschieden hat, dass die nächste und letzte Station das Pflegeheim ist.
Wie wollen wir leben? Wie schaffen wir es, dass Menschen so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause leben können, dass wir die Solidarität der Generationen stärken, dass wir das Miteinander im Dorf oder im Stadtteil beleben, dass wir die öffentlichen Räume unabhängig vom Alter oder der Herkunft und die Gesellschaft menschlicher machen und dem Egoismus entgegenwirken?
Vielleicht ist ja nach der Bewältigung der Coronapandemie Zeit dafür, dass wir diese Fragen mit besseren Antworten versehen als bisher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im etwas altertümlichen Deutsch, das der damaligen Zeit verhaftet war:
„Der Mensch verkrüppelt in der Einsamkeit. Der richtige, volle, gesunde Mensch ist nur der Mensch in der Gesellschaft.“
Ich sage dies einmal mit unseren Worten: Solidarität bleibt das Gebot der Stunde. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten ersten Advent!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den Maßnahmen im November ist es gelungen, den bundesweiten exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen weitgehend zum Stillstand zu bringen, zu stoppen und auf einem erhöhten Niveau zu stabilisieren. Zuletzt knapp 120.000 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen sind aber nach wie vor deutlich zu viel. Warum? - Weil seit Mitte Oktober die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten stark ansteigt, von 655 Patienten im Oktober auf aktuell 3.826 Patienten am gestrigen Donnerstag.
Bleiben die Infektionszahlen auf diesem erhöhten Niveau, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis unser Gesundheitssystem überlastet ist. Warum? Weil die durchschnittliche Zeitdauer vom Auftreten erster Symptome bis zur Behandlung auf der Intensivstation zehn Tage beträgt, die durchschnittliche Behandlungsdauer auf der Intensivstation hingegen 18 Tage ausmacht. Bei unverändert hohen Infektionszahlen kommen also schneller neue Patienten hinzu, als die bisherigen Patienten hoffentlich geheilt entlassen werden können.
Deshalb ist es richtig, die für November bundesweit vereinbarten Maßnahmen zu verlängern und anzupassen. Wir müssen die Infektionszahlen nach unten bringen, damit alle Patienten auch weiterhin die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten können. Es darf nicht so weit kommen, dass die Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern über Leben oder Tod entscheiden.
Meine Damen und Herren, dabei fällt allerdings auf, dass die Entwicklung bundesweit sehr unterschiedlich verläuft. Unsere Bundeshauptstadt Berlin
lag zum Zeitpunkt der letzten MPK am 24. Oktober 2020 mit einem Inzidenzwert von knapp über 100 bundesweit ganz oben. Trotzdem stiegen die Infektionszahlen in Berlin ungebrochen weiter an. Mittlerweile ist der Inzidenzwert dort auf rund 200 gestiegen. Berlin hält damit im negativen Sinne den bundesweiten Spitzenplatz.
Ähnlich kritisch ist das Infektionsgeschehen in Sachsen. Auch hier ist ein ununterbrochener Anstieg zu verzeichnen. Seit Oktober, damals eine Inzidenz von 40, gibt es dort mittlerweile eine Inzidenz von 190. Das ist bundesweit der zweite Platz.
Dann folgen Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit ebenfalls hohen Infektionszahlen. Der Inzidenzwert liegt hier zwischen 160 und 180. Aber immerhin, der Anstieg ist in allen drei Bundesländern zum Stillstand gekommen. Die Inzidenzzahlen bewegen sich im November nahezu seitwärts.
Und dann gibt es noch die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, die schon im Oktober die niedrigsten Inzidenzzahlen aufwiesen und bei denen die Entwicklung jetzt sogar leicht rückläufig ist. Schleswig-Holstein lag zum Zeitpunkt der letzten MPK nur knapp über einer 20er-Inzidenz. Der Wert ist dann Anfang November auch bei uns von Mitte 50 bis auf knapp 60 gestiegen. Seitdem verzeichnen wir aber einen leichten und kontinuierlichen Rückgang auf aktuell 48. Zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern ist Schleswig-Holstein damit das Bundesland mit dem niedrigsten Infektionsgeschehen bundesweit.
Das, finde ich, ist der Unterschied, den wir uns vor Augen führen müssen: ungebrochener Anstieg der Infektionszahlen in Berlin und in Sachsen, Stagnation auf hohem Niveau in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich dazu sind die Schleswig-Holsteiner Zahlen nicht nur erheblich niedriger, sondern sogar leicht rückläufig.
Bei der Expertenanhörung des Landtages in der vergangenen Woche hieß es dazu, Schleswig-Holstein habe einfach Glück gehabt. Es sei eben das nördlichste Bundesland und damit am weitesten entfernt vom Infektionsgeschehen, das sich von Süden ausgebreitet habe.
Meine Damen und Herren, ich muss sagen, das war eine der ganz wenigen Experten-Einschätzungen, die ich so nicht teilen konnte. Für März und April schon, denn nach dem Ausbruch in Ischgl war Bayern einfach näher dran und damit stärker betroffen als Schleswig-Holstein. Da haben wir wirklich Glück gehabt. Wenn es dann aber bei einer weltweiten Pandemie das ganze Jahr über gelingt, die