Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

Genau deshalb hatten Bundesrat und Bundestag zu Recht im März 2020 ein Bündel an gesetzlichen Ausnahmeregelungen auf den Weg gebracht, um die sozialen Härten auch in diesem Bereich abzumildern. Nach dem sogenannten Gesetz zur Abmil

derung der Folgen der Covid-19-Pandemie konnten damit Mietrückstände, soweit sie pandemiebegründet waren - das musste nachgewiesen werden -, nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden. Das war richtig, und diese Regel galt für Wohn- und Gewerbemietverhältnisse ebenso wie für Pacht. Zudem ermöglichte das Gesetz einen Zahlungsaufschub bei Schuldverhältnissen wie Energieleistungen.

Alle diese Erleichterungen sind leider Ende Juni 2020 ausgelaufen. Der Vorstoß einer Verlängerung seitens der sozialdemokratischen Justizministerin Christine Lambrecht scheiterte am massiven Widerstand der Union. Damit erhalten Wohnungsmieter und Gewerbetreibende in diesem Bereich seit Juli 2020 bei coronabedingten Ausfällen keinen Schutzschirm mehr, und das, obwohl wir alle wissen, dass nach dem ersten Lockdown die Lage im zweiten Lockdown, der weiterhin anhält, deutlich verschärfter ist als zu Beginn.

Wir wollen aber nicht nur die wirtschaftliche Lage und Existenz im Blick behalten, sondern auch die soziale Existenz in der Pandemie sichern. Niemand in Schleswig-Holstein darf Angst haben, aus unverschuldeten Gründen seine Wohnung oder den Gewerberaum zu verlieren. Ich glaube, dass dies kein Zustand ist, den wir hier haben wollen.

(Beifall SPD und Lasse Petersdotter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich kann Ihnen sagen, dass dies nicht nur Theorie ist. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten mehrere betroffene Menschen in Kiel und anderswo besucht, und die Lage ist in der Tat ernst.

Bei der Versorgung mit wichtigen Grundleistungen wie Wasser und Strom oder Telekommunikation darf es ebenfalls keine Unterbrechung geben. Deshalb sagt auch zu Recht Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbundes, genau an dieser Stelle, dass es absolut widersinnig ist, in dieser Phase in den Normalmodus überzugehen, um Mieter damit dem Kündigungsrisiko auszusetzen. Ähnlich deutlich argumentieren auch Sozial- und Wohlfahrtsverbände, heute zuletzt der DGB, der ebenfalls ein Mietmoratorium fordert.

Aber auch die Gewerbetreibenden sind stark betroffen. Besonders Gastronomen und Hoteliers - wer sollte das besser wissen als wir hier in unserem schönen Bundesland - fürchten eine heftige Kündigungswelle. Deshalb fordert auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA bereits seit Sommer, das Moratorium neu aufzulegen.

(Beifall SPD und Lasse Petersdotter [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wiederhole es: Die Lage ist in der Tat ernst, und wir wissen, dass besonders die großen Immobilienfonds den Mieterinnen und Mietern kaum entgegenkommen, obwohl sie wissen, dass sie über die Mieter in der Vergangenheit hohe Renditen beschert bekommen haben. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor die Covid-19 uns als Gesellschaft stellt, geht es hierbei um einen Akt gebotener Solidarität. Während die Grünen im Bund dies gemeinsam mit uns als SPD und Linken fordern, gibt es ein für mich nach wie vor unerklärlichen Widerstand von Union, leider auch von der FDP und vor allem von Vertretern der Immobilienbranche gegen eine Verlängerung. Die Gründe mag man sich vielleicht ein Stück weit denken. Der Vorwurf seitens des VNW-Direktors reicht sogar bis hin zu billigem Populismus. Mieterschutz scheint da nicht die oberste Priorität zu haben. Verunsichernd, populistisch und zutiefst unsolidarisch ist genau dieses Verhalten, diese Reaktion gegenüber den Betroffenen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Natürlich ist es unser oberstes Ziel, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass irgendjemand durch die Folgen der Pandemie in so eine Situation gerät, das wäre weder im Interesse des Vermieters noch im Interesse des Mieters. Wer will das schon? - Keiner von uns! Trotzdem sieht die Realität eben anders aus. Denn manchmal dauert es eine gewisse Zeit, bis die Leistungen der Sicherungssysteme greifen und dann auch auf dem Konto des Empfängers landen. Genau diese Phase ist enorm wichtig für die Betroffenen. Oft ist dann trotz allem ein harter finanzieller Einschnitt für die Betroffenen zu befürchten, beziehungsweise er tritt dann auch ein.

Die Mieterinnen und Mieter kann ich nur ermutigen, rechtzeitig das Gespräch mit den Vermietern zu suchen - sie tun das zum Teil auch - und Hilfe in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel über den Mieterbund.

Auch die Vermieterinnen und Vermieter haben ein hohes Interesse daran, dass es zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Darauf bauen wir mit unserem Appell sowohl an die Energieversorger als auch an die Wohnungswirtschaft. Wir wissen auch, dass das mehrheitlich passiert, und hoffen, dass auch weiterhin verantwortungsbewusst gehandelt wird. Leider tun das aber eben nicht alle.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich bin sofort fertig. - Deshalb brauchen wir genau für diesen Fall ein Auffangnetz - das fordern wir mit dem Mietmoratorium -, um Härten abzuwenden. Die Krise ist nicht vorbei. Mieterinnen und Mieter brauchen deshalb jetzt die Sicherheit, und wir lassen sie definitiv nicht im Stich. Ich hoffe, Sie auch nicht. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Lukas Kilian.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Ende März 2020 wurde zur Vermeidung negativer Folgen im Mietrecht und Pachtrecht der Artikel 240 § 2 EGBGB eingeführt. Dieser hat das Kündigungsrecht des Vermieters dahin gehend beschränkt, dass ein Mietverhältnis über Grundstücke oder Räume nicht allein aus dem Grund gekündigt werden kann, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht zahlt, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Coronapandemie beruht. Viele Mieter dachten auch aufgrund einer sehr unglücklichen Kommunikation dieser Regelung -, dass sie nun erst einmal keine Miete zahlen müssten. Bei mir in der Kanzlei stapelten sich Briefe von Privatmietern, aber auch großer Ketten, die ihren Vermietern mitteilten, aufgrund des Coronagesetzes keine Miete mehr zahlen zu wollen.

Was bis heute die wenigsten Menschen wissen, ist, dass das Gesetz keine Stundung der Mieten vorschreibt. Es erlaubt nicht einmal die Stundung der Mieten. Die Zahlungspflicht bleibt bestehen. Da eigentlich in allen Mietverträgen ein Zahlungsdatum vereinbart ist, nämlich der dritte Werktag des Monats, kommt man als nicht zahlender Mieter ohne weitere Mahnung in Verzug. Es fallen Verzugszinsen an - bei Privatmietern von 5 % über dem Basis

(Özlem Ünsal)

zinssatz. Da sind wir gerade bei einem Zinssatz von 4,1 % - ein sehr teures Darlehen.

Das löst aber das nächste Problem aus: Wer sich in Verzug befindet, muss damit rechnen, dass er möglicherweise einen Brief von einem Anwalt bekommt oder verklagt wird. Das ist ausdrücklich zulässig. Nehmen wir einmal eine Monatsmiete von 500 € warm an. Man zahlt für den Zeitraum April, Mai und Juni 2020 nicht, dann fallen, wenn man für diesen Zeitraum verklagt wird, zusätzlich noch einmal Gerichtskosten von über 1.000 € an. Aus einem Schaden von 1.500 € hat man also flugs einen Schaden von 2.500 € gemacht - ausgelöst durch das Mietenmoratorium. - Funktioniert ja super!

Wenn man das den Mietern in der anwaltlichen Beratung erzählt, dass genau diese Gefahren lauern, dann ist die Begeisterung über das Mietenmoratorium innerhalb kürzester Zeit weg. Ich kann Ihnen sagen: Der Mieterschutz in diesem Mietenmoratorium ist unausgegoren.

Zeitgleich wurde den Vermietern viel mehr zugemutet als allen anderen. Wir haben für diverse Bereiche Hilfspakete geschnürt - Coronahilfe I, Coronahilfe II, Coronahilfe III, Novemberhilfe, Dezemberhilfe - alles Mögliche. Für Vermieter, gerade auch für Privatvermieter, gibt es kein Netz.

(Özlem Ünsal [SPD]: Aber nicht gegeneinan- der ausspielen!)

- Natürlich! Was machen Sie denn? Sie spielen die doch gegeneinander aus!

Ich kann Ihnen drei Beispiele aus meiner anwaltlichen Beratung nennen. Ich habe ein älteres Ehepaar, beide über 80 Jahre alt. Die kommen zu mir, die haben keine Rente. Die sitzen bei mir in der Beratung und sagen: Herr Kilian, meine Rente besteht daraus, dass wir monatliche Mietzahlungen bekommen. Wir haben von diesem Gesetz gehört. Der Mieter zahlt im Moment noch. Wir haben einen niedrigen Mietzins, und eigentlich läuft das mit dem Mieter, aber wir haben Sorge, wenn der nicht mehr bezahlt, dass wir drei Monate keine Rente mehr haben. Wir sind so alt, dass wir kein Darlehen mehr bei der Bank bekommen. Was sollen wir tun?

(Beifall CDU und FDP)

Es geht weiter: Bei mir saß ein junger Unternehmer, der eine Gewerbeimmobilie besitzt. Diese Gewerbeimmobilie hat er an einen Billigsupermarkt vermietet, einen Billig-Ein-Euro-Markt, der meines Erachtens nur Plastikmüll verkauft, aber das ist ja egal. Der Ein-Euro-Markt teilte ihm mit, dass man die Mieten zunächst nicht zahlen müsste - man hät

te wegen Corona ja am Anfang auch schließen müssen -, und bot dann ganz generös an, dass man ein Drittel der Miete sofort zahlen würde, wenn auf den Rest der Miete verzichtet würde. „Sie erlassen uns also bitte den Rest der Miete, dafür bezahle ich ein Drittel.“ - Das ist ein ganz bewusstes Ausnutzen des Mietenmoratoriums zulasten der Vermieter.

(Beifall CDU und FDP)

Eine dritte Familie hatte das Problem, dass sie einen Kredit für eine Mietwohnung aufgenommen hatte. Die Mietwohnung wurde von den Mieteinnahmen abbezahlt, dann haben die Mieter mit einem Mal gesagt, sie zahlten nicht mehr. Der Kredit lief weiter. Dann hieß es: Das ist kein Problem, Sie können sich an Ihre Bank wenden und Ihr Darlehen aussetzen. - Das hat aber die Große Koalition eben nicht so vorgesehen wie bei den Mietern, weil die Banken ein Widerspruchsrecht haben. So einfach funktioniert das nicht. Mit einem Mal steht die Bank da. Die Finanzierung für die eigene Immobilie, die der Alterssicherung dient, ist in Gefahr.

(Beifall Ole-Christopher Plambeck [CDU])

Herr Abgeordneter Kilian, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Özlem Ünsal?

Liebend gern.

Ihnen ist wohl klar, dass wir mehrere tausend Fälle im gesamten Bundesgebiet haben, die davon profitieren und bei denen es eben nicht so läuft, wie Sie gerade beschreiben? Ich würde gerne von Ihnen erfahren, worauf Sie Ihre Erkenntnisse stützen - außerhalb Ihrer Kanzlei. Haben Sie Belege dafür? Wissen Sie um die Zahlen, wo Menschen genau von dieser Stundung, von der Aussetzung der Zahlung Gebrauch machen? Können Sie das ausführen?

- Ich erkläre das gerne noch einmal. Es gibt keine Stundung. Genau das ist das Problem. Dieses Mietenmoratorium und solche Reden, wie Sie sie gerade gehalten haben,

(Beifall FDP)

suggerieren den Menschen, dass man die Miete nicht zu zahlen braucht. Sie reden die Leute in das teuerste Darlehen, das man aufnehmen kann,

(Zuruf Özlem Ünsal [SPD])

(Lukas Kilian)

nämlich zum Verzugszinssatz. Das ist wirklich Mist!

(Beifall CDU, FDP und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was ist das für ein Unsinn! - Özlem Ünsal [SPD]: Ich glaube, Sie haben meiner Rede nicht ausführlich zugehört, dan- ke schön! - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist unseriös, was Sie machen!)

- Nein, es ist unseriös, was das Mietenmoratorium gemacht hat. Frau Lambrecht hat das damals schon erkannt. Die hat damals gesagt: Wir haben jetzt die Möglichkeit ausgesetzt, wegen Zahlungsverzug den Mietraum zu kündigen. So haben die Mieterinnen und Mieter die Möglichkeit, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, sprich: Wohngeld zu beantragen. - Das war Frau Lambrecht. Genau das war damit gemeint: In drei Monaten Wohngeld beantragen, damit man eben gerade nicht einen Dominoeffekt auslöst und den Privatvermieter oder auch die Wohnungswirtschaft vor nächste Zahlungsschwierigkeiten stellt. Wir machen in keinem anderen Bereich das, was das Mietenmoratorium vorsieht. Es tut mir furchtbar leid: Das, was Sie hier fordern, die dauerhafte Abwendung bis zum Ende der Coronakrise, ist nicht mal absehbar.

(Zurufe SPD)

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, aber ich lasse noch eine Zwischenfrage zu.

Ihre Zeit ist abgelaufen. Sie haben gerade nicht die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zuzulassen.

Das ist aber schade. - Dann ein letzter Satz. Die dauerhafte Abwälzung zulasten der Vermieter halte ich für einen wirklich billigen Populismus, wie Andreas Breitner es in der Presse dargelegt hat. Er ist nicht nur nicht billig, sondern er ist sogar sehr teuer für die Mieter,

Bitte kommen Sie zum Schluss.