Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

gefordert, sondern auch eine politische Einigung auf ein klares, mehrstufiges, bundesweit einheitliches System von Regeln.

(Beifall FDP und Eka von Kalben [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Mehrstufig bedeutet natürlich auch, dass man angemessen auf die jeweilige Lage reagieren muss. Ein solches System hatte die FDP bereits bei der Debatte über das Infektionsschutzgesetz im Bundestag vorgeschlagen. - Herr Ministerpräsident, ich bin der Meinung, dass man auch über diesen Vorschlag bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz unbedingt sprechen muss und dass das auch vereinbart werden sollte, denn so einen Larifari-Beschluss wie Ende November 2020 für die Hotspots darf es nicht wieder geben.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und SPD)

Herr Stegner, ich verstehe auch den Vorschlag der Inzidenzampel der SPD genau so. Das macht Sinn. Es ist in der Tat nicht die Zeit für Glühwein. Ich glaube trotzdem auch und bleibe dabei, dass man bei den Schulen schauen muss, zumindest für die älteren Jahrgänge Hybridunterricht zu ermöglichen, wo es sinnvoll ist. Ich höre zurzeit auch immer wieder: Das Virus wird keine Weihnachtspause machen. - Das stimmt. Aber viele Menschen wollen ihre Familie an diesen wichtigen Feiertagen dennoch treffen. Das ist ohne Frage ein Risiko, aber wir müssen jetzt ganz genau darauf achten, dass wir die Menschen nicht durch lebensfremde Vorgaben in eine Situation bringen, wo sie in große Schwierigkeiten kommen. Ich glaube, da müssen wir sehr sensibel sein und darauf sehr achten.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

Ein normales Weihnachten wird es dennoch nicht geben. Auch Reisen aus Hochinzidenzgebieten nach Schleswig-Holstein sind momentan nicht angezeigt.

Es gibt immer Nebenwirkungen bei harten Maßnahmen, und damit meine ich nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die sozialen und psychischen. Das müssen wir dringend beachten. Auch sogenannte Ausgangssperren finde ich, ehrlich gesagt, zweifelhaft. Wir haben im Frühjahr, wo wir für zwei Monate sehr drastische Maßnahmen ergriffen haben, deshalb bewusst darauf verzichtet. Ich finde, dass sollten wir auch weiterhin tun.

(Beifall FDP)

Ich gehe davon aus, dass es zeitnah eine MPK geben wird. Auch deshalb ist diese Debatte wichtig.

(Christopher Vogt)

Eine enge Einbeziehung des Parlaments ist für uns eine Selbstverständlichkeit, und ich habe keine Zweifel daran, dass unsere Landesregierung das genauso sieht. Wir brauchen sinnvolle Regelungen, wir müssen die Regeln einhalten, wir brauchen auch immer Eigenverantwortung und möglichst wenig Kontakte. Darauf müssen wir selber achten: Nicht nur die Einhaltung der Regeln ist wichtig, sondern wir müssen auch selbst Verantwortung übernehmen.

Abschließend möchte ich sagen: Die Lage ist ernst. Es gibt keinen Grund zur Panik, aber wir müssen besonnen und konsequent reagieren. - Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Landtagssitzung haben wir eine gemeinsame Vorgehensweise beschlossen. Wir haben gesagt, wir wollen als Parlament beteiligt werden, haben im Prinzip auch eine Absprache mit der Landesregierung mit dem Ziel getroffen, dass wir immer dann, wenn Maßnahmen geändert oder neu in Gang gesetzt werden sollen, darüber eine entsprechende Information bekommen. Es ist nun einmal so, dass wir bei der letzten Maßnahme, nämlich der Verlängerung des TeilLockdowns, diese Information nicht bekommen haben. Insofern ist es auch gerechtfertigt, wenn die SPD eine Aktuelle Stunde genau zu diesem Thema beantragt.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, es gibt genügend Möglichkeiten, uns auch unterschwellig, also außerhalb einer Parlamentssitzung, zu informieren. Beispielsweise kann das in Ausschusssitzungen passieren; manchmal reicht aber auch einfach eine SMS an die Fraktionsvorsitzenden, sodass alle informiert sind. Ich glaube, hätten wir eine solche bekommen, hätten wir alle gesagt: Bis zum 10. Januar 2021, das ist völlig okay - danke schön. Fertig. - Dann würden wir heute über dieses Thema nicht reden. Ich wünsche mir, dass wir wieder zu dieser Kommunikation zurückkommen.

Natürlich möchte ich jetzt die Gelegenheit nutzen, weil wir hier jetzt zu dem Thema zusammengekom

men sind, über die politisch diskutierten Dinge zu beraten und unsere Haltung dazu zur Kenntnis zu geben. Es wird - gerade auch aus Bayern - ein verschärfter Lockdown gefordert. Da stellt sich die Frage: Wieso wird von Bayern verlangt, in ganz Deutschland einen Lockdown zu machen, wenn sie es selber Zuhause nicht hinbekommen? Das ist schon sehr merkwürdig.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und FDP)

Selbst wenn man das wollte, geht so etwas gar nicht so einfach. Denn wir müssten die Grenzen schließen. Wir müssten Lieferungen und Leistungen komplett einschränken. Wir dürften die Leute nicht mehr rauslassen.

Man muss sich genau überlegen, ob man das erstens in einem Staat überhaupt machen kann, der von Freunden umringt ist, und zweitens, ob man das will. Denn dabei handelt es sich um Einschränkungen von Bürgerrechten, und zwar um massive Einschränkungen. Das bedeutet auch für die Menschen und Familien etwas, beispielsweise wenn man dadurch auf einmal seinen Job verliert, wenn man auf einmal in Kurzarbeit kommt oder wenn auf einmal das eigene Unternehmen in Schwierigkeiten kommt.

Wenn sich Leute hier hinstellen und sagen: „Wir wollen einen Lockdown haben!“, dann sollen sie bitte schön auch im Vorwege sagen, wie man diesen Menschen helfen möchte. In der Vergangenheit haben wir das so gemacht; die Programme sind gelaufen. Ich habe aber die Befürchtung, dass irgendwann auch uns finanziell die Puste ausgehen wird.

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben?

Sehr gern, klar.

Lieber Herr Harms, ich glaube, die Definition von Lockdown ist noch nicht erfunden. Wahrscheinlich gibt es auch unterschiedliche Vorstellungen davon. Ich jedenfalls gehe nicht davon aus, dass deshalb alle Grenzen geschlossen werden müssten. Denn auch unsere Nachbarländer - ich weiß das wegen meiner Familienbezüge von Belgien genau - haben schon mehrfach einen Lockdown gehabt, ohne dass deshalb die Grenzen

(Christopher Vogt)

geschlossen worden sind. Das ist eine Bemerkung.

Meine Frage ist: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass gerade auch Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler jetzt genau diesen Lockdown fordern, weil die Gefahr, dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, viel größer ist, wenn wir noch über Monate in einer Halb-Lockdown-Welt und in einem eingeschränkten Wirtschaftsleben leben, als wenn wir jetzt dadurch wieder in eine Situation kommen, wo wir mit der Pandemie ein relativ normales Leben führen können?

- Zweierlei. Ich habe dieses Beispiel mit den Grenzen bewusst gewählt, weil ich davon ausgehe: Wenn sich ein Land komplett abschotten will, wäre es merkwürdig, wenn Länder, die sich nicht abschotten, trotzdem noch einen Grenzverkehr durchführen, sodass sich das eine Land darüber die Pandemie wieder ins Land reinholt. Wenn, dann sollte es dort eine relativ große Einigkeit geben.

Was die Wirtschaft angeht, gibt es logischerweise weil die Situation neu ist - völlig unterschiedliche Haltungen auch der Wirtschaftswissenschaften. Das ist für mich aber auch nicht das Entscheidende. Mir geht es um die einfachen und normalen Bürgerinnen und Bürger, die jetzt Angst und Sorge um ihre Zukunft haben. Wenn ich denen sage, du Mensch in der Bauwirtschaft darfst nicht mehr arbeiten, du Mensch im Einzelhandel darfst nicht mehr arbeiten, du Mensch in der öffentlichen Verwaltung darfst nicht mehr arbeiten, dann gibt es bei diesen Menschen unterschiedliche Situationen: Die zwei aus Bauwirtschaft und Einzelhandel werden möglicherweise viel, viel weniger Geld in der Tasche haben, werden möglicherweise sogar arbeitslos, und das passiert dem Menschen in der öffentlichen Verwaltung nicht. Ich muss aber an alle Menschen denken, und ich muss vorher an diese Menschen denken.

Das eine ist, was ich zur Bekämpfung der Pandemie machen möchte, das andere ist, zu bedenken, welche Auswirkungen das auf andere Bereiche hat. Diese zwei Fragen müssen wir trennen. Das erwarte ich beispielsweise auch von einem bayerischen Ministerpräsidenten, dass er sich nicht nur hinstellt und die wahre Lehre für alle anderen verkündet, nur nicht für sich selbst, sondern dann auch den Mut hat zu sagen, was das für die eigenen Bürgerinnen und Bürger bedeutet.

Ich finde, das muss im Vorweg klar sein, vor allen Dingen, wo wir hier noch letzten Monat gestanden

haben und gemeinsam festgestellt haben, dass es sehr, sehr schwierig werden wird, dass sich die Länder noch an irgendwelchen Hilfen beteiligen können. Wenn wir wissen, dass wir das Geld nicht haben, dann sollten wir den Menschen reinen Wein einschenken und ordentlich mit ihnen kommunizieren. Denn es ist eine andere Diskussion, wenn man mit Menschen darüber redet und ihnen sagt: Du wirst jetzt deinen Job verlieren, aber dafür können wir die Pandemie besser in den Griff bekommen! Das mag man politisch vertreten wollen, aber so viel Ehrlichkeit gehört dazu, dass man den Leuten das dann auch ins Gesicht sagt. Ich weiß, was dann hier für eine Diskussion abgehen wird. Die Diskussion müssen wir ehrlicherweise dann auch führen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben?

Ja, sehr gern.

Ich finde es sehr gut, dass Sie hier an dieser Stelle auch auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingehen. Auch ich bin der Meinung, dass man sehr viel über Wirtschaftshilfen redet, da aber mehr die Unternehmen als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick hat. Deshalb finde ich das gut. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass die Menschen, die im Krankenhaus und in der Pflege arbeiten, die als Erzieherinnen und Erzieher arbeiten und sich ebenfalls - genauso wie die Lehrerinnen und Lehrer - gewissen Risiken aussetzen, auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind und ebenfalls Antworten suchen.

- Richtig. Da gebe ich Ihnen recht, Frau von Kalben. Auch denen müssen wir Vorgaben machen, damit sie ihre Arbeit so gut wie möglich erledigen können. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, die Pflegenden ordentlich zu unterstützen, nicht nur Beifall zu klatschen und ihnen möglicherweise 1.500 € zur Verfügung zu stellen.

(Birte Pauls [SPD]: Nicht alle, es sind nur ei- nige!)

Sie haben viel, viel mehr verdient. Da muss viel, viel mehr geschehen.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Lars Harms)

Dafür müssen wir auch politisch arbeiten, damit beispielsweise im Krankensystem mehr Geld für die Menschen zur Verfügung steht. Es kann nicht immer nur um die Institutionen gehen. Da sind wir voll an Ihrer Seite. Dazu können wir auch gern politische Initiativen ergreifen.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zurück zum eigentlichen Thema, meine Damen und Herren. Wir reden jetzt über die verschiedensten Arten von Lockdowns, Lockerungen und so weiter. Ich denke, es ist sinnvoll, nicht jedes Mal eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Die letzten großen Änderungen, die wir gerade beschlossen haben, sind noch nicht einmal zwei Wochen in Kraft. Man kann auch erst einmal abwarten und sie wirken lassen.

Vielleicht kann man auch erst einmal gucken, ob man diese Regelungen, die man hat und die die Leute schon kennen, nicht möglicherweise noch schärfen kann. Dazu möchte ich Ihnen einige Bespiele nennen.

Die Landesregierung hat beschlossen, dass man über Weihnachten für zwei Tage Übernachtungen im Land zulassen möchte. Eine Verschärfung wäre, dass das nur möglich ist, wenn man einen PCR-Test vorweist, der nicht älter als 48 Stunden ist. Bei allen anderen Reisen ist das so. Ich fände es schon klug zu verhindern, dass jemand, der aus einer anderen Region kommt und möglicherweise den Virus in sich trägt, dieses Virus zu uns transportiert. Es ist wirklich kein Aufwand, sich so einem Test zu unterziehen. Das wissen Sie inzwischen alle, dass das kein Akt ist. Das wäre also eine Schärfung, die relativ einfach umzusetzen ist.

Wir könnten beispielsweise auch noch einmal die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit erweitern. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich glaube, das würde von den Menschen auch relativ leicht akzeptiert werden.

Wir könnten vor allen Dingen, nachdem wir jetzt festgestellt haben, dass das möglich ist, bei Coronaleugner-Demos ein bisschen härter vorgehen. Die Bremer haben die Demonstrationen verboten, und sie haben nicht nur Klagen wegen Landfriedensbruch eingereicht, sondern auch Ordnungswidrigkeiten geahndet, sodass die Menschen auch spüren, dass es nicht mehr in Ordnung ist. Auch daran könnten wir uns ein Beispiel nehmen.

Wir könnten auch bei den verschärften Maßnahmen bei Hotspots mit einem Inzidenzwert über 200 - dazu ist ja vereinbart, dass wir da mehr machen wol