Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

Das Wort zu einem Kurzbeitrag für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es für angezeigt, dass dieses Parlament über die Lage diskutiert. Wenn wir in der Verabredung, von der wir hier sprechen, auf Seite 5 lesen: „Mit der Verlängerung der bestehenden Maßnahmen soll bis zum 20. Dezember 2020 eine bundesweit signifikante Verbesserung und Entlastung bei relevanten Indikatoren - R-Wert, Intensivkapazitäten, Gesundungsrate und Inzidenz - erreicht werden“, dann verstehe ich darunter, dass wir zumindest in die Nähe dieses Datums kommen müssen, um beurteilen zu können, was sich daraus ergibt.

Zu den Fragen, die mich beschäftigen - das will ich zum Ausdruck bringen -, gehören die folgenden: In welchem Verhältnis stehen Risikoschwerpunkte zu Inzidenzen? Ich hätte dazu gern bundesweite Angaben, aber möglichst auch solche, die sich auf die einzelnen Kreise beziehen.

Ferner: Welche Schwerpunkte gibt es in Alten- und Pflegeheimen? Hierzu hat dieses Parlament übrigens einen Beschluss gefasst.

Eine weitere Frage lautet: Welche Wirkung haben die privaten Zusammenkünfte und die städtischen

(Dr. Ralf Stegner)

Bereiche mit räumlicher Enge, zum Beispiel der ÖPNV? Wir haben im Zusammenhang mit der Diskussion über die Schlachtindustrie gesehen, dass wir etwas machen können.

Auf diese Fragen brauchen wir fundierte Antworten, die möglichst auf die Kreise herunterzubrechen sind; denn erst dann können wir auch die Wirksamkeit der Folgemaßnahmen bewerten.

Worte und Wirklichkeit müssen in Übereinstimmung stehen. Ich muss Ihnen für meinen Teil - ich sage es nur für mich - wirklich deutlich sagen: Ich wünschte mir, dass Herr Söder weniger Belehrungsinterviews gäbe, sondern stattdessen bessere Zahlen aus Bayern mitbringen würde. Das wäre sicherlich für uns alle angemessener.

(Beifall Lukas Kilian [CDU], BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, es geht um Vertrauen und Planbarkeit; dazu bedarf es einer Stabilität im Handeln. Es geht um viele Existenzen. Und es geht um Grund- und Bürgerrechte; das sollten wir in dieser Diskussion nicht ganz vergessen. Wir befinden uns ein Dreivierteljahr nach Beginn dieser Entwicklung. Das jedenfalls beschäftigt mich in erheblicher Weise.

Wichtig ist für mich auch die Frage, ob denn die Kontaktnachverfolgung in allen Kreisen Deutschlands sichergestellt ist. Ich halte die Kontaktnachverfolgung für das A und O im Sinne der Wirksamkeit der Maßnahmen. Wie steht es darum in den einzelnen Kreisen? Ich weiß es nicht. Ich weiß es noch nicht einmal für Schleswig-Holstein genau! Das müssen wir aber wissen, um die Hebel richtig ansetzen zu können.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einen Gedanken vortragen: Auch wenn es nicht möglich ist, das Problem innerhalb kurzer Zeit zu lösen, so müssen wir uns zumindest längerfristig mit der Frage beschäftigen, welchen Zusammenhang es zwischen Impfungen und Lockdown beziehungsweise Einschränkungen geben soll. Christopher Vogt hat es richtig angedeutet; ich bin der gleichen Meinung. Über diese Frage müssen wir im Zusammenhang sprechen.

Da ich in meiner Redezeit sehr begrenzt bin, lassen Sie mich nur noch einen letzten Gedanken hinzusetzen: Es ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, dass das Parlament diskutiert. Es ist auch an der Zeit, dass wir einmal darüber diskutieren, was wir finanziell noch leisten beziehungsweise nicht leis

ten können. Auch damit sollten wir uns beschäftigen.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Zu welchen Ergebnissen wir kommen werden, kann ich noch nicht sagen. Aber dass wir uns mit dieser Frage zumindest beschäftigen, erwarte ich eigentlich von uns Parlamentariern. Wir sollten von der Schuldenbremse und ähnlichen Themen nicht nur dann reden, wenn wir keine konkreten Probleme haben, sondern auch genau dann, wenn insoweit eine Enge da ist.

Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ja, Herr Präsident, Sie haben recht. - Danke.

(Heiterkeit - Vereinzelter Beifall CDU, Bei- fall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Lars Harms [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Soweit ich den Eindruck hatte, dass einige Kolleginnen und Kollegen noch einmal eine Orientierung in der Geschäftsordnung brauchen: Die Diskussion, die wir vorhin geführt haben, bezog sich auf § 32 Absatz 8 der Geschäftsordnung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 auf:

Mündlicher Bericht zur Umsetzung der Impfstrategie

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2629

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse also zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

(Werner Kalinka)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, die Debatte, die wir gerade geführt haben, hat gezeigt - das muss man auch den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern sehr deutlich sagen -, dass vor uns die schwierigsten und herausforderndsten circa drei Monate dieser Pandemie liegen; denn der Winter hat gerade erst begonnen.

Auch wenn in Großbritannien gestern der sogenannte V-Day begonnen hat, also der Verimpfungstag oder die Zeit des Verimpfens, so wird es auch im Vereinigten Königreich genauso wie im Rest von Europa eine ganze Weile dauern, bis nennenswerte Teile der Bevölkerung durchgeimpft sein werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gleichwohl bieten die Meldungen über die voraussichtlich bevorstehende Zulassung eines wirksamen Impfstoffes gegen das SARS-CoV-2-Virus sehr wohl Anlass zum Optimismus. Optimismus und Hoffnung können die Menschen in dieser Zeit wahrlich gebrauchen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt CDU)

Wir stehen in der Europäischen Union kurz vor der Zulassung eines Impfstoffes. Aktuell gehen wir davon aus - mit „wir“ meine ich die 16 Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister sowie den Bundesgesundheitsminister -, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bis zum 29. Dezember 2020 über die Zulassung des Impfstoffes des Mainzer Unternehmen BioNTech und seines US-amerikanischen Partner Pfizer in Europa entscheiden und die Europäische Kommission im Anschluss für alle Mitgliedstaaten den entsprechenden Einsatz genehmigen wird. Der Impfstoff wird ein wesentlicher Baustein auf dem Weg aus dieser Pandemie sein. Daher sind selbstverständlich zu Recht große Hoffnungen damit verbunden.

Meine Damen und Herren, dass der Impfstoff überhaupt so schnell verfügbar sein wird, ist das Ergebnis eines herausragenden weltweiten Zusammenwirkens von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, übrigens auch von Parlamenten; denn die finanziellen Anstrengungen allein durch die Europäische Union und die Bundesregierung waren noch nie so groß wie die zur Entwicklung eines Impfstoffes in dieser Pandemie.

(Beifall FDP, vereinzelt SPD und Beifall Jet- te Waldinger-Thiering [SSW])

Bis zu 375 Millionen € hat allein der Bund für die Entwicklung des BioNTech-Impfstoffes zur Verfügung gestellt. Die Zulassung des Impfstoffes erfolgt im Rahmen eines sogenannten rollierenden Zulassungsverfahrens. Unternehmen wie BioNTech und Pfizer teilen bereits seit Oktober 2020 der Europäischen Arzneimittel-Agentur Informationen aus den Testreihen mit. Das bedeutet, auch in dieser Pandemie werden die Studiendaten fortlaufend bewertet und in das Zulassungsverfahren eingespeist. Dabei spielt die Risikobewertung auch des mRNA-Impfstoffes von BioNTech Pfizer selbstverständlich stets eine Rolle.

Fakt ist: Sobald die EMA den Impfstoff zugelassen hat und die Auslieferung des Impfstoffs erfolgt ist, werden wir auch in Schleswig-Holstein mit dem Impfen beginnen können. Noch ist nicht genau bekannt, wie viele Impfdosen in Deutschland tatsächlich in der allerersten Zeit geliefert werden. Klar ist aber heute schon, dass der Impfstoff zunächst sehr begrenzt verfügbar sein wird.

Für die Verimpfung bauen wir seit mehreren Wochen die entsprechenden Strukturen auf. Wir benötigen spezielle Impfzentren in Kombination mit mobilen Impfteams, um den besonderen Anforderungen an Lagerung und Logistik des Impfstoffs von Biontech gerecht werden zu können. Dieser Impfstoff - das wissen Sie - kann derzeit nur bei minus 70 °C gelagert werden. In normalen Kühlschränken wird er also in wenigen Tagen unbrauchbar. Deswegen hat die Landesregierung rechtzeitig sogenannte ULT-Gefriereinheiten nicht nur bestellt, sondern sie sind auch schon da.

Zudem muss der Impfstoff zweimal im Abstand von mindestens drei Wochen verimpft werden. In jeder Einheit befinden sich fünf sogenannte Impfdosen. Nach Anbruch einer solchen Einheit ist ein solches sogenanntes Multidosenbehältnis nur noch für wenige Stunden haltbar. Und damit ist klar, dass relativ zügig an mehrere Personen verimpft werden muss.

In Schleswig-Holstein werden voraussichtlich insgesamt 29 Impfzentren eingerichtet. Mitte Dezember 2020 wird jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt über mindestens ein einsatzfähiges Impfzentrum verfügen. Danach sollen sukzessive weitere Impfzentren betriebsbereit werden. Das Ganze - deswegen betone ich das so - vollzieht sich immer in Abhängigkeit von der jeweils verfügbaren Menge des Impfstoffes. Meine Damen und Herren, in Abhängigkeit dieser Menge werden wir gemeinsam mit den Kommunen über das Hochfahren der dann weiteren Zentren entscheiden. Voraussichtlich wird

nach der derzeit zu erwartenden Impfstoffmenge zunächst Anfang Januar 2021 in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt ein Impfzentrum an den Start gehen, auch hier vorausgesetzt: der Impfstoff ist dann Anfang Januar auch in Schleswig-Holstein.

Das Land hat für die Impfzentren längst das notwendige Impfmaterial beschafft, also beispielsweise Spritzen, Kanülen, Abwurfbehältnisse, Alkoholtupfer und so weiter und so fort, alles was zum Impfen ebenfalls gebraucht wird.

Ich will an dieser Stelle auch darauf hinweisen: Es handelt sich um eine freiwillige Impfung, die für jede Bürgerin und jeden Bürger kostenfrei sein wird, die oder der sich für das Impfen entscheiden.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn der Impfstoff in ausreichenden Mengen verfügbar ist, sollen die Impfzentren an allen Wochentagen geöffnet sein. In allen Impfzentren wird es einen komplett standardisierten Ablauf nach einem sogenannten Einbahnstraßensystem geben. Jede Person, die sich impfen lässt, die sich für die Impfung entscheidet, wird in Schleswig-Holstein ärztlich über die Impfung aufgeklärt.

Die Impfung wird nur möglich sein, wenn ein Termin vereinbart wurde. Grundsätzlich wird sich die Zahl der verfügbaren Termine selbstverständlich an der Anzahl der verfügbaren Impfdosen orientieren. Ein Termin soll sowohl über ein Online-Portal als auch über die bekannte Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vereinbart werden können. Für die Terminbuchung wird selbstverständlich ein Extra-Callcenter zugeschaltet, um die Überlastung der bekannten Rufnummer 116 117 von vornherein zu vermeiden.

Den Starttermin wird die Landesregierung abhängig von der Bereitstellung des Impfstoffes gesondert ausreichend kommunizieren.

In den Impfzentren werden bis zu 90 Ärztinnen und Ärzte parallel arbeiten können. Das Gute ist - das erfüllt mich wirklich mit unglaublicher Dankbarkeit -: Der ambulante Sektor zeigt in dieser Pandemie erneut seine große Bereitschaft, in SchleswigHolstein anzupacken und mitzumachen. Dem Aufruf der Kassenärztlichen Vereinigung sind 2.900 Ärztinnen und Ärzte in Schleswig-Holstein gefolgt, die bereit sind, unsere Bevölkerung zu verimpfen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, das, was Sie gerade an Respekt den Ärztinnen und Ärzten entgegengebracht haben, gilt genauso für das nichtärztliche Personal; denn auch hier haben sich inzwischen fast 2.000 Frauen und Männer zum Einsatz gemeldet.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)