Ich muss Ihnen auch ehrlich sagen: Es ist am Ende das Ergebnis von Rücksichtslosigkeit und Leichtsinn, dass wir diese Situation haben. Wir haben uns zu viel auf unsere deutschen Schultern geklopft auch wenn wir vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind, das muss man durchaus sagen. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, wenn jetzt viele zu üblichen Zeiten parteipolitische Manöver veran
staltet, wie zum Beispiel mit dem Streit in der Union. Herr Brinkhaus erwartet - das gilt auch für Herrn Rehberg -, die Länder müssten jetzt viel mehr zahlen.
Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Der Bund ist wirklich großzügig darin, uns dafür zu danken, dass wir es ordentlich machen. Aber die Länder gehen auch bis an den Rand dessen, was sie können. Wir brauchen in dieser Lage solche Kompetenzstreitigkeiten nicht. Das verunsichert die Bevölkerung, und das hat überhaupt keinen Sinn.
Es geht hier nicht um Fingerhakeln, sondern das ist eine Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, die wir gemeinsam auf uns nehmen müssen.
Nun gibt die Leopoldina Empfehlungen zu einem Lockdown ab. Ich finde einen Lockdown mit Ankündigung schon ein bisschen merkwürdig, wenn ich ganz ehrlich bin. Das wirkt geradezu so wie: Lasst uns mal feiern, und danach machen wir dann einen Lockdown.
Aber man muss das, was die Wissenschaft sagt, durchaus ernst nehmen. Wenn am Ende das Ergebnis wäre, einen bundesweiten Lockdown zu machen, würden auch wir das mittragen. SchleswigHolstein ist da nicht klüger als andere. Aber das wäre die zweitbeste Maßnahme; denn wir haben komplett unterschiedliche Inzidenzzahlen in Deutschland, komplett unterschiedliche. Wir haben Kreise mit einer Inzidenz von 300 oder noch mehr, mit 400 sogar; wir haben aber auch Kreise mit einstelligen Inzidenzzahlen. Ein Lockdown ist für Hotspots nachvollziehbar, ist aber eigentlich keine gute Strategie. Es wäre auch ein Versagen der Politik, wenn das am Ende dabei herauskommt.
Dann lese ich solche Äußerungen von Ministerpräsidenten, die diesen Lockdown jetzt verklären, als wenn das eine gelungene Entschleunigung nach Weihnachten wäre nach dem Motto: Wir gehen in den Winterschlaf! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden hier über den Eingriff in Bürgerrechte, und zwar über massive Eingriffe. Die sind vielleicht gerechtfertigt. Aber diese so zu verklären, dass man sagt, das sei eine gute Sache, und das könnten wir nach Weihnachten mal eben so machen, das kann man doch nicht ernsthaft wollen. Wir sind doch nicht Volkspädagogen, die die Bevölkerung darüber belehren, was schlau wäre. Das hat doch auch für viele materielle Folgen, die wir dann wieder ausgleichen müssten. Vielmehr müssen wir die Menschen davon überzeugen, dass sie Kontakte
reduzieren. Dafür muss die Kommunikation aber auch so sein, dass man sie nachvollziehen kann. Es darf keine Zickzackkommunikation geben, wie wir sie teilweise unter Verklärung solcher Maßnahmen erleben.
Besser wäre etwas ganz anderes, nämlich eine konsequente und verbindliche Coronainzidenzampel, die flächendeckend Informationen über die Fallzahlen gibt. Auf Deutsch gesagt: Wenn die Anzahl der Infektionen eine bestimmte Marke erreicht, wird das öffentliche Leben eingeschränkt, und wenn die Anzahl eine bestimmte Marke überschreitet, wird ein Lockdown gemacht. Wenn man das bundesweit machte, könnte man zeigen, dass Föderalismus funktioniert. Wir haben doch einen Maßstab und der heißt: nicht überall alles gleich, aber es wird nach den gleichen Prinzipien verfahren. Das verstehen die Menschen, denn sie wissen: Wenn es so weit ist, wird es gefährlich, und dann müssen bestimmte Einschränkungen vorgenommen werden. Das wäre eine gute Maßnahme.
Ich glaube, wir werden eine solche Maßnahme so oder so brauchen, ob wir nun den Lockdown haben oder nicht, bis die Impfung wirkt. Und das kann ja noch ein bisschen dauern, obwohl wir eine gute Impfstrategie - darüber wird heute ja auch noch zu reden sein - haben. Auch das Land ist darauf gut vorbereitet, und das ist alles in Ordnung.
Aber im Kern ist es so: Wenn nicht klar ist, warum was passiert, wenn die Menschen nicht wissen, warum dies da und jenes dort gilt - das ist in der Bundesrepublik ja komplett unterschiedlich - und wir stattdessen einen Profilierungswettbewerb einzelner Politiker beobachten, dann wird die Akzeptanz sinken. Ich sage Ihnen: Dann schaffen wir diese gemeinsame Kraftanstrengung nicht.
Ich sage das deswegen in dieser Eindringlichkeit, weil ich Ihnen ehrlicherweise sagen muss, dass ich den Satz mit den Toten ernst gemeint habe. Wir können nicht einfach so tun, als ob uns das nicht berührt. Das ist keine statistische Größe. Wir müssen etwas dagegen machen. Das heißt, wir müssen in der Politik Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass die Kommunikation so ist, dass die Menschen verstehen, was wir machen, damit das, was wir machen, wirkt und auch eine Logik hat.
Es bleiben nämlich noch genügend Probleme übrig. So müssen wir uns immer noch ein Konzept für die Heime überlegen, und zwar ein Konzept, das keinen Freiheitsentzug bedeutet und ermöglicht, dass Besuchsverbote und Isolation wie im Frühjahr nicht
erneut ausgesprochen werden müssen; denn diese sind in der grauen Jahreszeit noch schlimmer als im Frühjahr. Wir müssen eine Konzeption haben, die die Menschen trotzdem schützt.
Ich habe auch beim letzten Mal nicht von ungefähr auf andere Themen, zum Beispiel auf die Einsamkeit der Menschen hingewiesen, die es nicht so gut haben wie wir, die wir hier sitzen. Dieses Problem ist unabhängig von dem durch uns zu lösen, was wir an Management noch zu tun haben.
Deswegen könnte diese Aktuelle Stunde, wie ich finde, aktueller nicht sein, weil wir uns um diese Transparenz, um diese Nachvollziehbarkeit und diese Effektivität zu kümmern haben. Die Maßnahmen, die wir als Politiker ergreifen, schränken die Bürgerrechte ein; deshalb müssen diese Schritte auch gut und vernünftig begründet werden. Fehler macht übrigens jeder. Wir wissen auch manchmal nicht, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Aber klar ist doch: Wir müssen die Kontakte reduzieren.
Herr Ministerpräsident, wir sollten auch nicht zurückfallen hinter dem, was wir an Einbindung des Parlaments vor 14 Tagen hatten. Das war eine gute Sache. Das heißt, wenn es neue Entscheidungen gibt, dann muss darüber auch hier wieder neu gesprochen werden. Wir müssen es gemeinsam vertreten, liebe Kollegen.
- Ich sage das doch gar nicht kritisierend, Frau Kollegin von Kalben, sondern ich sage dies als einen Punkt, von dem ich glaube, dass er in der gemeinsamen Überzeugung von Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen liegt.
Ich will auch ganz deutlich sagen: Hier muss sich niemand ärgern. Wir haben hier eine außerordentlich konstruktive Rolle eingenommen und bleiben übrigens auch dabei, weil es unser Job ist, dafür zu sorgen, dass der Staat funktioniert. Er wird aber nur dann funktionieren, wenn wir das, was wir wollen, auch gemeinschaftlich tun und wenn wir in unserer Kommunikation - das ist am Ende ja das, was Politiker machen können, nämlich kommunizieren glaubwürdig sind, damit die Menschen das verstehen. Sie verstehen schon nicht, wenn wir über Inzidenzampeln, über A und B oder über Y und Z reden. Aber sie müssen nachvollziehen können, warum es welche Einschränkungen gibt.
Sie wollen übrigens auch, dass unser Wort gilt. Wenn wir zum Beispiel sagen, Hilfen fließen unbürokratisch und schnell, dann müssen sie auch unbü
rokratisch und schnell fließen. Dann dürfen wir nicht später über Computersysteme reden, die noch nicht funktionieren oder sonst etwas. Und wenn wir sagen, wir vernetzen die Gesundheitsämter, dann dürfen die nicht per Fax miteinander kommunizieren, weil es der Datenschutz so will, sondern dann müssen wir dafür sorgen, dass dies elektronisch passiert.
Mache sich niemand etwas vor: So gut es mit dem Impfen auch ist, es wird eine Weile dauern, bis alle geimpft sind, sodass unser öffentliches Leben wieder einigermaßen normal ist. Bis dahin müssen wir den Anspruch erfüllen, dass wir alles tun, was in unserer Kraft steht, damit auch am Ende noch gilt, dass Schleswig-Holstein und Deutschland besser durch die Krise gekommen sind als andere. Das schaffen wir nur gemeinsam und nur dann, wenn wir eine Argumentation wählen, die nicht heute so und morgen anders ist. Und ja, bitte, die Halbwertszeit von Vereinbarungen darf durchaus ein bisschen länger sein als bis zum Sprung ins Auto, wenn man gerade in der Ministerpräsidentenkonferenz gesessen hat. Das ist keine gute Sache. Es sollte eine Mahnung für uns sein, dass wir die Chancen nutzen, die wir haben.
Ich will zum Schluss noch einmal sagen: Wir sind in einer außerordentlich privilegierten Situation. Kein Land in Europa gibt so viele Mittel aus wie wir, um die Folgen zu bekämpfen - was Arbeitsplätze und Menschen angeht -, kein anderes Land. Dass wir das können, ist großartig. Aber wir dürfen es nicht verspielen, indem wir leichtsinnig werden, indem wir falsch kommunizieren, indem wir widersprüchlich handeln oder indem wir glauben, es wäre ein Profilierungswettbewerb von Politikern und Parteien. Das ist es nicht. Es ist eine gemeinsame Anstrengung für uns alle, übrigens auch gegen diejenigen, die als Coronaleugner oder sonst was Systemgegner sind. Denen dürfen wir es nicht zu leicht machen, indem wir selber falsch kommunizieren. Vielen herzlichen Dank.
Fraktion den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz aus der vergangenen Woche, die derzeit geltenden Maßnahmen bis zum 10. Januar 2021 zu verlängern. In der Sache könne er die Gründe für diese Verlängerung durchaus nachvollziehen, sagt Ralf Stegner; das haben wir gerade noch einmal gehört. Allerdings meint er, den Zeitpunkt für diese Ankündigung als verkorkst kritisieren zu müssen. Auch das haben wir gerade noch einmal gehört. Dafür wäre der 15. Dezember 2020 auch ausreichend gewesen. So seien die Menschen von oben herab behandelt worden, und das würde die Akzeptanz in der Bevölkerung zerstören, meint Ralf Stegner.
Offensichtlich wäre es aus Sicht der SPD besser gewesen, die absehbar notwendige Verlängerung der derzeitigen Maßnahmen zu verschweigen, die Menschen weiterhin im Unklaren zu lassen, möglicherweise gar falsche Hoffnungen zu wecken und dann am 15. Dezember 2020 zu sagen: Überraschung, die Maßnahmen werden bis Januar verlängert!
Wenn eine Entscheidung in der Sache richtig ist das bestreitet ja auch die SPD nicht -, dann ist es ein Gebot von Transparenz und Ehrlichkeit, das auch offen auszusprechen, und genau das ist geschehen.
Schauen wir doch einmal, was im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz gesagt worden ist. Ich darf zitieren:
„Die Zahlen der Neuerkrankungen entwickeln sich leider nicht ausreichend positiv. Es ist auch das klare Signal: Auch Weihnachten und der Jahreswechsel verlangen Zurückhaltung. Die Verlängerung gibt allen Beteiligten jetzt schon die notwendige Planungssicherheit.“
Das Zitat stammt nicht von unserem Ministerpräsidenten, sondern von der SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz. Wenn Sie das also als verkorkst und von oben herab empfinden, dann klären Sie diese Vorwürfe vielleicht lieber parteiintern, als hier eine Aktuelle Stunde zu beantragen und als Opposition das Haar in der Suppe zu suchen, nur um überhaupt etwas kritisieren zu können.
Das Zitat von Daniel Günther lautete dagegen - ich zitiere erneut -: Ich sehe zurzeit kein Potenzial für weitere Öffnungsschritte.
„Das heißt insbesondere, dass sich Gastronomie und Hotels nicht darauf einstellen können, vor dem 10. Januar zu öffnen.“
Ich kann nicht erkennen, was daran verwerflich sein soll, dass diese Einschätzung bereits letzte Woche so geäußert worden ist. Vergleichen wir das einfach einmal mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten am 27. November 2020 hier im Plenum des Landtages. Damals sagte Daniel Günther - ich zitiere -: Ja, unsere Regeln gelten nur bis zum 20. Dezember. - Aber ich sage auch in Richtung Hotel und Gaststätten: Stellt euch nicht darauf ein, dass sich über Weihnachten und Neujahr daran etwas ändern wird.
Ich würde sagen, die beiden Aussagen waren identisch, und ich kann mich nicht daran erinnern, dass die SPD bei der Regierungserklärung Kritik in der Weise geäußert hätte, dass es voreilig gewesen wäre, diese Ankündigung hier zu machen. Gerade bei Restaurants und Hotels braucht es doch diese frühzeitige Kommunikation. Dort müssen erst einmal wieder Lebensmittel eingekauft werden, und es müssen Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückgeholt werden, bevor man den Laden wieder aufmachen kann.