Sehr geehrter Herr Kollege Koch, dass es absehbar so sein könnte, dass die Hotels und Gaststätten sich darauf einrichten, ist das eine. Das haben wir einvernehmlich so diskutiert. Aber finden Sie es nicht problematisch, ein Parlament in eine Verordnung einzubeziehen, die man am Wochenende erlässt, am 1. Dezember 2020 in Kraft setzt - sie soll bis zum 20. Dezember 2020 gelten -, und am 2. Dezember 2020 sagt: Das wird fortgesetzt bis zum 15. Januar
2021? Das ist der Punkt, den ich hier kritisiert habe. Wenn Sie das nicht problematisch finden, dann frage ich, was Sie von parlamentarischer Einbindung halten; denn das heißt auf gut Deutsch für die Bevölkerung: Egal, was ihr macht, wir wissen schon, was dabei passiert. - Das, finde ich, ist ein Punkt, der problematisch ist. Wenn Sie das nicht sehen, dann muss ich das akzeptieren, aber das ist jedenfalls nicht mein Verständnis davon, wie der Umgang miteinander ein sollte.
- Ich sehe das durchaus, Herr Kollege. Aber Sie verwechseln da einfach politische Kommunikation und Parlamentsbeteiligung. Ich glaube schon, dass es Aufgabe der Politik ist, den Menschen frühzeitig die Wahrheit zu sagen, sie frühzeitig auf Entwicklungen hinzuweisen, sie darauf vorzubereiten. Dass wir das bei den Verordnungen vorher politisch diskutieren und uns einbringen, ist der zweite Schritt, der danach folgt. Aber das ersetzt nicht die frühzeitige politische Kommunikation, die, glaube ich, sehr hilfreich ist und den Menschen wirklich weiterhilft.
Um genau diese Planungssicherheit zu schaffen, haben alle Ministerpräsidenten, auch die Ministerpräsidenten der SPD, Herr Kollege Stegner, bereits in ihrem Beschluss auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 25. November 2020, also noch früher, festgehalten - ich zitiere ein letztes Mal -:
„Bund und Länder gehen davon aus, dass wegen des hohen Infektionsgeschehens umfassende Beschränkungen bis Anfang Januar … erforderlich sein werden.“
So ist es bereits am 25. November 2020 beschlossen worden. In Klammern war hinzugesetzt worden: „insbesondere im Bereich Gastronomie und Hotels“.
Letzte Woche ist also nichts anderes gesagt worden als das, was die ganze Woche vorher auch schon gesagt worden ist. Das war nicht verkorkst, und das war auch nicht von oben herab. Das ist geradlinig, das war ehrlich. Man nimmt die Menschen mit, wenn man ihnen frühzeitig die Wahrheit sagt und sie darauf vorbereitet.
Meine Damen und Herren, bedeutet das nun, dass die derzeit geltende Verordnung deswegen automatisch und unverändert verlängert wird? - Nein, das heißt es natürlich nicht, Herr Kollege Stegner, und zwar schon aus dem Grund, weil mit dem MPK-Beschluss betreffend die Verlängerung auch die Abweichungsoption für Bundesländer mit einer Inzidenz von unter 50 verlängert worden ist. Wären unsere Zahlen jetzt also weiterhin runtergegangen, würden wir auf eine Inzidenz von 35 zulaufen, dann würden wir in dieser Woche eine ganz andere Diskussion führen.
Stattdessen sind wir seit Montag Risikogebiet. Stattdessen liegen auch bei uns die Zahlen bei über 50, und das sogar mit steigender Tendenz. Deswegen ergibt sich daraus vollkommen logischerweise die Konsequenz, die Maßnahmen nicht nur zu verlängern, sondern sogar weiter zu verschärfen. Das wird zu diskutieren sein, Herr Kollege Stegner. Das hat mit der Ankündigung aus der letzten Woche überhaupt nichts zu tun. Wir werden jetzt natürlich darüber diskutieren müssen, wie wir Maßnahmen verschärfen.
Dabei sollten wir nicht in Aktionismus verfallen, das will ich dazu auch sagen. Wir haben, als die Zahlen bei uns knapp unter 50 waren, auch nicht sofort alle Schließungen aufgehoben und gesagt, jetzt lassen wir alles wieder zu. Genauso wenig sollten wir jetzt, da die Zahlen etwas über 50 liegen, hektisch von heute auf morgen plötzlich unsere bewährten und gut erprobten Regeln in SchleswigHolstein über den Haufen werden und alles dramatisch verschärfen.
Zuallererst halte ich es für erforderlich, dass die Bundesländer mit hohen Inzidenzen endlich schärfere Maßnahmen ergreifen. Das hat der Kollege Stegner mit der Inzidenzampel gerade noch einmal angesprochen. Das ist im Grunde das, was schon seit der MPK am 25. November 2020 Beschlusslage ist, nämlich eine inzidenzbasierte Hotspot-Strategie zu verfolgen. Das ist nur bislang nicht wirklich geschehen. Das habe ich hier schon vor drei Wochen kritisiert, und das kritisiere ich heute erneut. Da muss gehandelt werden.
Wenn die Inzidenz in Sachsen bei über 300 liegt, dann ist das ein absolutes Muss. Dann führt an weiteren Verschärfungen überhaupt kein Weg vorbei. Wenn Bundesländer wie Bayern oder Berlin knapp unter 200 liegen, dann müssen die auch nicht bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz warten.
Für uns in Schleswig-Holstein sollte Maßstab sein, dass wir uns bundesweiten Verschärfungen nicht verweigern. Mit einem bundesweiten harten Lockdown haben wir schon die Chance, aus der quälenden, langanhaltenden Situation des Lockdown light herauszukommen. Aber bis dahin werden wir zunächst einmal aufgefordert sein, unser bestehendes Regelwerk bedarfsgerecht nachzujustieren. Wir werden dabei vor allen Dingen diejenigen Kreise und kreisfreien Städte in den Blick nehmen müssen, bei denen die Inzidenzen über 50 liegen und sich in Richtung 100 bewegen. Genauso wie es derzeit bereits in Pinneberg und Kiel passiert, müssen wir frühzeitig reagieren, wenn wir bundesweit weiter das Bundesland mit dem niedrigsten Infektionsgeschehen bleiben wollen. Das sollte unser aller Ziel sein.
Zurück zum Anfang der Debatte und zu den Ankündigungen nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche. Dank der vorausschauenden Äußerung unseres Ministerpräsidenten haben alle Gastronomen und Hoteliers in Schleswig-Holstein bereits seit zwei Wochen Planungssicherheit. Niemand musste sich unnötig auf eine mögliche Wiedereröffnung am 21. Dezember 2020 vorbereiten. Alle Hotels und Gaststätten bleiben bis zum 10. Januar 2021 geschlossen. Ich glaube, das kann man heute mit Sicherheit sagen. Deswegen waren die Ankündigungen richtig und gut. Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank dafür. Das Einzige, was verkorkst war, war der Anlass für diese Aktuelle Stunde. - Herzlichen Dank.
Zur allgemeinen Kenntnis: Bemerkungen und Zwischenfragen sieht unsere Geschäftsordnung auch während einer Aktuellen Stunde vor.
Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordnete Eka von Kalben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Koch, ich glaube, der Anlass für die Aktuelle Stunde, nämlich
die MPK letzte Woche, war nicht verkorkst. Meiner Meinung nach ist der Titel der Aktuellen Stunde verkorkst. Die SPD sagt: Wir brauchen Akzeptanz in der Bevölkerung und Gemeinsamkeit im Parlament, um die Akzeptanz nicht zu gefährden. - Ja, genau das! Aber diese Aktuelle Stunde und Ihre Rede, Herr Stegner, tragen dazu meines Erachtens überhaupt nicht bei.
Im Gegenteil, die Aktuelle Stunde suggeriert, dass irgendwelche Menschen in irgendwelchen Hinterstübchen Dinge beschlössen, am Parlament, an der Bevölkerung vorbei, und dass das Ganze antidemokratisch sei. Das steht da zwar nicht drin, aber das suggerieren der Titel und Teile Ihrer Rede. Das ist hochgefährlich, und das sollten wir hier nicht unterstützen.
Denn die Story, dass das am Parlament vorbeigehe das habe ich schon in der letzten Tagung gesagt -, ist falsch. Wir diskutieren hier sehr viel über die Maßnahmen, über eine Maskenpflicht, über Corona in der Schule, in der Hochschule, im ÖPNV, über die Schulbussituation, was auch immer. Wenn die Regierung vorhat, eine Verordnung zu erlassen, möchten wir von der Landesregierung einen Bericht haben. Wir haben dazu einen Antrag beschlossen. Jede Fraktion kann beantragen, dass wir vor und nach einer MPK eine Sondersitzung durchführen, und sagen: Herr Günther, wir wollen, dass Sie das und das mit in die MPK nehmen, und nach der MPK wollen wir hören, was Sie dort verhandelt haben.
Das steht uns allen offen. Sie suggerieren, dass das nicht möglich wäre, man hätte letzte Woche eine Sitzung durchführen können, dann wäre die NachGipfel-Kommunikation besser gewesen. - Ich finde, wir müssen gar nicht so stark auf die Nach-GipfelKommunikation setzen. Mein parlamentarisches Selbstverständnis ist ein ganz anderes: Ich möchte mit Ihnen über die Vor-Gipfel-Kommunikation reden, Herr Günther.
Wenn eine Verordnung kommt, möchte ich, dass Sie die Maßnahmen hier vorstellen, und dann werde ich Ihnen sagen, ob ich das unterstützen kann oder
Meine Damen und Herren, es liegt an uns allen: Wir können Anträge stellen, wir hätten längst einen Coronaausschuss einrichten können, wir können ein Gesetz beschließen, wir können die parlamentarische Beteiligung deutlich ausweiten. Es liegt nicht an unserer Fraktion, dass wir die parlamentarische Beteiligung nicht ausgeweitet haben.
Sie sagen, dass die Akzeptanz besser werden muss. Das teile ich absolut. Ich glaube allerdings, dass die Menschen die Diskussion über die Aktuelle Stunde nicht verstehen und sie mehr interessiert, wie es weitergehen wird, was passieren wird, als die Frage, ob der Ministerpräsident letzte Woche während der MPK die beiden Fraktionsvorsitzenden der Opposition angerufen hat. Darum geht es nämlich, wenn man ehrlich ist.
- Ja, darum geht es, ganz sicher. - Jetzt muss es um die Frage gehen: Was machen wir sofort oder spätestens nach Weihnachten?
Die Zahlen zeigen, dass es in der Bevölkerung die Erwartung gibt, dass etwas Grundlegendes passieren muss, um von den hohen Inzidenzen herunterzukommen.
Entschuldigung; das lag an mir. - Sie scheinen eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Stegner zu erlauben.
Liebe Frau Kollegin von Kalben, angesichts dessen, dass wir hier gemeinsam mit Zweidrittelmehrheit beschließen, finde ich Ihre Darstellung - ehrlich gesagt - ziemlich unwürdig. Ich habe mich in 80 % meiner Rede mit dem beschäftigt, was