Natürlich wollen wir nicht auf die EU warten, sondern eine nationale Lösung finden. Das machen andere uns schon vor, und das wäre somit kein Neuland. Natürlich kann es dann später immer noch eine EU-weite Lösung geben, und die sollte man auch anstreben, und der sollte sich Deutschland später auch anschließen. Aber erst einmal sollten wir die Ungerechtigkeit hier abstellen und mangelndes politisches Handeln nicht auf die EU schieben. Dort wird man sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren nicht einig werden, und deshalb müssen wir hier, wie schon andere, vorangehen.
Für uns ist es eine Frage der Gerechtigkeit: Spekulationsgeschäfte werden zwar schon jetzt besteuert, aber eben nicht so wie echte Arbeit oder auch echtes Unternehmertum. Es kann nicht sein, dass Kleinunternehmer und Mittelständler unter der Steuer- und Abgabenlast ächzen, dass abhängig Beschäftigte im OECD-Vergleich immer noch eine überdurchschnittlich hohe Steuer- und Abgabenlast haben und dass wir gleichzeitig Spekulanten immer noch Steuervergünstigungen gewähren. Hiermit muss Schluss sein, und deshalb brauchen wir jetzt umgehend eine Finanztransaktionssteuer. - Vielen Dank.
(Beifall SSW, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag des SSW zur Einführung der Finanztransaktionssteuer - auch FTT genannt - gelesen habe, war mein erster Gedanke: „Oh je, eine neue Steuer - und das in der schlimmsten Wirtschaftskrise der Geschichte der Bundesrepublik!“
Was jetzt gebraucht wird, sind keine neuen Steuern, sondern Anreize für Investitionen und Wachstum. Nur so können wir die Schulden bewältigen, die wir wegen der Coronakrise aufgenommen haben.
Wirtschaftswachstum ist der Schlüssel, um die Krise zu meistern, und es liegt in unserer Verantwortung, alles dafür zu tun, kommendes Wachstum nicht zu gefährden.
Forderungen wie die Erhöhung vorhandener Steuern oder sogar die Einführung neuer Steuern führen zu Verunsicherung und bremsen Wachstum aus.
Darum sind solche Forderungen in dieser Zeit schädlich und müssen aus meiner Sicht dringend vermieden werden.
sämtliche Umsätze am Wertpapiermarkt, immerhin für Kleinsparer eine Bagatellgrenze von 3.000 €, und - wenn eine EU-weite Einführung nicht funktioniert - eine nationale Einführung. Diese Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer halte ich für nicht zielführend, und ich sage Ihnen auch, warum. Wenn Sie auf sämtliche Umsätze am Wertpapiermarkt eine Steuer erheben, dann treffen Sie auch mit einer Bagatellgrenze von 3.000 € jährlich die Kleinsparer. Sie treffen die Mitte unserer Gesellschaft, diejenigen, die mühsam versuchen, ihre Rente mit privater Vorsorge aufzustocken,
und zwar immer dann, wenn jemand sein Geld im Rahmen vermögenswirksamer Leistungen in einen Fonds investiert, einen Riester-Vertrag bedient, Mitarbeiter-Aktien erwirbt oder bei seiner örtlichen Sparkasse, Genossenschaftsbank oder seiner Privatbank mit einem Aktien- oder Finanzplafonds monatliche Altersvorsorge betreibt; denn bei jedem Kauf würde die Finanztransaktionssteuer ein kleines Stück Rendite verzehren, die sich auf lange Sicht zu erheblichen Beträgen aufsummiert. Damit wird sowohl die private als auch die betriebliche Altersvorsorge erschwert.
Das Verrückte dabei ist, dass wir über die Einkommensteuer genau solche Produkte fördern. Das bedeutet, wir würden auf der einen Seite steuerliche Anreize für solche Altersvorsorgeprodukte setzen und sie auf der anderen Seite zeitgleich, und zwar in der Ansparphase, besteuern. Eigentlich sind wir seit 2005 weg von diesem System. Es tut mir leid, lieber SSW, aber das ist aus meiner Sicht kompletter Irrsinn. Da nützt auch Ihre Bagatellgrenze nichts.
Kaum ein Sparer kauft die entsprechenden Wertpapiere direkt. In den allermeisten Fällen ist ein Dienstleister zwischengeschaltet, und damit greift auch die Bagatellgrenze nicht. In der aktuellen Niedrigzinsphase ist es ohnehin schwierig geworden, für das Alter vorzusorgen. Da sollten wir den Sparern nicht noch die letzte Renditemöglichkeit nehmen.
Jetzt zu Ihrer Forderung, eine nationale Finanztransaktionssteuer einzuführen, also einen nationalen Alleingang zu machen. Haben Sie einmal nach Frankreich geschaut? - Die französische Finanztransaktionssteuer in Höhe von 0,3 % des Transaktionswerts wird bei einem Eigentümerwechsel von Eigenkapitalinstrumenten französischer Firmen,
schlicht Aktien oder aktienähnlichen Wertpapieren, fällig. Frankreich hat damals mit einem jährlichen Steueraufkommen von 1,6 Milliarden € gerechnet. Tatsächlich ist es die Hälfte geworden, knapp 756 Millionen €. Was ist der Grund? - Der Grund ist genau das, was Sie vorhin versucht haben auszuschließen, nämlich doch die Abwanderung ins Ausland.
An dem Beispiel sehen wird, dass es nur eine internationale, nur eine gemeinsame Lösung in der Europäischen Union geben kann.
Mit uns als CDU wird es keine Finanztransaktionssteuer geben, die Kleinsparer und Altersvorsorger belastet. Es wird mit uns als CDU auch auf gar keinen Fall einen nationalen Alleingang geben.
Aber zur Güte, lieber Lars Harms, kann ich immerhin sagen, dass wir bei der Besteuerung des Hochrisikohandels beziehungsweise des Hochfrequenzhandels im internationalen Rahmen mitgehen würden. Diese Art des Handels hat unter anderem auch die Finanzkrise 2008 ausgelöst. Aber hier darf nicht so getan werden, als wenn in Deutschland seitdem nichts passiert wäre.
Hochfrequenzhändler unterliegen mittlerweile der BaFin-Aufsicht, es wurden Gebühren für die Nutzung entsprechender Handelssysteme eingeführt, und es wurden Mindestpreisänderungsgrößen für die Algorithmen im Hochfrequenzhandel festgelegt. Das sind alles sinnvolle Maßnahmen, die in der jüngeren Vergangenheit in großem Konsens umgesetzt worden sind.
Ja, die Große Koalition kann da auch etwas machen und ist handlungsfähig. Das erkennt man vor allem auch daran, dass insgesamt über die Finanztransaktionssteuer seit Mitte der 1950er-Jahre ohne Ergebnis diskutiert wird. Das zeigt die Komplexität und die Schwierigkeit dieses Themas. Deswegen schlage ich vor, dass wir uns ausführlich im Finanzausschuss mit diesem Thema auseinandersetzen sollten. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der weltweiten Finanzkrise 2007 diskutiert man in der EU und insbesondere in Deutschland über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: Meine Partei diskutierte schon vorher darüber, da hieß es noch Spekulationssteuer. So ganz neu ist die Idee für uns also nicht.
Diese Finanztransaktionssteuer soll zu einer fairen Besteuerung des Finanzsektors führen, welcher weder der Umsatzsteuer noch einer besonderen Rechtsverkehrssteuer unterliegt. Lieber Kollege Harms, besteuert werden sollen alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten sowie alle Devisentransaktionen, also nicht nur die spekulativen Geschäfte. Da stimmte gerade die Eingangsvoraussetzung nicht.
Durch diese Steuer sollen Finanzinstitute an den Kosten der Bankenkrise beteiligt werden - so die Ursprungsidee -, und außerdem wollte man das Volumen der kurzweiligen Transaktionen reduzieren. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war ein großer Befürworter dieser Idee.
Das hört sich alles doch erst einmal toll an. Fast alle könnten dazu Beifall klatschen. Wer sollte etwas dagegen einzuwenden haben? - Und doch - es ist schon in den ersten beiden Beiträgen deutlich geworden - sind Sinn, Zweck und Ausgestaltung dieser Steuer nach wie vor ebenso umstritten wie die Einführung. Für eine europaweite Finanztransaktionssteuer gibt es auf europäischer Ebene derzeit keine Mehrheit.
Immerhin: Mindestens zehn Befürworter-Staaten wollen eine solche Abgabe im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit als Vorreiter einführen. Frankreich hat als erster Staat in Europa bereits zum 1. August 2012 eine Finanztransaktionssteuer eingeführt. Beim Kauf zahlreicher französischer Aktien ist seitdem eine Abgabe von jetzt 0,3 % fällig. Dem Beispiel Frankreichs folgend, hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz Anfang Februar 2019 gemeinsam mit dem französischen Minister Bruno Le Maire den anderen europäischen Finanz
ministern einen Kompromissvorschlag für genau so eine Aktiensteuer gemacht. Eine harmonisierte Besteuerung von Aktienerwerben - das wäre immerhin der Einstieg in eine umfassende Besteuerung von Finanztransaktionen und ein erster wichtiger Schritt hin zur angemessenen und gerechten Einbindung des Finanzsektors in die Finanzierung des Staatshaushalts. Wer diesen ersten Schritt nicht unternimmt, kann dem Ziel einer Steuer mit breiter Bemessungsgrundlage nicht näherkommen.
Aber auch dieser deutsch-französische Vorschlag war bislang nicht konsensfähig. Immerhin hat es im Zuge der Verhandlungen über den mittelfristigen Finanzrahmen der EU Vereinbarungen zum Thema Eigenmittel gegeben. In diesem Zusammenhang wird auch wieder über die Finanztransaktionssteuer diskutiert.
Die mittlerweile vorliegende Eigenmittel-Roadmap sieht vor, dass sich die EU-Kommission bemühen wird, auf der Grundlage von Folgenabschätzungen für die Einführung neuer Eigenmittel bis Juni 2024 einen Vorschlag vorzulegen, der auch eine Finanztransaktionssteuer umfassen könnte. Verhandelt wird über die Einführung als neues Eigenmittel zum 1. Januar 2026.
Wir begrüßen diese Entwicklung auf gesamteuropäischer Ebene natürlich. Ich bin sicher, dass sich die Bundesregierung, insbesondere Bundesfinanzminister Olaf Scholz, konstruktiv und zielführend in die Verhandlungen einbringen wird, um einen Abschluss der Verhandlungen auf europäischer Ebene noch vor dem Termin 2024 zu erreichen.
Der Kollege Plambeck hat es gesagt: Nach dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist die Einführung einer nationalen Finanztransaktionssteuer im Moment nur im europäischen Kontext vorgesehen. Ich will aber nicht verhehlen: Das alles dauert mir zu lange.
Insofern ist es kein Wunder, dass Rufe nach weiteren nationalen Lösungen laut werden, so wie jetzt mit diesem Antrag vom SSW. Aber hilft uns das wirklich weiter?
Ist es zielführend, wenn jedes Land eigene Besteuerungsgrundlagen und möglichst eigene Befreiungstatbestände festlegt? Natürlich würde ein Teil der Geschäfte woandershin verlegt. Wer sollte erfassen und kontrollieren, ob der Wohnsitz des Käufers im Inland ist? Das setzt ein umfassendes Kontroll- und Mitteilungssystem voraus.