Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Berichtsantrag der Jamaika-Koalition - ich muss es zugeben - hat mich schon ein wenig verwundert. Zum einen haben wir uns, wie hier im Parlament verabredet, in der vergangenen Woche gerade erst, wie übrigens schon zu Beginn der Pandemie, vom Justizminister und jetzt auch Teilzeit-Bildungsminister zu diesem Thema berichten lassen. Wer sich mit Gefängnissen auskennt, kennt sich vielleicht auch mit Schulen aus. Ich danke dem Minister für seinen wiederholten Bericht.
Zum anderen wird nicht verständlich, warum die Justiz herausgehoben wird und nicht Schulen, Hochschulen oder die Landespolizei.
In allen Landesdienststellen leisten die Beschäftigten unter diesen Bedingungen eine herausragende Arbeit - auch im Finanzamt natürlich, Frau Kollegin.
Gleiches gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunalverwaltungen, gerade in den Gesundheitsämtern. Wir können den Bundeswehrangehörigen und den Aktiven in den Hilfsorganisationen genauso dankbar sein wie den Bediensteten der Justiz.
Eine Besonderheit besteht in der Tat darin, dass in Teilen der Justiz, nämlich im Vollzug, die Dienstleistung, wie es so schön heißt, körpernah stattfindet. Bei der Polizei ist es in Teilen auch so und damit nicht nur in den Krankenhäusern des Landes. Abstandsgebote zum Fremd- oder Eigenschutz sind dort nicht oder nur bedingt umsetzbar.
Herr Minister, dieser Bericht hätte einen höheren Sinn erfahren können, wenn Sie beispielsweise angekündigt hätten, mit Blick auf die Anerkennung einer im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit erlittenen Coronainfektion als Dienstunfall endlich die Beweislast für die Kausalität dieser Erkrankung neu zu regeln. Vielleicht reden Sie einmal mit der Frau Innenministerin darüber. Ein Fürsorgeleitfaden ist gut, Entschädigungsleistungen wären besser.
Davon war im Bericht leider kein Wort zu hören. Den eigentlichen Problemen vor diesem Hintergrund weichen sie leider aus. Taten statt Applaus wären an dieser Stelle angebrachter.
Das Ausweichen ist aus ihrer Sicht natürlich durchaus verständlich, denn die Justiz hat sich - das muss man wirklich feststellen - in der Krise gut organisiert. Damit kann man sich natürlich auch selbst loben. Die Informationen zu Dienstleistungen der Gerichte, Verfahren - Sie haben es beschrieben oder Besuchen in den Justizvollzugsanstalten werden im Internet übersichtlich und verständlich dargestellt, aber es läuft auch in der Praxis. Die Arbeit in den Justizbehörden weist einen hohen Digitalisierungsgrad auf. Das ist gut und erleichtert in diesen Zeiten natürlich die Arbeit.
Die Ausstattung mit Dienstlaptops ist gut, bleibt allerdings den sogenannten Servicekräften, die hier oft genannt und schwer gelobt werden und von denen es mehr geben soll, nach meiner Information bislang verwehrt - also Homeoffice erst ab A 9/ A 10. Die Möglichkeiten für Homeoffice sollten sich doch nach der Art der Arbeit richten und nicht nach der Stellung in der Hierarchie.
Gerichtsverhandlungen finden zurzeit an dafür ungewöhnlichen Orten statt. Frau Ostmeier hat ein Beispiel genannt. Es ist toll, dass die Mitarbeitenden den Mehraufwand dafür schultern. Es ist aber auch ein Hinweis darauf, dass Raumbedarf und Saalgestaltung nach der Pandemie zu einem Thema der Justizverwaltung werden müssen.
Die Erlasse zur Pandemie in den Justizvollzugseinrichtungen habe ich mir angeschaut. Die detaillierte Regelung der Geschäftsgänge in den Justizvollzugsanstalten hat mich als alten Bürokraten ehrlich gesagt schwer beeindruckt. Es ist gut, dass es bislang zu keinen größeren Schwierigkeiten im Vollzug gekommen ist. Auch wenn der Coronafall in Lübeck durch einen Mitarbeiter bedingt war, hat sich die Situation in so einer speziellen Einrichtung wie eine Haftanstalt besonders auf die Gemütslagen aller Beteiligten - sowohl der Bediensteten als auch der Gefangenen - ausgewirkt.
Wir haben in der Anhörung zum Justizvollzugsmodernisierungsgesetz und durch die wieder einmal vertagte Berichterstattung zur Personalausstattung deutliche Hinweise auf die angespannte personelle Situation bekommen. Es ist gut - Frau Ostmeier hat es angesprochen -, wenn auch die Bediensteten in Justizvollzugsanstalten in die Prioritätenliste aufgenommen werden und da auch ein Stück weit nach oben gelangen. Denn da ist natürlich, wie man sich vorstellen kann, nun einmal kein Homeoffice möglich. Die Arbeit findet am Gefangenen statt.
Auch die Gefangenen müssen mit Einschränkungen leben, wenn die Arbeit und damit der geringe Verdienst ausfallen. Da sind 10 € oder 20 € Hinzuverdienst für jeden Gefangenen eine Menge Geld. Gut, dass hier ein Teilausgleich geschaffen wurde, aber eine umfassende Lohnersatzregelung im Vollzug ist dennoch überfällig.
Ebenso sind die Ausgänge für Gefangene komplizierter geworden, und Gewöhnung an das Leben draußen und der Kontakt zur Familie werden damit schwieriger und leiden. Die Freizeitgestaltung in den Vollzugsanstalten wird natürlich ebenso schwieriger. Wer einmal eine Justizvollzugsanstalt besucht hat - hoffentlich nicht mit längerem Aufenthalt -, weiß, dass sich die Gemütslage zu den Weihnachtsfeiertagen verändert, an diesen Weihnachtsfeiertagen besonders verletzlich ist - auf beiden Seiten.
Es ist wichtig - vielleicht rechtfertigt es diesen Bericht doch ein Stück weit mehr -, dass wir an dieser Stelle deutlich machen können, dass wir die Situation wahrnehmen, die Leistung anerkennen und uns
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal, Herr Minister Claussen, ganz herzlichen Dank für diesen ermutigenden Bericht. Kollege Thomas Rother, warum wir das hier an einer so exponierten Stelle beraten: Das liegt einfach daran, dass in unserem Gewaltengefüge der Demokratie in der Bundesrepublik - nicht nur hier, sondern in allen Demokratien - die Justiz eine ganz herausgehobene und wichtige Stellung hat.
(Beifall Barbara Ostmeier [CDU], Ole-Chris- topher Plambeck [CDU], Anette Röttger [CDU], Dennys Bornhöft [FDP] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Sie ist nämlich das entscheidende Kontrollorgan für die Exekutive und auch für die Legislative, wenn man an die Verfassungsgerichtsbarkeit denkt. Es ist von existenzieller Bedeutung für die Demokratie, dass dieser Zweig der Gewaltenteilung unter allen Umständen aufrechterhalten bleibt - auch unter den Bedingungen eines Lockdowns.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Anet- te Röttger [CDU], Dennys Bornhöft [FDP] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Darum ist es gerechtfertigt, heute hier ausführlich darüber zu diskutieren. Mir ging dabei - auch gestern schon während der Diskussion um die Impfstrategie - eine Gedichtzeile von Friedrich Hölderlin durch den Kopf:
- Schön. Das Rettende wird man derzeit natürlich zunächst mit einem wirksamen Impfstoff gegen die Covid-19-Erkrankung verbinden. Aber was kann denn das Rettende für die Funktionsfähigkeit der Justiz und der Justizvollzugsanstalten sein, solange ein Impfstoff noch nicht für alle zur Verfügung steht - vor allen Dingen angesichts eines akut drohenden weiteren Lockdowns? - Da sind mit Sicherheit auch Digitalisierung und der Einsatz virtueller
Kommunikation im Gerichtswesen und auch im Bereich des Justizvollzugs zu nennen. Der Minister hat darauf hingewiesen, wie weit wir hier im Land bei der Digitalisierung der Justiz schon sind und wie nützlich dies zum Beispiel für das Gerichtspersonal beim Homeoffice ist.
Aber ich muss auch feststellen, dass die Justiz vor dem Ausbruch der Pandemie vor allem in einem bestimmten Bereich lange Jahre in einem - na ja - gewissen Dornröschenschlaf verharrte, nämlich bei der Durchführung der Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz als Alternative zur Präsenzverhandlung. Dabei wurde diese Möglichkeit gesetzlich bereits im Jahr 2002 - 2002! - in der Zivilprozessordnung geschaffen. Seitdem ist es zulässig, eine mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme mit technischen Hilfsmitteln zur Übertragung von Bild und Ton durchzuführen. Diese Möglichkeit ist 2013 noch einmal gesetzlich deutlich auch auf andere Gerichtszweige einschließlich der Strafjustiz ausgeweitet worden.
Ziel dieser Regelungen war es von Anfang an, Verfahrensbeteiligten die Teilnahme von einem anderen Ort als dem Gerichtssaal aus zu ermöglichen und Beweisaufnahmen mit weit entfernten Zeuginnen und Zeugen oder Sachverständigen durchführen zu können.
Gerade in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein wäre das für Prozessbeteiligte in vielen Fällen ein großer Segen. Man denke nur daran, dass zum Beispiel unser einziges Verwaltungsgericht in Schleswig liegt. Für Verfahrensbeteiligte aus Geesthacht ist das selbst mit Pkw eine Reise von bis zu vier Stunden hin und zurück.
Obwohl es diese Möglichkeit also schon seit 2002 rechtlich gibt, habe ich als Rechtsanwalt nicht einen einzigen Fall erlebt, bei dem ein Gericht in Schleswig-Holstein bisher von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Dabei gibt es natürlich viele Verhandlungen vor Zivilgerichten, bei denen zum Beispiel nur ein paar rechtliche Fragen erörtert und dann die Anträge gestellt werden. Dann fährt man wieder nach Hause. Weswegen dafür lange Anreisen notwendig sein sollen, hat sich mir eigentlich noch nie so richtig erschlossen.
Natürlich gibt es auch Fälle, wo eine videogestützte Verhandlung völlig untauglich ist. Das ist zum Beispiel eine Anhörung von Minderjährigen in Familiensachen oder in Kindschaftssachen vor dem Familiengericht oder auch in vielen Beweisaufnahmen in Strafverfahren. Aber eben in sehr vielen anderen Fällen können selbst bei einem Lockdown zügig
mit Videoverhandlungen Fälle abgearbeitet werden und zum Abbau von Rückständen beitragen. Da ist es ein Segen, dass wir im Bereich der sogenannten E-Justice, bei der elektronischen Akte, aber auch in der Ausstattung der Gerichte mit visuellen Kommunikationsmitteln im Bundesvergleich wirklich eindeutig in einer Spitzenliga spielen. Das muss man hier einmal ganz deutlich betonen.
Jetzt haben wir die Chance, die gegenwärtige Pandemie als Antriebsmotor für die Modernisierung der Justiz zu nutzen und diesen Fortschritt danach auch zu verstetigen. Das wird dem Rechtsstaat guttun.
Aber auch im Strafvollzug stellt sich die Digitalisierung in Pandemiezeiten als wertvoll heraus. Der Minister nannte die Beispiele Telemedizin - es ist sehr wichtig, dass die Inhaftierten jetzt Therapiegespräche und Untersuchungen durch Ärzte im Wege der Telemedizin durchführen können - oder auch die Skype-Telefonie als Ersatz für Besuch bei den Gefangenen. Die können eben im Augenblick nicht körperlich präsenten Besuch von ihren Verwandten oder Freunden bekommen, sondern müssen auf andere Technologien umschalten. Das ist eben die Skype-Telefonie, die in Lübeck zum Beispiel ausgesprochen intensiv genutzt wird.
Insgesamt muss man natürlich feststellen, dass die Pandemie gerade den Bereich des Justizvollzugs besonders schmerzhaft getroffen hat, und zwar alle Beteiligten, die Mitarbeiterschaft, die Leitungen der JVA und auch die Gefangenen, zum Beispiel durch stark reduzierte Aufschlusszeiten, den Wegfall von Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, den Wegfall des persönlichen Besuchs bei den Gefangenen; aber auch aufreibender Zweischichtbetrieb bei den Vollzugsbediensteten ist eine ganz herausfordernde Arbeitsweise. Auch für die Leitungen der Anstalten gab es bei der Organisation eines Gefahren- und Risikomanagements ungeheure Herausforderungen, die hervorragend geleistet worden sind, dass man nur glücklich sein kann.
Als parlamentarisches Mitglied des Anstaltsbeirats in der JVA Lübeck habe ich zusammen mit dem Kollegen Rother regelmäßig vertieften Einblick in diesen Bereich. Man kann allen Beteiligten in den Justizvollzugsanstalten nur größten Respekt dafür zollen, dass dort bislang ein Covid-19-Ausbruch verhindert werden konnte.
(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Barbara Ostmeier [CDU], Katja Rathje-Hoffmann [CDU] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])
Bisher hat es auch noch in keiner Anstalt im Land unter den Gefangenen einen brisanten Lagerkoller gegeben. Das ist durchaus eine Gefahr, die im Raum steht, wenn man die Bedingungen sieht, unter denen die Gefangenen da zurzeit leben müssen. Auch die Nerven der AVDler in den Anstalten sind gerade jetzt zur Weihnachtszeit angespannt. Deshalb ist das mit einem unglaublichen sensiblen Handling von der Leitung zu begleiten. Ich habe den Eindruck, dass das in hervorragender Weise gelingt.
Wegen der erheblichen Risiken in diesem Bereich, wäre es sicher sinnvoll, den Beschäftigten und den Insassen der Justizvollzugsanstalten möglichst frühzeitig die Gelegenheit zur Impfung zu geben. Getreu nach dem Gedicht Hölderlins: