Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

(Kay Richert)

ren Einsatzlagen ausgesetzt sind. Es handelt sich häufig auch um Einsätze mit hohem Konfliktpotenzial. Dies sind keine Einzelfälle, sondern es lässt sich zunehmend ein gesellschaftlicher Wandel erkennen. Wir verzeichnen einen Wertewandel in Teilen der Gesellschaft, verbunden mit einem Akzeptanzverlust gegenüber der Polizei oder auch staatlichen Organen, sowie die zunehmende Bereitschaft, Konflikte mit Gewalt zu lösen, und eine Zeit, in der der Respekt vor der körperlichen Unversehrtheit des Mitmenschen tatsächlich abnimmt.

Aber auch wir als Vertreter der Politik müssen uns für mehr Respekt im Umgang miteinander einsetzen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte zum Umgang mit Gewalt in unserer Gesellschaft sowie über mehr Respekt gegenüber Einsatzkräften und die Verhinderung von Übergriffen. Damit einhergehen muss aber auch, dass von vornherein versucht wird, Gewalt zu verhindern. Das heißt, auch die Präventionsarbeit muss hier weiter gestärkt werden.

Zum anderen müssen die Beamten geschützt werden, die Gewalt ausgesetzt sind. Das ist klar, denn auch Polizeibeamte haben ein Anrecht auf körperliche Unversehrtheit. Da geht es auch um die Ausrüstung der Polizei. Als Dienstherr hat das Land hier gegenüber seinen Beamten eine besondere Verantwortung. Ich glaube, wir alle im Haus sind uns grundlegend darüber einig, dass wir uns zu dieser Verantwortung auch entsprechend bekennen.

Wir haben die rechtlichen Instrumente und brauchen an dieser Stelle keine Verschärfung, denn auch härtere Strafen werden die Gewaltbereitschaft gegenüber staatlichen Organen nicht unterbinden. Das geht nur, wenn wir die Leute wirklich überzeugen, und mit Strafen überzeugt man nicht, meine Damen und Herren. Schließlich hat schon die letzte Straferhöhung beim Widerstandsparagrafen im Jahr 2011 nicht das erhoffte Ergebnis gebracht.

Das beste Instrument diesbezüglich ist und bleibt die Präventionsarbeit. Wir sollten daher die Polizeibeamten noch besser auszurüsten und insbesondere für Konfliktsituationen noch besser vorbereiten.

Noch einige Worte zum Antrag zum richterlichen Bereitschaftsdienst: Ja, es ist richtig, dass Polizeiund Justizbehörden eng zusammenarbeiten müssen. Dies ist in Schleswig-Holstein auch der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch liebe Bürgerinnen und Bürger. Im vorliegenden Antrag wird das Thema Bereitschaftsdienst in den Landgerichtsbezirken aufgegriffen. Dabei lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, dass die Rechtssi

cherheit oder generell rechtssicheres Handeln ab einer gewissen Uhrzeit in Schleswig-Holstein angeblich nicht mehr gewährleistet wäre. Dazu würde ich von den antragstellenden Fraktionen gern einmal wissen, ob es wirklich ein akutes Problem diesbezüglich gibt, ob es tatsächlich etwas Konkretes gegeben hat, denn das steht weder im Antrag noch haben Sie, Herr Schaffer, das eben dargelegt. Mich würde wirklich interessieren: Gibt es da etwas? Davon haben wir bisher noch nichts gehört. Wer oder was soll davon genau betroffen sein? Oder ist es vielleicht doch so, dass mit diesem Antrag ein Problem geschaffen werden soll, wo keins ist, damit man das besser vermarkten kann, meine Damen und Herren?

(Beifall SPD, vereinzelt FDP und SSW)

Größere Engpässe bei den Bereitschaftszeiten sind uns jedenfalls nicht bekannt. Kollege Peters hat eben auf die Drucksache 18/4360 hingewiesen. Da steht lang und breit - tatsächlich auf 14 Seiten -, was hier alles vorhanden und wie der Bereitschaftsdienst organisiert ist und wie das funktioniert. Ich habe den Eindruck: Er funktioniert gut. Es mag immer einmal sein, dass bei einem Dienstplan irgendetwas durcheinander geht; das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber vom Grundsatz her ist die Rechtssicherheit auf diesem Gebiet wirklich gewährleistet.

Hier scheint es wirklich so zu sein, dass Sie nur ein Problem schaffen wollten, wo gar keins ist. Vor dem Hintergrund stelle ich fest, dass beide Anträge absolut unsinnig sind. Deshalb - das ist klar - werden wir sie ablehnen.

(Beifall SPD, FDP und SSW)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun für die Landesregierung die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Beide Anträge der AfDFraktion sind aus Sicht der Landesregierung nicht zielführend.

Ich beginne mit der Forderung, dass wir uns auf Bundesebene für die Strafbarkeit von Angriffen und Bedrohungen gegen Polizisten und andere staatliche Repräsentanten und Rettungskräfte ein

(Lars Harms)

setzen sollen. Dass sich die Antragsteller um den Schutz von Menschen sorgen, die sich für unser Gemeinwohl einsetzen, ist zunächst nicht zu beanstanden. Dass sie dabei jedoch den Anschein erwecken, unser Strafgesetzbuch enthalte bis jetzt keine besonderen Vorschriften zum Schutz dieser Personen, halte ich hingegen für unredlich und verantwortungslos.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Niemand in diesem Hohen Hause wird ernsthaft bestreiten, dass Polizisten und andere Einsatzkräfte vor Gewalt und Angriffen durch wirksame Strafvorschriften und konsequente Strafverfolgung geschützt werden müssen. Das sieht der Gesetzgeber im Übrigen schon seit dem 19. Jahrhundert so, weshalb es die geforderten Vorschriften in Form der §§ 113 bis 115 des Strafgesetzbuches auch längst schon so gibt, in ihrem Kernbestand seit 1872.

Ja, wir haben in den letzten Jahren eine erschreckende Zunahme von Gewalt und Drohungen gegen Polizisten und Rettungskräfte wahrgenommen. Deshalb haben wir im breiten Konsens die geltenden Strafvorschriften erst vor wenigen Monaten - wir haben es heute schon mehrfach gehört deutlich verschärft. Ich habe als Rechtspolitikerin und Bundestagsabgeordnete selbst daran mitgewirkt. Das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften vom Mai 2017 hat für tätliche Angriffe einen eigenen Straftatbestand mit verschärftem Strafrahmen geschaffen und den Katalog der besonders schweren Fälle erweitert. Der Gesetzgeber ist seiner Verantwortung zum Schutz von Polizisten und Einsatzkräften gerecht geworden. Nun gilt es, meine Damen und Herren, diese Vorschriften konsequent anzuwenden. Ich kann Ihnen versichern, dass die schleswig-holsteinischen Strafverfolgungsbehörden dies jederzeit tun werden.

Damit komme ich zum zweiten Antrag, der eine richterliche Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft an allen Tagen der Woche fordert. Die Antragsteller sorgen sich um die Rechtssicherheit für Bürgerinnen und Bürger, Polizei- und Ordnungsbehörden und beklagen, dass das Grundgesetz in Schleswig-Holstein keine volle Wirkung mehr entfache, wie es in dem Antrag so schön heißt. Ich kann Sie beruhigen: Der Rechtsstaat in Schleswig-Holstein ist weder tagsüber noch nachts in Gefahr.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Antragsteller begründen ihre Forderung damit, dass nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Polizei- und Ordnungsbehörden einen Anspruch auf rechtssicheres Handeln hätten. Das ist eine Meinung, die nicht im Einklang mit unserer Rechtsordnung steht, denn: Grundrechte schützen nicht den Staat und seine Mitarbeiter vor falschen Entscheidungen, sondern ausschließlich die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Antragsteller behaupten weiter, Landgerichte seien für die Strafverfolgung, Amtsgerichte für die Gefahrenabwehr zuständig. Das ist eine interessante Meinung, die im Gesetz auch keine Stütze findet.

(Heiterkeit CDU und SPD)

Richtig ist, dass Eilentscheidungen in beiden Bereichen grundsätzlich durch die Amtsgerichte zu treffen sind. Richtig ist auch, dass in Schleswig-Holstein an sieben Tagen der Woche flächendeckend eine amtsrichterliche Erreichbarkeit zwischen 6 und 21 Uhr gewährleistet ist. Das Bundesverfassungsgericht fordert einen flächendeckenden richterlichen Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit nur dort, wo ein praktischer Bedarf besteht.

Wir haben eben die Frage aufgeworfen bekommen. Ein solcher Bedarf besteht bisher in Schleswig-Holstein grundsätzlich nicht. Das hat eine erst wenige Jahre zurückliegende Erhebung der Fallzahlen ergeben und entspricht auch dem, was mir die Praktiker berichten. Wenn allerdings besondere Anlässe zu verzeichnen sind, wird selbstverständlich angemessen reagiert, so zum Beispiel beim G-7-Außenministertreffen im April 2015. Es wurde ein erweiterter richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet, und zwar nachts.

Wir alle wissen um die hohe Belastung der Justiz. Verantwortliche Justizpolitik bedeutet, die personellen Ressourcen dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Eine flächendeckende richterliche Nachtbereitschaft brauchen wir in Schleswig-Holstein derzeit nicht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat sich jetzt der Abgeordnete Claus Schaffer aus der AfD-Fraktion gemeldet.

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

Ergänzen darf ich dazu noch, dass es sehr wohl einen praktischen Bedarf gibt. Vielen Dank aber trotzdem für Ihren Bericht. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, und ich weiß, dass wir etliche Male im dienstlichen Betrieb im Landesgerichtsbezirk Lübeck - das sind rund 800.000 Einwohner - in Strafrechtssachen, und nur die habe ich in diesem Zusammenhang tatsächlich erwähnt - - Insofern möchte ich Ihre Ausführungen einmal richtigstellen. Auch das, was ich an anderer Stelle gehört habe, muss dahin gehend korrigiert werden.

Es gibt keinen Bereitschaftsdienst in Strafsachen nach 21 Uhr. Zumindest gilt das für den Landgerichtsbezirk Lübeck. 800.000 Einwohner sehen sich dann Eilentscheidungen der Polizeibeamten gegenüber, die maximal noch von den Staatsanwaltschaften, die tatsächlich rund um die Uhr erreichbar sind, unterstützt werden. Dennoch gibt es einen Richtervorbehalt, und der ist regelmäßig außer Kraft gesetzt. Der Bedarf ist da. Wenn Sie bei den Praktikern fragen, würde ich die Polizeibeamten empfehlen und nicht irgendwelche Bundesverfassungsgerichtsentscheide und Gutachten. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung in der Sache.

Zunächst rufe ich auf Abstimmung zu a), Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/240. Wer dem Antrag zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Vielen Dank. Damit ist der Antrag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDPFraktion und der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung zu b), Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/241. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Damit ist der Antrag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen der CDU-Fraktion, der SPD-Fraktion, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der Abgeordneten des SSW ebenfalls abgelehnt.

Ich unterbreche die Tagung bis morgen früh um 10 Uhr und wünsche allen einen schönen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:03 Uhr

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenografischer Dienst