Sie sagen, die im Mai getroffene verschärfte Strafregelung für Gewaltdelikte gegen Polizisten und Hilfskräfte biete keinen ausreichenden Schutz. Deshalb wollen Sie das Gesetz erneut verschärfen. Frau Nicolaisen hat es bereits gesagt. Es ist gerade an allen Ecken und Enden verschärft worden. Ich frage Sie: Ab welchem Strafmaß wird in Ihren Augen Schutz erreicht?
Ganz komisch wird es, wenn Sie einen Satz später behaupten, dass die Strafverfolgung dieser Taten eine erhebliche kriminalpräventive Wirkung entfalten werde. Das müssten wir dann ja jetzt schon haben. Das ist ein Widerspruch in sich.
Meine Damen und Herren, ich bin mit Leib und Seele Polizistin gewesen. Über viele Jahre habe ich die Debatten zur Verschärfung des Strafrechts verfolgt. Das hat nichts an meiner grundsätzlichen Überzeugung ändern können: Härtere Strafen führen nicht automatisch zu besserem Wohlverhalten.
Ich sage es in aller Deutlichkeit: Ich finde es geradezu lächerlich, wenn behauptet wird, dass eine erhebliche kriminalpräventive Wirkung entsteht, wenn Täter, die Polizisten und anderen Helfern Schaden zufügen, härter bestraft werden. Meine Erfahrungen haben immer wieder gezeigt, es gibt mehrere Bedingungen, unter denen Menschen Polizisten und Helfer angreifen: übermäßiger Alkoholkonsum, übermäßiger Drogenkonsum, plötzlich eskalierende Situationen, psychische Krankheiten. Dann gibt es noch die Situation, dass Menschen den Staat einfach hassen. Das haben wir beim G-20Gipfel erlebt. In all diesen Momenten ist der Einfluss auf Menschen durch höhere Strafen obsolet. Wir können sie gar nicht erreichen, weil sie in dem Moment, in dem sie agieren, rational gar nicht ansprechbar sind.
Dann möchte ich mich noch dem Normalbürger zuwenden. Die Bevölkerung schätzt ihre Polizei. Das hat man nach dem G-20-Gipfel an ganz vielen kleinen und großen Gesten gesehen.
Die Bevölkerung vertraut ihrer Polizei, weil die Kolleginnen und Kollegen im Einsatz taktisch klug vorgehen, weil sie dienstlich gelassen bleiben und weil sie menschlich umsichtig handeln. Wer als Politiker Polizisten und Helfer wertschätzen möchte, der sorgt für gute Arbeitsbedingungen, für ausreichend Kolleginnen und Kollegen an der Seite derjenigen, die eingesetzt sind, und für eine gute und sichere Ausrüstung. Die schützt nämlich direkt und unmittelbar.
Ich persönlich war immer stolz, Polizistin zu sein. Besonders stolz war ich darauf, Repräsentantin eines Staates zu sein, vor dem man keine Angst haben muss. Das macht ein modernes und demokratisches Staatsverständnis aus, und in diesem Sinn bin ich zutiefst überzeugt, dass das Ansehen meiner Kolleginnen und Kollegen nicht steigt, wenn eine Körperverletzung ihnen gegenüber zukünftig härter bestraft wird. Dass sie bestraft werden muss, ist unstrittig.
Vielen Dank. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Burkhard Peters.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegin, vielen Dank für diese engagierte Rede aus einem sehr berufenen Mund.
Zum Thema richterliche Bereitschaftsdienste: Herr Schaffer, da hätten Sie sich einmal die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDPFraktion „Gerichte und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein“, ich sage Ihnen auch die Drucksache, 18/4360 vom 30. Juni 2016, anschauen sollen. Dort wird allein zum Punkt des richterlichen Bereitschaftsdienstes auf 14 Seiten umfassend die Situation in Schleswig-Holstein im richterlichen Bereitschaftsdienst dargestellt. Danach ist bei allen Staatsanwaltschaften des Landes ein täglicher
24-Stunden-Bereitschaftsdienst in Form einer Rufbereitschaft eingerichtet. Bei dem richterlichen Bereitschaftsdienst ist es so, dass dieser von 6 Uhr bis 21 Uhr bei den Amtsgerichten vollständig gewährleistet ist.
Der Bund der deutschen Kriminalbeamten hat in seiner Stellungnahme vom 6. Januar 2017 zu dieser Großen Anfrage mit keinem Wort irgendwelche Defizite beim richterlichen Bereitschaftsdienst in unserem Land angesprochen, und die müssen es ja nun wirklich wissen. Sie bauen mit diesem Antrag ein Scheinproblem auf. Wir lehnen diesen Antrag deswegen ab.
Zum Antrag bezüglich Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte ein ähnlicher Befund: Am 30. Mai 2017, Herr Schaffer, das ist noch nicht einmal fünf Monate her, trat das 52. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs mit dem Titel „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ in Kraft, und da ist genau das geregelt worden, was Sie hier gerade so vehement gefordert haben. Schauen Sie nicht einmal in eine Zeitung hinein? - Ich verstehe Ihr Gerede nicht. Ich habe Ihrem Antrag auch überhaupt nicht entnehmen können, was Sie eigentlich noch mehr wollen als das, was in dieser extremen und nach Ansicht vieler Strafrechtsexperten verfassungswidrigen Verschärfung bereits umgesetzt worden ist.
Wollen Sie eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr zum Beispiel für das Anrempeln eines Polizeibeamten während einer Demo, auch wenn der Täter keine Verletzungsabsicht hatte und eine Verletzung nicht stattfand? Das ist nach dem neuen Recht nämlich schon ein tätlicher Angriff, Mindeststrafe sechs Monate.
Über Sinn und Unsinn von Strafrechtsverschärfungen in einem Bereich, in dem die ganz überwiegend männlichen Täter betrunkene Randalierer oder Drogenabhängige sind, haben wir hier schon öfter debattiert. Ich bleibe dabei, diese Menschen stellen in ihrer vernebelten Rage überhaupt keine Rechtsfolgenerwägungen an. Denen ist das völlig egal, was im Strafgesetzbuch steht. Ich fürchte, dass auch die letzte Strafrechtsverschärfung nicht die beabsichtigte Wirkung haben wird. Wenn man dies überprüfen will, dann müsste man zumindest eine längere Frist als ein halbes Jahr gewähren, um zu evaluieren, ob eine solche Strafrechtsverschärfung wirklich etwas gebracht hat. Das ist offenbar nicht der Fall.
Was wirklich hilft, können Sie in der sehr aufschlussreichen Studie „Gewalt gegen Polizeibeamte“ des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen aus dem Jahr 2011 nachlesen: Schutzausrüstung verbessern, Kommunikationstraining verstärken, mehr weibliche Vollzugskräfte einsetzen, Prävention gegen maßlosen Alkoholkonsum verstärken, Imagekampagnen für Polizei und Rettungskräfte. Strafverschärfungen gehörten ausdrücklich nicht zum Maßnahmepaket der Kriminologen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin eigentlich ganz froh und stolz, dass wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen eine Vielzahl unserer Positionen und Forderungen für unsere Polizistinnen und Polizisten durchsetzen konnten. Diese Koalition hat ein klares Bekenntnis für die Polizei abgelegt, und das ist auch gut und richtig so. Wir bekennen uns zu einer bürgernahen, attraktiven und leistungsfähigen Polizei.
Erste wichtige Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel wurden schon vollzogen. Wir haben zum Beispiel die Schließung der Polizeistationen in der Fläche gestoppt.
Auch werden wir weitere Stellen schaffen, indem wir jedes Jahr 400 Polizistinnen und Polizisten zusätzlich ausbilden werden. Wir werden neue Beförderungs- und Personalentwicklungskonzepte auf den Weg bringen und so auch dafür sorgen, dass der besonders belastende Dienst noch stärker berücksichtigt wird. Und wir werden moderne und gesundheitsschonende Schichtdienstmodelle entwickeln. Das sind nur Beispiele. Die Reihe der Maßnahmen, die Jamaika vereinbart hat, ist lang. Diese Koalition steht zur Polizei, und wir stärken sie auch.
Wir werden das Polizeirecht insgesamt einer Schwachstellenanalyse unterziehen und so gezielt mehr Rechts- und mehr Handlungssicherheit für unsere Polizei schaffen.
Auch beim Thema Gewaltanwendungen, auf das sich einer der beiden Anträge bezieht, stehen wir fest an der Seite unserer Polizisten. Wir stehen auch für sie ein. So haben wir zum Beispiel vereinbart, dass wir erreichen wollen, dass zukünftig die Dienstbehörden die Schmerzensgeldforderungen übernehmen, die Polizisten gegen Schädiger haben können, wenn sich abzeichnet, dass diese gar nicht oder nur schwer eingetrieben werden können. Wir werden eine verbesserte psychologische Nachsorge und die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes schaffen. Die Erhöhung der Erschwerniszulage ist ein weiterer Punkt, der in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist. Also mehr Unterstützung und mehr Entlastung, das ist der Weg, den wir gemeinsam mit den Polizistinnen und Polizisten in den nächsten Jahren gehen werden. Wir leisten damit einen echten Beitrag zur Verbesserung der Situation.
Zur besonderen Strafbarkeit von Angriffen auf Polizistinnen und Polizisten und andere Bedienstete: Wir sind ja die Partei der Rechtsstaatlichkeit, und es ist schon gesagt worden, dass das Recht vor Kurzem bereits verschärft wurde. Hier gilt wie in anderen Bereichen auch, dass zuerst einmal die bestehenden Gesetze konsequent angewendet werden müssen, bevor immer weitere Verschärfungen durchgesetzt werden, die am Ende ohnehin ins Leere gehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Eindruck, dass in Schleswig-Holstein Rechtsschutzlücken wegen nicht besetzter Richterbereitschaftsdienste bestünden, ist schlichtweg falsch. Es gibt die Bereitschaftsdienste, und diese sind konform mit den von höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. Auch für den Fall der Nichterreichbarkeit des Bereitschaftsdienstes sind klare Regeln entwickelt worden, und es besteht kein Mangel an Rechtssicherheit, wie hier wohl suggeriert werden soll. Mit dieser Art der Verunsicherung und mit markigen Behauptungen wie, das Grundgesetz entfalte in Schleswig-Holstein nicht seine volle Wirkung, schaden wir übrigens den Angestellten der Justiz und den Polizistinnen und Polizisten gleichermaßen.
Natürlich arbeiten unsere Justiz- und unsere Strafverfolgungsbehörden auf dem Boden des Grundgesetzes. Daran darf es keinen Zweifel geben, und daran habe ich auch keine Zweifel.
Die Frage ist, wie wir das Personal so ausstatten, dass die Aufgaben, zu denen auch der Bereitschaftsdienst gehört, ohne zu hohe Belastungen erfüllt werden können. Für die Polizei habe ich diese Maßnahme schon skizziert, die Jamaika angehen wird.
Bei der Justiz haben wir diese Woche erfahren, dass auch hier über 400 Stellen fehlen. Natürlich gilt es, dort nachzusteuern, und natürlich wird diese Koalition das auch tun. Wir werden die Attraktivität der Justiz steigern, um für talentierte Nachwuchskräfte noch mehr Anreize zu schaffen. Dazu kann die Änderung der Besoldungsstruktur gehören ebenso wie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Sehr geehrte Damen und Herren, leistungsstark, effizient und bürgernah - das sind die Zielmarken für Justiz und Polizei gleichermaßen. Wir werden diesen Weg gemeinsam mit den Bediensteten gehen und Versäumnisse der Vergangenheit schrittweise aufarbeiten und beseitigen. Dafür steht diese Koalition, und dafür stehen die Freien Demokraten. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns im Landtag mit dem Thema Gewalt gegen Polizeibeamte befassen. Bereits seit Jahren verzeichnen wir eine zunehmende Entwicklung im Hinblick auf Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten. Im Arbeitsalltag der Polizei reicht die Bandbreite der Delikte von Widerstand, Attacken bis hin zu Verletzungen, von den Beleidigungen ganz zu schweigen. Das erleben aber nicht nur Polizeibeamtinnen und beamte in ihrem Beruf, sondern auch Zugbegleiter, Kontrolleure in Bussen und Bahnen, ganz normale Beamte in Stadtverwaltungen oder auch Politessen.