Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Der Berichtsantrag, Drucksache 19/233, hat durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden. Es ist der Antrag gestellt worden, den Bericht zur weiteren Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. - Wer ist dagegen? - Das sind fast alle übrigen Abgeordneten. - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Antrag nicht überwiesen. Somit hat der Berichtsantrag seine Erledigung gefunden.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Mitglieder des Lions Club Itzehoe. - Seien Sie herzlich begrüßt im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 und 25 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Mehr Rechtssicherheit für Bürger und Polizei schaffen - Richterlichen Bereitschaftsdienst lückenlos gewährleisten

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/240

b) Gewalt gegen Polizeibeamte wirksam bekämpfen - Strafbarkeit tätlicher Angriffe und Bedrohungen gegen Polizeibeamte und Angehörige der BOS ins Strafgesetz aufnehmen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/241

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Wer sich in besonderem Maße für den Staat und die Ge

sellschaft einsetzt, muss auch in besonderem Maße durch den Staat und die Gesellschaft geschützt werden. Polizeibeamte in Schleswig-Holstein sind besonders Angriffen und Gewalt ausgesetzt. Wie erst kürzlich der Presse zu entnehmen war, wird an jedem Tag mindestens ein Polizeibeamter in unserem Land angegriffen und dabei verletzt. Ähnliches ist auch von den Angehörigen der Feuerwehren, der Rettungsdienste und der Bundeswehr zu vernehmen. Auch sie werden im Zusammenhang mit ihrem oftmals ehrenamtlich erfolgenden Dienst an der Gesellschaft immer häufiger Opfer von Beschimpfungen und tätlichen Angriffen.

Soldaten der Bundeswehr wird inzwischen sogar dienstlich empfohlen, sich auf ihren Heimfahrten nicht uniformiert in der Öffentlichkeit zu zeigen aus Angst, sie könnten Opfer von Gewalt oder Terroranschlägen werden.

Wer Uniformträger angreift, greift den Staat als Ganzes an. Wer Menschen angreift, die sich der noblen Aufgabe verschrieben haben, andere Menschen zu schützen und ihnen in Notlagen zu helfen, greift die Gesellschaft als Ganzes an. Es ist daher gleichermaßen die Pflicht des Staates und der Gesellschaft, diesen Menschen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben einen besonderen Schutz zu gewähren. Sie haben diesen Schutz ganz einfach verdient.

Die bisherigen rechtlichen Regelungen greifen dabei oftmals zu kurz. Die Ausdehnung des in § 113 des Strafgesetzbuches beschriebenen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte auf Angehörige des Rettungsdienstes und andere Personen ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen. Viele der Angriffe auf Polizeibeamte erfolgen außerhalb der Vollzugshandlung, sodass diese dann nur allgemein strafrechtlich betrachtet werden können. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber gefordert, die Strafbarkeit von Angriffen auf Polizeibeamte und Angehörige der Behörden und Organisationen mit Sicherungsaufgaben sowie der Bundeswehr ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Entsprechende Gesetzentwürfe, etwa die §§ 114 und 115, die im Gespräch sind, liegen seit Langem auf dem Tisch. Gleichlautende Forderungen werden ebenfalls seit Langem von den Polizeigewerkschaften erhoben. Nun wird es endlich Zeit, auf Bundesebene eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen, um diesen Schutz in Gesetzesform zu bringen.

Themawechsel. Das Grundgesetz schützt bedeutende Rechtsgüter wie die persönliche Freiheit, die körperliche Unversehrtheit, die Wohnung und das Eigentum, aber auch das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung. Schwerwiegende Eingriffe in diese Rechte dürfen durch die Polizei aus gutem Grund nur mit richterlichem Beschluss erfolgen. Die Gewaltenteilung ist elementarer Bestandteil unserer Demokratie, und nur in Ausnahmefällen können solche Eingriffe auch in die Entscheidungsgewalt der Polizei fallen.

In Schleswig-Holstein gibt es keinen durchgehenden richterlichen Bereitschaftsdienst. Nicht selten ist ein Richter in Strafsachen nach 21 Uhr bis in die Morgenstunden hinein nicht mehr erreichbar. Damit wird der gesetzlich geregelte Ausnahmefall zum Regelfall. Ein Teil der Gewaltenteilung ist somit schlicht nicht verfügbar. Polizei und Bürger werden mit den Entscheidungen, die regelmäßig einem Richtervorbehalt unterliegen, alleingelassen. Betroffene Bürger haben aber ebenso wie die Polizei und Behörden einen Anspruch auf Rechtssicherheit und rechtssicheres Handeln. Beides trägt übrigens auch ganz unmittelbar zur Sicherheit der betroffenen Bürger als auch der auf Behördenseite handelnden Personen bei.

Weitgehende Eingriffsbefugnisse in eben diese Grundrechte sind nicht ohne Grund mit einem Richtervorbehalten versehen. Es ist daher auch die Aufgabe der Landesregierung, hierfür auch Richter vorzuhalten. Personalmangel in der Justiz darf nicht zum Aufweichen von Grundrechten führen, weder für die Bürger noch für die Polizei. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion die Abgeordnete Petra Nicolaisen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig, es hat in den letzten Jahren vermehrt Gewalt und Respektlosigkeit gegen Polizeibeamte, Bundeswehrpersonal oder Rettungskräfte gegeben. Das können und das dürfen wir nicht dulden.

(Beifall CDU, FDP, AfD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ganz deutlich: Auf Bundesebene hat es bereits im April 2017 eine Gesetzesverschärfung gegeben. Die Gewerkschaft der Polizei befürwortet das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften. Es geht in Schleswig-Holstein um eine ganz konsequente An

(Claus Schaffer)

wendung des Gesetzes. Wir als CDU-Fraktion sehen hier keinen weiteren Handlungsbedarf.

Für Ihren zweiten Antrag, liebe AfD-Fraktion, gilt, dass Eilentscheidungen für Landgerichte und Amtsgerichte grundsätzlich durch Amtsgerichte zu treffen sind. Die amtsrichterliche Erreichbarkeit ist in Schleswig-Holstein zwischen 6 Uhr und 21 Uhr an sieben Tagen in der Woche gewährleistet. Der flächendeckende richterliche Bereitschaftsdienst wird vom Bundesverfassungsgericht nämlich nur dort gefordert, wo ein praktischer Bedarf besteht.

Wir lehnen beide AfD-Anträge ab. Alle weiteren Ausführungen überlasse ich unserer Justizministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack.

Jetzt heißt es für mich, Abschied zu nehmen.

(Zurufe: Oh!)

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich vor circa acht Jahren an diesem Rednerpult stand. Ich wechsele jetzt von der Förde an die Spree. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das ist viele Male im Leben so. Es ist eine neue Herausforderung. Ich gehe mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Da schwingt Wehmut mit.

Ich habe acht schöne und ereignisreiche Jahre verlebt - immer unter dem Motto: „Lerne immer!“ Acht Jahre lang hatte ich viel Freude. Ich bin diesem Haus immer mit viel Respekt begegnet. Ich bedanke mich an dieser Stelle ganz herzlich für das kollegiale Miteinander im Haus - und das alles im Dienste der Demokratie.

(Beifall im ganzen Haus)

- Es ist gut. - Es sind viele Freundschaften auch über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg entstanden. Dafür sage ich auch herzlichen Dank. Ich sage meiner Fraktion herzlichen Dank, allen Kolleginnen und Kollegen der Landtagsverwaltung, allen anderen Mitarbeitern. Ich hoffe, dass wir uns an der einen oder anderen Stelle wieder begegnen. Vielleicht ist es Berlin. Besucht mich, besuchen Sie mich einfach, wenn Sie in Berlin sind. Ich würde mich freuen und sage tschüs.

(Lang anhaltender Beifall im ganzen Haus)

Sehr geehrte Frau Kollegin Nicolaisen, auch von unserer Seite hier aus dem Präsidium im Namen aller herzlichen Dank für den Einsatz, den Sie hier in den letzten Jahren für die Bürgerinnen und Bürger des Landes geleistet haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihren Wahlkreis, für unser Bundesland in

der Hauptstadt bei den Aufgaben, die in nächster Zeit auf Sie zukommen werden. Auch Sie sind natürlich ein immer wieder gern gesehener Gast hier bei uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall)

Nun hat für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Kathrin Wagner-Bockey das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebes Publikum! Es ist jetzt schwierig, einen eleganten Übergang hinzubekommen, zumal die Zeit schon läuft. Frau Nicolaisen, auch von mir alles Gute! Ich gehe jetzt übergangslos zum Thema über und bitte um 10 Sekunden extra.

Wenn man der AfD Glauben schenken mag, ist das Grundgesetz in Schleswig-Holstein so gut wie abgeschafft. Chaos, wohin man blickt. Die Richter machen es sich ab 21 Uhr auf dem Sofa gemütlich und überlassen das ganze Land sich selbst.

(Heiterkeit)

Die Polizisten haben keine Ahnung, wie sie nachts ohne Richter klarkommen sollen, und tagsüber wird zwar von Richtern Recht gesprochen, aber die Gesetze, nach denen sie richten, sind so schlecht, dass man sie immerfort verschärfen muss. Ist das so? Mitnichten!

Ich möchte mich zunächst dem angeblich rechtswidrig fehlenden Bereitschaftsdienst der Gerichte zuwenden. Ich mache das auch ganz kurz. Ich kann nur wiederholen, was bereits gesagt wurde: Das Bundesverfassungsgericht hat in der Sache mehrfach entschieden. Es ist ganz klar, ein richterlicher Bereitschaftsdienst gerade in einem Flächenland wie unserem ist von 6 Uhr bis 21 Uhr sicherzustellen. Das tun wir hier in diesem Land. Nachts ist in Schleswig-Holstein nachweislich zum Glück nicht so viel los. Deshalb bleibt das sogenannte RegelAusnahme-Verhältnis auch gewahrt, wenn es keinen mitternächtlichen Bereitschaftsdienst gibt.

Zur Ergänzung: Wenn Einsätze geplant werden Herr Schaffer, Sie wissen es am besten - und zu erwarten ist, dass richterlicher Beistand gefordert ist, gibt es diesen Bereitschaftsdienst punktuell zusätzlich. Ich stelle also fest: Wir in Schleswig-Holstein verhalten uns nach Recht und Gesetz und befinden uns durchaus auf dem Boden des Grundgesetzes.

(Beifall SPD, SSW, Peter Lehnert [CDU] und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Petra Nicolaisen)

Ich könnte an dieser Stelle Schluss machen. Aber da noch ein zweiter Antrag der AfD im Raum steht, komme ich nunmehr zur Polizei. Ihr Antrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Polizisten und Hilfskräfte entbehrt jeder Logik und ist vom Sinn her schwach.

Sie sagen, die im Mai getroffene verschärfte Strafregelung für Gewaltdelikte gegen Polizisten und Hilfskräfte biete keinen ausreichenden Schutz. Deshalb wollen Sie das Gesetz erneut verschärfen. Frau Nicolaisen hat es bereits gesagt. Es ist gerade an allen Ecken und Enden verschärft worden. Ich frage Sie: Ab welchem Strafmaß wird in Ihren Augen Schutz erreicht?