Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Sehr gern.

Ich bin nur gerade etwas irritiert, Herr Harms, weil ich diesem Bericht von Herrn Grote gelauscht habe, in dem er auch gerade auf diese Problematik eingegangen ist und aus meiner Sicht genau das Gegenteil von dem berichtet hat, worauf Sie jetzt Bezug nehmen. Woraus schließen Sie jetzt nach

(Jörg Nobis)

dem Bericht des Ministers, was Sie jetzt hier vorstellen?

- Der Minister hat gerade eben auch deutlich gemacht - darauf gehe ich gleich noch ein -, dass er sich wünscht, dass die Kommunen zusammenarbeiten. Das ist richtig. Es ist aber auch in Ihrer Koalition so vereinbart, dass Sie offen sein wollen dafür, dass die Restriktionen gegenüber den einzelnen Kommunen im ländlichen Bereich, Einfamilienhaus- oder überhaupt Baugebiete auszuweisen, aufgehoben werden sollen und dass es wieder den Kommunen einzeln überlassen werden soll, Baugebiete zu erschließen, was zu dem führt, was eben der Verband für Wohnungseigentum gesagt hat, nämlich dass dann natürlich wieder Einfamilienhäuser wie Pilze aus dem Boden schießen, Landschaft versiegelt wird, aber das eigentliche Problem, nämlich dass Leute, die nicht viel Geld haben, auch im ländlichen Raum keine Wohnmöglichkeit bekommen, dann eben nicht gelöst wird. Das ist das, was ich anprangere und wozu ich sage: Das ist der falsche Weg. Man muss weiterhin den Kommunen deutlich sagen: Ihr dürft euch zu einem gewissen Grad tatsächlich eben auch entsprechend baulich weiterentwickeln, aber nicht zu doll und nicht immer auf Kosten der einzelnen anderen Kommunen, sondern man muss auch zusammenarbeiten.

Darauf will ich gleich noch eingehen, dass man natürlich auch versucht, nicht nur gemeinsam Baugebiete zu entwickeln, sondern gemeinsam vor allen Dingen auch darauf schaut, dass man in der Lage ist, Geschosswohnungsbau gemeinsam mit Wohnungsbaugenossenschaften zu betreiben, damit der arme Rentner aus dem Dorf auch im Dorf bleiben kann. Das ist das, was uns fehlt. Man denkt immer nur an die Einfamilienhäuser und nie an die Mieter. Wir müssen mehr an die Mieter denken. Das ist die Botschaft, die ich bringen will.

(Beifall SSW, Birte Pauls [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Abgeordneter Harms, gestatten Sie eine weitere Bemerkung der Abgeordneten von Kalben?

Ja, klar.

Ich würde gern eine Bemerkung dazu machen. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre

ausführliche Darstellung. Ich kann zumindest daran wenig Unterschied zu dem sehen, was aus meiner Sicht der Minister hier auch wunderbar vorgetragen hat für die Planung des Innenministeriums.

(Beifall Petra Nicolaisen [CDU])

- Da gebe ich Ihnen natürlich recht, liebe Kollegin, dass es vieles gibt, was uns durchaus auch eint. Aber für mich ist der Kern der Sache: Wenn wir es den einzelnen kleinen Gemeinden, den einzelnen 1.100 Gemeinden, wieder freistellen, dass jeder wieder Baugebiete ausweisen kann, wie er Lust und Laune hat,

(Peter Lehnert [CDU]: Das tun wir doch gar nicht! So ein Quatsch!)

dann kriegen wir ein riesiges Problem, ein ökologisches Problem, ein Problem der Landschaftsversiegelung, aber eben auch ein Problem damit, dass wieder nur an Einfamilienhäuser gedacht wird, wieder nur an die reichen Familien gedacht wird, die sich irgendwo eine hübsche Hütte hinsetzen und die schön viele Steuergelder bringen, aber der arme Mensch hier in der Region nicht beachtet wird. Das ist das große Problem.

(Beifall SSW und SPD)

Ich habe es ja jetzt schon ein bisschen vorweggenommen: Eine eigene Planung mag so einen Bürgermeister natürlich froh machen, zerstört aber langfristig den ländlichen Raum, weil er einen ruinösen Wettbewerb zwischen Dörfern um gut verdienende Häuslebauer ankurbelt. In die Röhre schauen dann alle, die nicht so gut bei Kasse sind. Das betrifft in galoppierender Geschwindigkeit Rentnerinnen und Rentner, die es jetzt schon in die Stadt zieht, weil es auf dem Land keinen adäquaten Wohnraum gibt und weil es vor allem dort auch keine Infrastruktur mehr gibt, die sie dann nutzen könnten, die sie aber brauchen. Fast 40.000 dieser Rentner sind jetzt in unserem Land schon auf Hartz IV angewiesen und stehen auf dem Wohnungsmarkt ganz hinten an. Dabei benötigen sie oftmals auch noch besondere Wohnungen, nämlich welche, die barrierefrei sind oder die auch einen altersgerechten Zugang haben. Diese Leute haben derzeit ganz schlechte Karten. Um diese Leute müssen wir uns kümmern. Wer arm ist, muss umziehen. Arme Menschen ohne finanzielles Polster konkurrieren mit Studenten und Feriengästen um knappen Wohnraum in den Städten. Die neue Landesregierung darf dieses Problem nicht verschärfen, wenn sie ausschließlich den Städten, die sowieso chronisch unterfinanziert sind, die Last des sozialen

(Lars Harms)

Wohnungsbaus aufbürdet. Auch die ländlichen Gemeinden müssen hier mitmachen. Ansonsten haben wir es hier mit einem richtigen Problem im ländlichen Bereich zu tun.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Auch da gebe ich Ihnen natürlich recht, der Innenminister hat es gerade eben schon gesagt: Es ist auch notwendig, dass die Gemeinden zusammenarbeiten und sich nicht mehr als Konkurrenten empfinden. Es macht definitiv nichts, wenn in einer Gemeinde XY irgendwo etwas gebaut wird und die anderen Gemeinden vielleicht auch einmal darauf verzichten - zugunsten einer gemeinsamen Entwicklungsplanung, die man da macht. Ich finde, da müssen wir sie noch, um es einmal freundlich zu sagen, sehr, sehr motivieren, damit die einzelnen Gemeinden das wirklich tun. Es ist wirklich schade, wenn mir in meinem eigenen Bereich Gemeinden sagen: Wenn der sich weiterentwickeln will, bekommt er von mir keine Flächen zugewiesen.

Wir wollen lieber unsere Flächen behalten, damit wir möglicherweise Einfamilienhäuser bauen können. Ob wir da eine ländliche Entwicklungsplanung haben, ist uns egal. Wir wollen nur Steuereinnahmen haben, damit wir in der Gemeinde noch irgendeinen Wirtschaftsweg teeren können. - Das ist so etwas von kurzfristig gedacht. Davon müssen wir weg. Wir haben beim Wohnraum eine riesige Herausforderung. Wir sollen es ja auch finanzieren, das ist okay. Es ist aber insbesondere eine kommunale Verantwortung, und da müssen wir den kommunalen Vertretern noch besser helfen, damit sie in die Lage versetzt werden, es hinzubekommen.

Deswegen sage ich ganz deutlich: Steuernd einzugreifen, ist mit Sicherheit nicht immer angenehm, und die Bürgermeister können dort echt nervig sein. Aber nur so erhalten wir überhaupt eine Chance, dass untere Einkommensgruppen auch im ländlichen Raum und in den ländlichen Zentralorten Zugang zu guten Wohnungen haben.

Bei allen Diskussionen dürfen wir nicht vergessen: Wir müssen uns, wenn es um Wohnungsbau geht, nicht zwingend um die kümmern, die sich ein Einfamilienhaus leisten können. Wir müssen uns gerade um die kümmern, die sich keine Wohnung oder manchmal nicht einmal ein Dach über dem Kopf leisten können. Da müssen wir weitermachen.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Lars Harms, Ihre Sorgen, was Ökologie, Bodenschutz und Flächenverbrauch angeht, sind unbegründet. Ich möchte gern aus unserem Koalitionsvertrag zitieren und bin froh, dass wir diese Zeilen dort eingearbeitet haben. Wir werden insbesondere dafür sorgen, dass der Boden und die Fläche geschützt bleiben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dazu will ich in aller Kürze einmal hier bekannt geben, was wir dort gemeinsam verfasst und niedergeschrieben haben. Wir wollen

„den Brachflächenbestand im Innenbereich mittels eines Brachflächen- und Baulückenkatasters erheben, die baulichen Förderungen auf die Innenraumverdichtung konzentrieren, die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich besserstellen, die Brachflächenrecycling oder Flächenrecyclingstrategien betreiben, die Einführung eines ‚zonierten Grundsteuersatzungsrechts‘ prüfen, mit den Kommunen baureife Grundstücke im Innenbereich attraktiver machen, Brachflächenentwicklung vor ‚grüner Wiese‘ stärken.“

Jetzt kommt zusammenfassend das, was wesentlich positiver läuft:

„Außerdem wollen wir ermöglichen, Ersatzgelder für die Revitalisierung von Industrie brachen und nicht mehr benötigten Verkehrsflächen zu nutzen. Damit wird mehr für den Schutz der Natur erreicht als durch Stilllegung land- oder forstwirtschaftlich genutzter Flächen.“

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das kann man so sehen, muss man aber nicht so sehen!)

Flächen schonen, nicht auf der grünen Wiese bauen, Verdichtung, Abrissprämie zahlen und Flächenkataster für Abrissmöglichkeiten schaffen: Das steht im Koalitionsvertrag und ist in der Landesregierung angeschoben worden. Insofern sind Ihre Sorgen unbegründet. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Lars Harms)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

(Zuruf)

- Oh, Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen. Ich erteile Herrn Abgeordneten Hölck das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Tietze, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Ich habe aber nicht verstanden, ob Sie nun für die Abschaffung oder für die Weiterentwicklung der Mietpreisbremse sind. Das ging aus Ihrem Redebeitrag nicht ganz deutlich hervor. Eindeutig nachlesen kann man es im Koalitionsvertrag: Da sind Sie dafür, die Mietpreisbremse abzuschaffen. Wenn Sie sich damit nicht wohl oder unsozial fühlen, dann können wir dafür nichts. Jetzt den Zusammenhang zwischen der Mietpreisbremse und möglichen Neubauten irgendwo in Kiel herzustellen, ist unzulässig. In Halstenbek, im Hamburger Rand, gilt die Mietpreisbremse. Was haben die Bürgerinnen und Bürger dort von einem Neubau in Kiel? - Gar nichts. Diesen Zusammenhang herzustellen, ist fachlich falsch.

(Christopher Vogt [FDP]: Den haben Sie ja hergestellt!)

- Kollege Vogt, wenn Sie von der Weitsicht der Kommunen sprechen, kommen Sie einmal in den Kreis Pinneberg. Da kann ich Ihnen etwas von der Weitsicht der Kommunen berichten. Das beste Beispiel ist die Gemeinde Rellingen mit absoluter CDU-Mehrheit.

(Beifall Heiner Rickers [CDU] - Zuruf Hans- Jörn Arp [CDU])

Die haben den sozialen Wohnungsbau mit den Worten verhindert: Wer es sich nicht leisten kann, bei uns zu wohnen, soll wegziehen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Pfui Teufel!)

Das ist CDU-Kommunalpolitik im Kreis Pinneberg. In Uetersen hat die CDU den sozialen Wohnungsbau verhindert, in Barmstedt und in Schenefeld waren es die Grünen. Es sind Ihre Kommunalpolitiker, die den sozialen Wohnungsbau verhindern. Wenn sich das nicht ändert, kommen wir nicht voran. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD - Unruhe)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Anhaltende Unruhe)

Auch wenn die angeregte Unterhaltung sich quer über den Plenarsaal ergießt, stelle ich erneut fest: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Berichtsantrag, Drucksache 19/233, hat durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden. Es ist der Antrag gestellt worden, den Bericht zur weiteren Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. - Wer ist dagegen? - Das sind fast alle übrigen Abgeordneten. - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Antrag nicht überwiesen. Somit hat der Berichtsantrag seine Erledigung gefunden.