Was Sie hier gerade veranstaltet haben, ist diesem Parlament schlicht und ergreifend unwürdig. Es gehört sich nicht, sich in einem Parlament in dieser Art und Weise über die Historie lustig zu machen, wie Sie das gerade hier vom Rednerpult aus getan haben.
Das Wort für die Landesregierung hat nun der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst sagen, dass die Antragsteller und alle, die sich hier geäußert haben, die Landesregierung an ihrer Seite haben, wenn es darum geht, Na
zi-Propaganda auf angemessene Art und Weise zu begegnen, sie nicht zuzulassen, sondern sie da, wo es irgendwie möglich ist, in der Gesellschaft nicht zu ermöglichen.
Genau bei dem Punkt - was ist Propaganda und was ist Nazi-Propaganda? - finden wir das Differenzierungsfeld, bei dem wir sehen, dass wir es gegenüber bestimmten Codes, die nur einzelne Leute kennen, mit einer Abwägungsfrage zu tun haben. Diese Abwägungsfrage ist aus meiner Sicht eigentlich durch das, was die Rechtsprechung dazu gesagt hat, und das, was die Behörden tun, sehr ordentlich geregelt. Wir verbieten nämlich dann Dinge als sittenwidrig, wenn sie als Nazi-Propaganda erkennbar sind. Sittenwidrig, so sagt die Juristerei, ist etwas, wenn es das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt, wenn es also in einem großen Teil der Gesellschaft auch als etwas wahrgenommen wird, das das Anstandsgefühl verletzt.
Deshalb haben wir bei den Kennzeichen, die nun ganz eindeutig auf Nazi-Themen oder auf NaziPropaganda hindeuten - bei KZ, HJ, SS, SA und so weiter -, eine offensichtliche Sittenwidrigkeit, weil das sichtbar wird. Obwohl es den Ländern überlassen wird, sind wir über alle Länder hinweg im Wesentlichen der Auffassung, dass diese Kennzeichen nicht sein sollen.
Natürlich ist der Rest spezifisch auch immer zu regeln. Zum Beispiel sagen wir in diesem Land, in Kreisen wie Dithmarschen mit dem Kennzeichen HEI: Wenn sich dem Heider Kennzeichen ein L anschließt, dann wollen wir das nicht, weil das benutzt wird, weil das sichtbar wird. Also ist auch dies dem Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden gegenläufig. Wir wollen kein HEI-L auf den Kfz-Kennzeichen haben. So ist es auch im Kreis Steinburg mit dem Thema IZ und dem darauffolgenden Kürzel AN aus meiner Sicht anständig geregelt. Wenn eine Annegret Neuhaus dann auf ihre Initialen auf dem Kennzeichen verzichten muss, ist das nicht nur vertretbar, sondern auch richtig.
Die Frage ist nur, ob wir nun darüber hinausgehend weitere Verbote brauchen, insbesondere dann, wenn eben nicht mehr alle billig und gerecht Denkenden die Identifikation dieser Codes vornehmen können. Wenn wir darüber hinausgehen - Herr Petersdotter, gestatten Sie mir, das zu sagen -, ist die Frage eben wirklich: Wie würden wir hinterherrennen, wenn diese Codes permanent gewechselt wür
den? In dem Augenblick, in dem wir den einen verbieten, gibt es einen nächsten, und wir verbieten den nächsten hinterher. Das wird ganz schwierig.
Ich finde, dass die Zulassungsbehörden in Schleswig-Holstein, aber auch in anderen Bundesländern mit großer Vernunft damit umgegangen sind. Wenn Sie zum Beispiel auf Bayern rekurrieren, gibt es da in der Tat noch Besonderheiten, und die haben die Bayern geregelt. Es geht nämlich in Wahrheit um Nürnberger Kennzeichen. Die Abkürzungen, die daraus entstehen, wie N-PD oder N-SU, sind in der Tat verboten. Das ist auch richtig. Das geht wieder genau mit diesem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden einher, die sofort sehen: Diese Kombination ist eindeutig Nazi-Propaganda.
Darüber hinausgehend Zahlenkombinationen wie 14, 18, 28 oder 88 zu benutzen, ist eben etwas, womit wir, glaube ich, alle Schwierigkeiten haben, dies als Code zu identifizieren. Dann sollten wir das aus meiner Sicht besser lassen. Wir sollten es besser lassen, hechelnd, im Einzelnen unsere Verwaltungsbehörden mit ständig wechselnden Anordnungen dazu zu bringen, immer wieder neue dieser sich dann entwickelnden Codes zu verbieten. Wir können darüber gerne im Ausschuss diskutieren.
Ich denke, wir - sowohl Herr von Pein, als auch Herr Petersdotter, als auch die anderen billig und gerecht Denkenden in diesem Saal - werden vor allem eines sehen: Es ist ein klitzekleiner Teil der Bekämpfung des Themas. Wir sollten uns darüber nicht streiten, denn in Wahrheit geht es nicht um die Radikalität des Gedankengutes, die sich auf einem Nummernschild ausdrückt. Vielmehr geht es um die Radikalität des Denkens in den Köpfen. Unsere Aufgabe sollte stärker darin bestehen, nicht das, was auf den Nummernschildern steht, sondern das, was in den Köpfen stattfindet, zu bekämpfen. Das ist die Auseinandersetzung, die die Demokraten mit dem rechtsextremen Gedankengut auf allen Ebenen betreiben müssen. Ich weiß, dass Sie und Herr von Pein und alle anderen dieses genauso wollen, wie ich das auch will. Lassen Sie uns darüber im Ausschuss debattieren. Ich glaube allerdings, dass die gegenwärtige Praxis der Verwaltungsbehörden hier sehr ordentlich ist. - Herzlichen Dank.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/225 dem Innen- und Rechtsausschuss und dem Ausschuss für die Zusammenarbeit der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein zu überweisen.
Ich lasse zunächst darüber abstimmen, den Antrag in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer also für die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Sodann lasse ich darüber abstimmen, den Antrag auch in den Ausschuss für die Zusammenarbeit der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die Sitzung mit Tagesordnungspunkt 11 fort. Doch bevor wir dazu kommen, begrüßen Sie bitte mit mir gemeinsam Mitglieder der DGB-Senioren aus Lübeck sowie Mitglieder des Rhetorik-Clubs Kieler Toastmasters. - Seien Sie ganz herzlich willkommen im Landtag!
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes SchleswigHolstein - Absenkung Quorum Volksbegehren und Absenkung Zustimmungsquorum Volksentscheid
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Fraktionsvorsitzenden Jörg Nobis von der AfD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Die Möglichkeit, ein Gesetzgebungsverfahren auch direkt durch Initiativen aus dem Volk einleiten und betreiben zu können, ist ein elementarer Bestandteil unserer
Landesverfassung. Es bildet zugleich eine wichtige Ergänzung unseres repräsentativ ausgestalteten demokratischen Staatswesens.
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die flächendeckende Verankerung des Volksgesetzgebungsverfahrens in den Verfassungen der Länder ein wichtiges Ergebnis der Wiedervereinigung darstellt. Nach der Gründung der östlichen Bundesländer wurden dort überall als berechtigte Reaktion auf die obrigkeitsstaatlich ausgerichtete DDR Regelungen für eine direkte Beteiligung der Bevölkerung an der Gesetzgebung in den Landesverfassungen aufgenommen. Dieser Entwicklung haben sich dann auch die alten Bundesländer angeschlossen, und es wurde damit eine Verfassungstradition begründet, der wir in besonderer Weise verpflichtet sind.
Als AfD wollen wir auch in Schleswig-Holstein die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild weiter stärken. Die Parteien sollen an der politischen Willensbildung mitwirken, sie dürfen sie aber nicht beherrschen. Schon der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker schreckte 1992 das politische Establishment auf, als er den Parteien vorwarf, sie hätten sich den Staat zur Beute gemacht und seien machtversessen. Der Beifall zu diesen Äußerungen fiel damals spärlich aus und war nicht zu vergleichen mit der Zustimmung, die dieser Bundespräsident bei vielen anderen seiner Reden erhalten hat. Ich finde, das ist sehr bezeichnend.
Meine Damen und Herren, die Mahnung war, ist und bleibt berechtigt. Unser Staatswesen benötigt eine starke und zugleich effektive Bürgerbeteiligung, so wie sie im direkten Gesetzgebungsverfahren unserer Landesverfassung schon zum Ausdruck kommt. Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass die Zielsetzungen der Verfassung regelmäßig mit der politischen Realität im Land verglichen werden. Hier sehen wir als AfD bei den derzeitigen Anforderungen an Volksbegehren und Volksentscheide Handlungsbedarf. Sofern nämlich Gesetzesinitiativen aus der Bevölkerung vom Landtag nicht konstruktiv aufgegriffen werden, ist das weitere Verfahren der Bürgerbeteiligung sehr aufwendig, und es sind sehr hohe Hürden zu überwinden, die einer bürgernahen Beteiligung entgegenstehen.
Daher haben seit dem Jahr 1995 lediglich die Initiativen aus dem Volk als erste Stufe eine größere praktische Bedeutung erlangt. In einzelnen Fällen ist den Anliegen entsprochen worden, zum Beispiel bei der Volksinitiative „Kinderrechte stärken - Armut bekämpfen“ im Jahr 2010. Ansonsten wurden sie vom Landtag abgelehnt oder für unzulässig erklärt.
Das im Fall einer gescheiterten Initiative auf der zweiten Stufe durchzuführende Volksbegehren hat seit dem Jahr 1995 nur ein einziges Mal das dafür notwendige Quorum erreicht, und zwar beim Volksbegehren zur Wiedereinführung des Buß- und Bettages in den Jahren 1996, 1997, das danach aber auf der Ebene des Volksentscheides dennoch scheiterte. Ansonsten wurden die notwendigen Anforderungen für Volksbegehren nicht erfüllt.
Zur Stärkung der direkten Demokratie in Schleswig-Holstein beantragen wir daher, die Zustimmungsanforderungen für Volksbegehren von bisher 80.000 auf 50.000 Stimmberechtigte zu reduzieren. Wir sehen darin eine wirkungsvolle Stärkung des Volksbegehrens als Vorstufe von Volksentscheiden. Auch für Volksentscheide besteht ein besonderes hohes Zustimmungsquorum von mindestens 15 % der Stimmberechtigten. Nach dem Scheitern des Volksentscheids zur Wiedereinführung des Buß- und Bettags im Jahr 1997 ist nur noch in einem weiteren Fall ein Volksentscheid in SchleswigHolstein durchgeführt worden.
Auch in anderen Bundesländern sind hohe Zustimmungsquoren oft die Ursache dafür, dass Volksentscheide unecht scheitern: Sie erhalten zwar eine deutliche Stimmenmehrheit, verfehlen aber gleichzeitig das bestehende Quorum. Das politische Engagement der Bevölkerung und die direkte Bürgerbeteiligung an Gesetzgebungsverfahren drohen dadurch, auf Dauer insgesamt ins Leere zu laufen. Auch auf der Ebene der Volksentscheide befürwortet die AfD daher eine Stärkung der plebiszitären Elemente unserer Landesverfassung, indem das maßgebliche Zustimmungsquorum von 15 % auf 5 % gesenkt wird.
Meine Damen und Herren, stärken wir gemeinsam die Möglichkeiten der Bürger Schleswig-Holsteins, sich kontinuierlich auf dem Wege der direkten Demokratie in die politischen Prozesse unseres Landes einzubringen. Ich beantrage daher die Überweisung unseres Antrags an den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss. Lassen Sie uns gemeinsam mehr Demokratie wagen, lassen Sie uns jetzt mehr direkte Demokratie wagen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag der AfD auf Änderung der Landesverfassung. Mit solchen Dingen soll man ja immer etwas vorsichtig sein. Ich finde, dass schon die vorgetragene Analyse nicht richtig ist. Nur die Feststellung, dass es nicht viele erfolgreiche Volksbegehren, -initiativen oder -entscheide gegeben hat, heißt nicht automatisch, dass die Verfassung dadurch ins Leere läuft. Man kann umgekehrt genauso gut daraus erkennen, dass vielleicht dieses Parlament seinen Aufgaben sehr gut nachgekommen und das Bedürfnis in der Bevölkerung, solche Initiativen zu ergreifen, nicht so hoch ist.
Wir glauben, dass eine repräsentative, parlamentarische Demokratie sehr wohl in der Lage ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung entsprechend aufzunehmen und abzubilden.
Nur wir sind hier in der Lage, uns vertieft mit Sachverhalten auseinanderzusetzen, miteinander um die besten Lösungen zu ringen und auch Kompromisse zu finden. Das alles ist nicht möglich, wenn wir auch komplexe Sachverhalte auf eine Ja-Nein-Entscheidung verkürzen. Deshalb bin ich der Meinung, dass man selbstbewusst behaupten kann: Dass es so wenig Initiative gegeben hat, liegt nicht daran, dass das Quorum falsch ist, sondern dass das Parlament gute Arbeit geleistet hat.
Wir müssen auch schauen, dass eine Absenkung von Quoren auch immer dazu führt, dass das Durchsetzen von Partikularinteressen einfacher wird. Was Sie vorschlagen, ist, dass eine Zustimmung von 5 % ein Gesetz beschließen kann. Ich weiß nicht, ob man das wirklich rechtfertigen kann. Wir haben jetzt ein Quorum von 15 %. Auch das ist schon schwierig, wenn 15 % der Stimmberechtigten beschließen können, wie das Gesetz auszusehen hat. Wenn wir das noch weiter absenken, wird die Möglichkeit für durchaus gut organisierte und ausgestattete Pressure-Groups - wie es so schön auf Plattdeutsch heißt - sehr viel einfacher, ihre ureigenen egoistischen Interessen durchzusetzen. Das ist aus unserer Sicht keine richtige und gute Entwicklung.
Deshalb sind wir der Auffassung, dass nicht die immer weitergehende Herabsetzung von irgendwelchen Quoren das Richtige ist. Das Richtige ist, dass