Ich bin daher sehr froh, dass sich dieser Landtag in großer Einigkeit im Zuge der letzten Verfassungsreform dazu entschlossen hat, die Quoren deutlich abzusenken. Mussten bis dato für den Erfolg eines Volksbegehrens 5 % der Stimmberechtigten zustimmen, so sind es jetzt nur noch 80.000. Das Quorum für den Erfolg eines Volksentscheids wurde deutlich von 25 % auf 15 % gesenkt. Auch das wurde eben gesagt. Damit bewegt sich SchleswigHolstein von den Ländern, die ein Quorum vorsehen, am absolut untersten Ende. Man kann sicherlich darüber streiten und diskutieren, ob diese Hürden an der einen oder anderen Stelle noch zu hoch sind und ob man nachsteuern kann. Ich muss aller
Die Beispiele, die die AfD hier zur Begründung anführt, stammen noch aus einer Zeit, als die alten Quoren galten. Die Betrachtung des letzten Zeitraums vor der Absenkung bringt die Diskussion über die Notwendigkeit einer weiteren Absenkung auch nicht gerade voran. So ist die Zahl der Volksinitiativen, die seit der Verfassungsreform 2014 überhaupt auf den Weg gebracht wurden, zu gering, um überschaubare Schlussfolgerungen ziehen zu können, wie sich diese regelmäßig entwickeln können werden. Das letzte Volksbegehren fand hingegen schon 2009 statt. Volksbegehren gab es insgesamt nur in sehr überschaubarem Ausmaß. Auch hier lassen sich daraus keine Schlussfolgerungen ziehen.
Schauen wir auf die zwei Volksentscheide in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein, so ist festzuhalten, dass der eine, der zur Rechtschreibreform, erfolgreich war. Der andere - das war der Volksentscheid zum Buß- und Bettag - war nicht erfolgreich. Er verfehlte das damals notwendige Quorum. Er erreichte über 60 % Zustimmung derjenigen, die tatsächlich abgestimmt haben. Das entsprach aber damals nur 19,9 % der Abstimmungsberechtigten. Nach heutiger Rechtslage würde das übrigens für den Erfolg des Entscheids ausreichen. Das zeigt mir, dass die Quoren für Volksentscheide hier in einem durchaus erreichbaren Feld liegen.
Wir haben damit inzwischen Regelungen zur direkten Demokratie, die unsere repräsentative Demokratie gut und sinnvoll ergänzen. Wir stellen den Bürgern damit handhabbare Instrumente zur Verfügung, die Parlamentsgesetzgebung zu ergänzen und wertvolle Impulse für sie zu setzen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Die Beratungen rund um die Verfassungsreform habe ich als sehr inspirierend und interessant erlebt. Wir haben über nichts Geringeres als über die demokratische Verfasstheit unseres Landes
gesprochen. Dabei ging es um unser Selbstverständnis als gewählte Abgeordnete, um die repräsentative Demokratie und um plebiszitäre Elemente. Die Verfassungsdebatte hat mich noch einmal darin bestärkt, dass der Landtag das richtige Forum ist, um Kompromisse zu gestalten.
Gerade als Angehöriger einer Minderheit kann ich ein Lied davon singen, wie schnell unsere Argumente von einer Mehrheit ausgehebelt werden können. Deshalb schätze ich es sehr, dass das Parlament den Anspruch hat, hier auch für einen politischen Ausgleich zu sorgen. Das kann ein Volksentscheid nicht leisten, weshalb er in der repräsentativen Demokratie mit Recht eine Ausnahme darstellt.
Der Landtag besteht aus Abgeordneten, die zeitlich begrenzt und stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger über die Politik des Landes mitentscheiden. Übrigens entscheiden wir auch für diejenigen, die bei einem Volksentscheid, ja selbst bei einer Wahl kein Wahlrecht haben. Ich glaube, auch das ist wichtig zu bedenken. Ein Volksentscheid hilft da nicht weiter,
sondern es ist gut, dass wir hier als demokratisch gewählte Parlamentarier unter anderem für unsere ausländischen Mitbürger, aber auch für unsere Minderjährigen mitentscheiden können.
Meine Damen und Herren, Elemente direkter Demokratie sind also nur eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Sie sind eigentlich nur dann zu nutzen, wenn es eine Ja- oder Nein-Entscheidung gibt, aber im Regelfall sind die Entscheidungen, die wir hier im Parlament treffen, wesentlich komplizierter und im Verfahren nicht so einfach immer mit Ja oder Nein zu beurteilen.
In der letzten Wahlperiode haben wir die Verfassung und entsprechende Gesetze geändert und - was ganz wichtig ist - die Quoren gesenkt, sodass heute wesentlich mehr möglich ist. Das wurde eben schon gesagt. Wir haben uns klar dagegen entschieden, politische Verantwortung abzuschieben. Auch das spielt dabei eine Rolle. Wir könnten alles auf dem Marktplatz entscheiden, aber dann würde Politik Verantwortung abschieben. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg wäre, meine Damen und Herren; denn ich sage Ihnen ganz deutlich: Für die Position, die ich genau wie alle anderen 72 Abgeordneten hier vertrete, stehen wir ein und sind dem Bürger gegenüber verantwortlich.
Ich finde - das ist, denke ich, auch ein ganz wichtiger Kern -, über die Debatten können die Menschen auch daran teilhaben, und zwar barrierefrei. Jeder Mensch kann sofort hören, welche Argumente dabei hin- und hergehen. Das ist bei einer Volksabstimmung, die im Regelfall eher in den Medien, aber nicht unbedingt in einer richtigen Diskussion stattfindet, nicht ganz so einfach lösbar. Ich denke, das ist auch ein großer Vorteil der parlamentarischen Demokratie, meine Damen und Herren. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben diese Transparenz noch gar nicht kennen können, in der Tat. Aber sie unterstützt hervorragend das System, das wir jetzt haben und das die damaligen Mütter und Väter aufgebaut haben.
Die gewählten Politikerinnen und Politiker müssen für das, was sie tun, geradestehen. Dieser Verpflichtung kommen wir alle gern nach, gerade auch in Diskussionen mit gut informierten Bürgerinnen und Bürgern. Solch ein Dialog schärft im Übrigen auch im Prozess noch die Argumente und führt letztendlich auch zu einer besseren Politik, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass sie in der Diskussion, die wir führen, möglicherweise auch überzeugt werden können. Ich finde, auch das ist etwas, was für die repräsentative Demokratie spricht.
Wir haben bei der Debatte zur Verfassungsreform auch über die Vertrauenskultur gesprochen. Vertrauen kann man weder verordnen noch einfach einoder ausschalten. Hier in Schleswig-Holstein sehe ich allerdings überhaupt keine Gefahr, dass etwa die Bürgerinnen und Bürger - ich zitiere - ausgeschlossen seien, wie es die Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs suggeriert. Nur weil einem das Gesetz nicht gefällt, ist man von dessen Gestaltung nicht ausgeschlossen. Die Bürger haben vielfältige Möglichkeiten, über Initiativen, Vereine, aber auch durch ihr Wahlrecht, Tag für Tag Einfluss zu nehmen. Die meisten Bürger tun dies auch, meine Damen und Herren.
Ich denke auch, dass unsere Landesverfassung jetzt mit den äußerst niedrigen Quoten die Bürgerinnen und Bürger noch mehr dazu einlädt, ihre Lebensverhältnisse mitzugestalten. Die in der Begründung des Gesetzentwurfes angeführte Behauptung eines besonders hohen Zustimmungsquorums ist schlichtweg falsch. Richtig ist genau das Gegenteil: Wir
haben eines der niedrigsten Quoren in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Ich finde, auch darauf können wir stolz sein, meine Damen und Herren.
Klar, ein solches Instrument wird vielleicht etwas selten in Anspruch genommen, vielleicht wird das noch ein bisschen mehr. Ich denke aber nicht, dass, wer am lautesten sein Anliegen vertritt, immer Recht hat. Das denke ich wirklich nicht, sondern das ist mir ganz wichtig - das eigentliche Ziel der Demokratie ist es, Menschen einzubinden. Das geht nicht immer nur mit Ja-Nein-Entscheidungen, sondern vielleicht auch einmal mit Entweder-OderEntscheidungen beziehungsweise auch mit Diskussionen, die man mit den Bürgerinnen und Bürgern führt. Genau das tun wir hier im Parlament, genau daran haben die Bürgerinnen und Bürger auch teil, und das ist auch vernünftig so.
Für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die lebhafte Debatte hat doch längst eines gezeigt: In Bezug auf Repräsentation des Bürgerwillens gibt es auch aus Sicht meines Hauses gar keinen Regelungsbedarf. Offensichtlich gibt es aber Erklärungsbedarf. Deshalb werde ich das aus Sicht des Verfassungsministeriums hier auch noch einmal darlegen.
Die grundlegenden Voraussetzungen für Initiativen aus der Bevölkerung sind in unserer Landesverfassung umfangreich geregelt. In den Artikeln 48 und 49 sind zulässige Gegenstände einer solchen Initiative, grundlegende Verfahrensschritte und - darum geht es ja heute - Quoren für die einzelnen Stufen des Volksabstimmungsverfahrens festgelegt.
Für die erste Stufe, für die Volksinitiative, ist ein Unterstützungsquorum von 20.000 ausreichend. Das daran anknüpfende Volksbegehren kommt zustande, wenn mindestens 80.000 Stimmberechtigte dem Antrag zustimmen. In der dritten Stufe, dem Volksentscheid, bedarf es der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Dabei müssen mindestens 15 %
Sie, sehr verehrter Herr Nobis, haben sich bei Ihren Beispielen vorhin auf Zahlen aus dem Jahre 1990 beziehungsweise von vor 2000 bezogen. Es ist vorhin schon gesagt worden: Hier ist vor drei Jahren mit großem Aufwand über die Frage der Quoren in Volksabstimmungen bereits diskutiert worden. Einvernehmlich sind diese gesenkt worden, und zwar auf ein bundesweit wirklich vorbildliches Niveau. Noch bis Ende 2014 bedurfte es für das Volksbegehren einer Unterstützung von 5 % der Abstimmungsberechtigten, also rund 105.000. Heute sind es, wie gesagt, 80.000. Für Volksentscheide betrug das Zustimmungsquorum zu dem Zeitpunkt noch 25 %; das wären heute 525.000. Heute sind es 315.000 Menschen, die man brauchte.
Nun möchte Ihre Fraktion mit ihrem Antrag das Quorum für das Volksbegehren auf 50.000, also von 105.000 über 80.000 auf 50.000 Stimmen, mehr als halbieren und für den Volksentscheid auf 5 % senken, also auf ein Fünftel. Es ist heute schon mehrfach gesagt worden: Das ist weder hilfreich, noch ist dies auch nur annähernd demokratisch, ganz im Gegenteil.
Sehr verehrter Herr Nobis, Sie gebrauchen immer wieder - das taucht sehr oft auf - das berühmte Schweizer Modell als Vergleichsbeispiel. Aber Sie müssen sich für das Schweizer Modell auch deren Geschichte und deren Historie anschauen, die weit in das 13. Jahrhundert zurückgeht und dem Ganzen zugrunde gelegt worden ist. Eines kann man sicherlich sagen: Das Schweizer Modell baut auf ganz anderen Basisdaten, Erwartungen und vor allem ganz anderen Forderungen gegenüber den Menschen auf, die an einer solchen Abstimmung teilnehmen.
Meine Damen und Herren, in unserem Land gilt das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Es prägt unser Gemeinwesen. Das ist die Entwicklung unseres Volkes. Das bedeutet, dass Wählerinnen und Wähler ihren Willen grundsätzlich in Wahlen zum Ausdruck bringen. Die von ihnen gewählten Vertreterinnen und Vertreter treffen daher in der Folge die Entscheidungen für die Menschen.
Als Ergänzung dieses repräsentativen Gedankens, dieser repräsentativen Demokratie, sieht unsere Verfassung Abstimmungen vor. Diese Ergänzungen können jedoch die vom Verfassungsgeber getroffe
nen Grundentscheidungen zugunsten der Parlamentsdemokratie nicht infrage stellen. Es gibt gute Gründe für einen Vorrang der repräsentativen Demokratie. Viele Sachverhalte sind sehr komplex auch das wurde vorhin schon gesagt -, sodass man sie nicht einfach auf eine Frage reduzieren kann, die mit Ja oder Nein zu beantworten ist. Das wird einem Sachverhalt in der heutigen Komplexität nicht gerecht.
Zudem ist es aus meiner Sicht in zweifacher Hinsicht problematisch, Plebisziten mehr Raum zu geben. Erstens. Der Gedanke, es müsse der wahre Volkswille gehört werden, hinterfragt die Legitimität von Wahlen und gewählten Abordnungen. Das heißt, alles, was momentan stattfindet, würde nach diesem Verständnis nicht mehr einem demokratischen Prinzip entsprechen. Zweitens gaukelt ein Plebiszit vor, es gebe auf die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit einfache Antworten. Auch das ist geeignet, die parlamentarische Demokratie und die Diskussionen, die heute hier, wie ich finde, zu guten Ergebnissen führen, infrage zu stellen.
Meine Damen und Herren, ich sehe den Umfang der gewünschten Absenkung der Quoren kritisch und halte sie persönlich auch für völlig falsch. Man muss sich nur einmal vor Augen führen: Mit einem Zustimmungsquorum von 5 % lägen wir noch einmal deutlich unter dem für Bürgerentscheide, das heute für die größeren Städte und in den Kreisen im Land bei 8 % liegt. In den Kreisen und Städten würden wir für einen Bürgerentscheid also 8 % zugrunde legen, während wir hier im Land, im Parlament, mit Stimmanteilen von 5 % arbeiten. Ein so geringes Quorum hat doch nicht die erforderliche Legitimation, um einen landesweit gültigen Landtagsbeschluss zu ersetzen. Meine Damen und Herren, 5 % der Bevölkerung, das ist nicht das Volk, nicht die Bürgerschaft und ist keine Legitimation.
Wenn wir vom Bürgerwillen sprechen, dann ist es, meine ich, auch Pflicht derer, die ein solches Instrument benutzen wollen, eine Mindestmenge von Menschen zusammenzubringen, um das heute schon minimale Quorum zu erfüllen. Plebiszite sollte es auch nur bei Sachverhalten geben, denen die Menschen in diesem Land eine überragende Wichtigkeit einräumen. Daher sollte es, denke ich, auch dabei bleiben. Als Verfassungsminister kann ich Ihnen nur empfehlen, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. - Vielen Dank.