Protokoll der Sitzung vom 13.10.2017

Warten Sie es ab! - Drittens. Gerade das fehlt mir im Antrag der SPD, Herr Dr. Stegner. Sie haben alle die genannt, auch in der Begründung des Antrags, die in irgendeiner Form zum System gehören. Aber wenn Sie meinen, dass die Landwirtschaft wirklich der strategische Schlüssel ist, dann schreiben Sie das bitte in den Antrag und sagen Sie: Es geht nur mit den Nutzern, es geht nur mit den Landwirten. Sandra Redmann hat es so formuliert, aber nicht in den Antrag geschrieben. Es geht nicht immer nur mit ideologischen Schuldzuweisungen und gegen die Landwirtschaft.

(Beifall CDU - Birte Pauls [SPD]: Ja, aber das ist doch ein neuer Antrag!)

Es ist also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir gemeinsam lösen müssen, ohne ideologische Schuldzuweisungen und nur mit den Landwirtschaftsbetreibern und nicht gegen sie.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt gehe ich noch ein wenig in die Tiefe. Richtig beschrieben haben Sie beide, Frau Fritzen und Frau Redmann, dass aus Ihrer Sicht viel getan wurde. Die Frage ist natürlich: Reichte das aus, oder war das zielführend? Ich beginne mit dem immer wieder hieß diskutierten Thema: Ist nun Sukzession richtig? Soll man die Natur Natur werden lassen oder sich selbst überlassen, oder muss der Mensch in irgendeiner Form auch Kultur hineinbringen? Hier stelle ich fest: Gerade auf den Sukzessionsflächen ist das Ziel nicht erreicht; da gibt es keine Artenvielfalt. Wir haben Zuwächse in den großen Zeigerarten, aber bei den Insekten nicht.

Meine Zeit läuft ab. Ich muss versuchen, zum Schluss zu kommen. Denken Sie gemeinsam darüber nach.

(Heiner Rickers)

(Unruhe)

- Können Sie noch zuhören, oder ist es zu laut?

(Heiterkeit - Beifall CDU und FDP)

Denken Sie gemeinsam darüber nach, ob wir nicht in der Gesamtbetrachtung andere Wege gehen sollten. Es gibt Experten, die fordern, dass das, was aus der Luft kommt - Gesamtstickstoff, auch aus der Landwirtschaft -, aber auch aus dem, was wir in unserer hochtechnisierten Gesellschaft alle nutzen, egal, ob wir uns bewegen oder heizen, in irgendeiner Form mit einem Programm geändert werden sollte; am besten, gemeinsam mit der öffentlichen Hand und mit denen, die hauptsächlich betroffen sind - mit der Landwirtschaft. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

(Birte Pauls [SPD]: Jetzt bin ich gespannt!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jamaika verspricht neue Dynamik.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dynamik setzen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP nun auch beim Naturschutz. Schleswig-Holstein wird hiermit eine Lücke schließen und wie 14 andere Bundesländer auch eine eigene Biodiversitätsstrategie aufsetzen. Diese Strategie benötigen wir in Schleswig-Holstein auch dringend,

(Beifall FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

weil wir nur bei einer umfassenden Analyse des IstZustands die Situation um Flora und Fauna im Land wirklich bewerten können.

Wie steht es um den europäischen Flusskrebs? Wie sehr rückt ihm der Louisiana-Flusskrebs bereits auf die Pelle? Gleiches gilt bei der europäischen Sumpfschildkröte und der indischen Schmuckwangenschildkröte.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: In der Tat!)

Invasive Arten, wie wir sie mittlerweile viel in Schleswig-Holstein haben, Bärenklau, Bisamratte, Regenbogenforelle - das kennen die meisten als Lachsforelle im Laden -, Wollhandkrabbe oder

auch gegebenenfalls der Nandu in Lauenburg, um nur einige zu nennen, sind die Kehrseite der Globalisierung. Einige Spezies wurden im vorletzten Jahrhundert für die Jagd oder zur Pelzzucht aktiv hergebracht; andere kamen durch den weltweiten Schiffsverkehr als blinder Passagier. Letzteres wird mittlerweile zum Glück etwas besser geregelt, da es nun Vorgaben zum Austausch von Ballastwasser bei der Schifffahrt gibt.

Für unser ländlich geprägtes Land ist es wichtig, den Erhalt der Naturlandschaften als auch die Pflege der Kulturlandschaften dauerhaft in Einklang zu bringen. Als Landwirt möchte man nicht unbedingt Vielfalt auf dem eigenen Feld. Man will Gerste, man will Roggen, man will Weißkohl. Das ist auch verständlich; die wenigsten möchten, wenn sie sich Weizenbrot kaufen, in Jakobskraut und andere Gräser hineinbeißen.

(Sandra Redmann [SPD]: Häh?)

- Ja, Vielfalt. Darüber können wir nachher noch einmal diskutieren, wenn Sie das nicht verstanden haben.

Wichtig für Schleswig-Holstein ist ein gesundes Landschaftsbild; dies natürlich nicht nur für den naturnahen Tourismus. Auch als Einwohner wird man ein großes Interesse haben, dass es der - ich nenne den neuen En-vogue-Begriff - landschaftlichen Heimat gutgeht.

Zum gesunden Landschaftsbild gehören für uns auch die über Jahrhunderte und Generationen gewachsenen und geschaffenen Kulturlandschaften. Diese dürfen nicht ins Hintertreffen geraten. Das zum Beispiel Verschlammenlassen von Fließgewässern kann und wird sich auch negativ auf bestehende Ökosysteme auswirken. Es können hierdurch anaerobe Verhältnisse, Sauerstoffarmut, Eutrophierung und Artensterben vonstattengehen.

Der europäische Flusskrebs, den ich gerade genannt habe, ist ein Beispiel dafür. Er ist eine Indikatorgattung für eine gute Gewässergüte. Der Krebs braucht klares, sauerstoffreiches Wasser. Das Verschlicken von Gewässern führt auch zu steigenden Grundwasserspiegeln. Hierdurch werden mehr Nährstoffe aus den Böden ausgeschwemmt. Für unsere Nitratund Phosphatverhältnisse wäre das kaum erträglich.

Diese zwei kleinen Beispiele zeigen auf, dass die Wirkungszusammenhänge, die wir hier haben warum kommt eine Art nicht mehr vor, warum ist der Nitratgehalt so hoch? -, wissenschaftlich erhoben und festgestellt werden müssen. Sonst laufen wir Gefahr, dass Naturschutzziele auch gegeneinan

(Heiner Rickers)

derlaufen können. Das ist die große Aufgabe dieser Landesstrategie Biodiversität.

Festzustellen bleibt auch, dass die Kultivierung von Flächen in der Debatte nicht von vornherein zum Erzfeind erklärt wird. Der Mensch ist Teil der Natur. Was ihn von den meisten anderen Arten allerdings unterscheidet, ist, dass er seit jeher die Umwelt und Landschaft mit formt.

Mit der Landesstrategie Biodiversität möchten wir auch gewährleisten, dass ein Ausgleich zwischen naturbelassener und menschlich genutzter Landschaft leichter zu fassen ist und sich wissenschaftlich auf aktuellem Stand befindet. Das ist das Bild of Jamaika. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Erlauben Sie mir zunächst eine Vorbemerkung in Richtung Regierungsbank: Am Wochenende habe ich mit großem Interesse gelesen, dass Sie, sehr verehrter Herr Minister Dr. Habeck, die Begriffe Heimat und Deutschland nicht der AfD überlassen mögen. Auch wenn ich Ihnen leider die Illusion nehmen muss, dass Sie sich in Ihrer Partei gegen andere Kräfte durchsetzen können, bin ich sehr froh, dass wir als AfD den Begriff Heimat wieder einmal in die Debatte eingebracht haben, der lange negativ besetzt war.

(Beifall AfD)

In der Tat steht die AfD zu unserem Land, zu unserer Heimat und bekennt sich seit ihrem Bestehen ganz klar zum Natur- und Tierschutz. Die jüngeren unter den Grünen mögen es nicht wissen: Umweltschutz ist keine Erfindung der Grünen, sondern ein zutiefst konservatives Anliegen. Wir wollen eine intakte Natur bewahren und dabei die Interessen der Menschen nicht beschneiden. Denn auch der Mensch ist Teil der Natur. In unserem Programm heißt es dazu - ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Wir stehen zu unserer Verantwortung für nachfolgende Generationen! Die AfD setzt sich für den Erhalt einer intakten und vielfältigen Natur ein. Eine gesunde Umwelt ist die

Lebensgrundlage für alle Menschen und zukünftigen Generationen.“

Der hier vorliegende Antrag der regierungstragenden Fraktionen deckt sich also mit den Zielen unserer Partei. Die zu erarbeitende Landesstrategie sollte dabei die bisherigen Ergebnisse der seit 2007 laufenden „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ - kurz: NBS - nicht einfach nur aufgreifen, denn die Evaluation des Indikatorenberichts 2014 offenbart, dass die bisherigen Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt noch nicht ausreichend sind. Aus diesem Grund wurde im Oktober 2015 vom Bundesumweltministerium die Naturschutzoffensive 2020 ins Leben gerufen, die die NBS unterstützen und die Realisierung dieser Ziele sicherstellen soll.

Bei der Landesstrategie in Schleswig-Holstein, die in der Tat überfällig ist, müssen derartige Zwischenergebnisse Berücksichtigung finden, ebenso die Tatsache, dass sowohl das Umweltministerium als auch die Naturschutzverbände nach dem zehnjährigen Bestehen der NBS aktuell eine gemischte Bilanz gezogen und darauf hingewiesen haben, dass die beschlossenen Maßnahmen bisher gerade nicht ausreichten, um die ambitionierten Ziele für Schutz, Erhalt und Wiederherstellung einer intakten Natur zu erreichen - so die Bundesregierung. Vielmehr seien weitere große Anstrengungen notwendig.

Aus Sicht der AfD-Fraktion geht daher eine nur an der NBS orientierte Landesstrategie nicht weit genug. Es bedarf weiterer Anstrengungen und Maßnahmen, die auf die Gegebenheiten in SchleswigHolstein zugeschnitten sind. Dazu kommt, das wurde gerade auch gesagt: In einem landwirtschaftlich geprägten Land kann die biologische Vielfalt nur zusammen mit den Landwirten gewährleistet werden. Die verdichtete Bebauung in Wohn- und Gewerbegebieten hat zu einer Versiegelung unserer Ortschaften geführt. Von daher ist die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ein zwingender Bestandteil dieses Projekts.

Die Ausweitung von Naturschutzgebieten ist nur ein Teil einer Strategie. Naturschutz muss auf der ganzen Landesfläche stattfinden, und die betroffenen Grundeigentümer sind dafür mit ins Boot zu holen. Sonst wird aus dem ambitioniertesten Vorhaben nichts.

In diesem Sinne unterstützen wir den Antrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP und wünschen fruchtbringende Beratung im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Dennys Bornhöft)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Artensterben bei Pflanzen oder Tieren ist nicht zu leugnen. So wird bereits seit 1971 vom NABU - damals noch Bund für Vogelschutz - jedes Jahr der Vogel des Jahres gewählt. Ganz aktuell konnte man heute im Radio hören, dass der Star zum Vogel des Jahres 2018 gewählt wurde.

Dabei geht es nicht nur darum, bestimmte Vogelarten der Öffentlichkeit vorzustellen. Vielmehr wird damit das Ziel verfolgt, auf den Artenrückgang hinzuweisen. Ähnlich verhält es sich mit dem Baum des Jahres, der seit 1989 benannt wird. Auch dabei geht es darum, auf seltene Baumarten oder Probleme einer Baumart hinzuweisen. Solche Zeigerarten - ob nun Tiere oder Pflanzen - sind häufig Indikatoren, um auf die Situation bestimmter Lebensräume hinzuweisen. Es gibt spezialisierte Arten, die nur in ganz bestimmten Lebensräumen existieren können. Das Artensterben und der Rückgang von Arten sind immer wieder damit verbunden, dass Lebensräume und Lebensgrundlagen vernichtet werden oder gefährdet sind.