Protokoll der Sitzung vom 13.10.2017

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Das kam so freundlich daher, Herr Kollege, was Sie hier zum Schluss erzählt haben.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Ich bin auch freundlich!)

Auch Ihr Antrag kommt ja scheinbar so freundlich daher. Wir haben hier in einer sehr lebhaften Debatte, wie ich finde, erlebt, worum es wirklich geht. Ich bin Ihnen für diesen Antrag in gewisser Hinsicht sogar dankbar. Denn er bringt Ihre gesamte familienpolitische Substanzlosigkeit auf eine fast mustergültige Art und Weise auf den Punkt. Dieses Papier würde sich aus meiner Sicht schon fast für den Politikunterricht eignen.

Es geht damit los, dass die familienpolitischen Debatten seit Längerem mit einem Grundsatzproblem zu tun haben, nämlich mit dem Problem, dass wir es in Deutschland mit einer historisch gewachsenen Vielfalt diverser familienpolitischer Leistungen zu tun haben, deren Wirksamkeit mit Blick auf das Ziel der Armutsprävention allerdings nicht nur umstritten ist, sondern es hat sich zum Teil inzwischen sogar herausgestellt, dass sie nicht zielgenau wirken - gerade wegen der bestehenden Vielfalt. Diese Debatte ist komplex. Fachlich gibt es hierzu sehr unterschiedliche Auffassungen. Dazu könnte man sich politisch positionieren, auch unterschiedlich, wenn man es wollte.

Die AfD tut dies, indem sie in kompletter Unkenntnis der Debatte losläuft und blindlings eine weitere familienpolitische Leistung fordert. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sie in den 80er-Jahren schon einmal gegeben hat. Ich schlage vor, die Probleme von heute und morgen nicht mit den Lösungen von vorgestern anzugehen.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, weil ich das Wort „Freundlichkeit“ noch einmal in den Fokus der Debatte stellen will, weil der Herr Abgeordnete ja auch so freundlich zu uns gesprochen hat -

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Soll ich unfreund- lich sein?)

- Nein, das sollen Sie nicht.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Na also!)

Herr Dr. Brodehl, es ist auch kein Zufall, dass die Worte „Familien“, „Altersarmut“ oder „Kinderarmut“ in Ihrem vorliegenden Antrag überhaupt nicht vorkommen. Das ist aber ein Kernproblem der Debatte. Es ist ein Kernproblem, das angegangen werden muss.

(Beifall FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren Abgeordnete von der AfD-Fraktion, es ist doch kein Zufall, und das können Sie noch so schönreden, dass mit Mehrkinderfamilien zwar eine von einem erhöhten Armutsrisiko betroffene Familienkonstellation genannt wird, andere aber explizit nicht. Das ist doch kein Zufall. Dabei ist nach Statistiken, die Ihnen ja auch zugänglich sind, in Schleswig-Holstein längst die Gruppe der Alleinerziehenden mehr als doppelt so stark von Armut betroffen wie die Gesamtbevölkerung. Wo kommen die denn in Ihrem Antrag vor, Herr Dr. Brodehl?

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Weil ich glaube, dass dies der richtige Antrag ist, um das auch einmal deutlich zu machen, auch den Menschen draußen im Land, will ich Ihnen sagen: Ihnen sind die Eltern, Ihnen sind die Kinder dieser Familien egal. Sie sind für Sie eine vernachlässigbare Größe, und das muss man bei einem so freundlich daherkommenden Antrag ganz deutlich sagen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU - Jörg Nobis [AfD]: Ungeheuerlich!)

Meine Damen und Herren, ich finde, noch aufschlussreicher ist die Frage: Was will die AfD denn nun für die von Armut bedrohten oder betroffenen Familien mit mehreren Kindern eigentlich tun? Nun ja, jeder, der Ihren Antrag gelesen hat, der kennt die Antwort. In Wahrheit wollen Sie nämlich nichts tun. Es geht Ihnen nicht um die Verbesserung der Situation von Familien mit mehreren Kindern, und das ist für mich in der Tat die wichtigste Botschaft dieser Debatte. Hinter der vordergründigen Rhetorik von Familienfreundlichkeit versteckt sich in Wahrheit Desinteresse dafür.

Ihr Antrag soll nichts, rein gar nichts für Familien in schwieriger wirtschaftlicher Situation bewirken.

Worum es Ihnen geht, ist: Eltern von zukünftig geborenen Kindern - das beantwortet Ihre Frage, Herr Kollege Meyer - sollen beglückt werden, was vordergründig als großzügige 5.000-€-Prämie daherkommt. De facto bedeutet das aber vor allem, dass alle jungen Familien ungebeten mit einer Schuldenlast in eben dieser Höhe belastet werden sollen, wobei der eigentliche Witz des Antrags aus meiner Sicht ist, in welcher Art und Weise diese Schulden abgetragen werden sollen. Das sollte man auch immer wieder sehr deutlich sagen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Herr Dr. Brodehl, ich glaube, wir alle wissen, wie die Menschen auf der Straße so ein Geschäft bezeichnen würden, und wir sind uns wohl einig darüber, dass das, was die meisten dazu sagen würden, nicht dem parlamentarischen Sprachgebrauch entsprechen würde. Deswegen verkneife ich mir das auch an dieser Stelle. Die Eltern im Land wissen auch ziemlich genau, welche materiellen Kosten das Aufziehen eines Kindes in der Tat mit sich bringt.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung steht für ein familienfreundliches SchleswigHolstein, für gute Bedingungen für alle Familienkonstellationen, das schließt insbesondere Alleinerziehende ausdrücklich ein. Das schließt Regenbogen- und Patchworkfamilien ausdrücklich ein, denn die verdienen die gleiche Empathie und die gleiche Zuwendung einer Landesregierung und auch eines schleswig-holsteinischen Parlaments.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Die Beispiele, die hier auf Landesebene angesprochen wurden, wurden von den meisten Vorrednerinnen und Vorrednern genannt. Ich will sagen: Ich finde, wir sollten auch die anstehenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche in Berlin nutzen, um uns ernsthaft mit den Fragen auseinanderzusetzen: Wie gestalten wir beispielsweise die Arbeitswelt familienfreundlicher? Wie gestalten wir unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftsfreundlich, damit dieses Land wirklich ein kinderfreundliches Land ist? Dazu braucht es mit Sicherheit keine Kreditanträge von Ihnen, meine sehr geehrten Herren der AfD-Fraktion.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/ 242 an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist die Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Somit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Es ist beantragt worden, in der Sache abzustimmen. Ich bitte um das Handzeichen. - Wer ist bereit, diesem Antrag zuzustimmen? - Das ist die Fraktion der AfD. Ich warte gern einen Moment. Manchmal überzeugen ja auch Argumente. Wer stimmt dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Abgeordneten des SSW, der Fraktion der FDP und der CDU-Fraktion gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Pauschale Angelverbote aufheben - Angeltourismus im Fehmarnbelt ermöglichen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/243

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Fraktion der AfD hat Herr Abgeordneter Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! Zwei Tage vor der Bundestagswahl wollte die SPD noch ein letztes Mal zeigen, wie sie mit der Regierungsverantwortung umgeht. Am 22. September hat die scheidende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Verordnungen zur Einrichtung von sechs Schutzgebieten in der ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee unterzeichnet und damit Angelverbote in Kraft gesetzt, die weitreichende Folgen für Angler, Kutterkapitäne und das Tourismusgewerbe hier bei uns im Land haben.

Selbst der ehemalige Kieler Wirtschaftsminister Reinhard Meyer, er ist selbst ein SPD-Mann, rügte das unbotmäßige Verhalten seiner Parteigenossin, die - in seinen Worten - ein klares Doppelfoul be

(Minister Dr. Heiner Garg)

ging, indem sie sich über den Ministervorbehalt von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt einfach hinwegsetzte. Bereits im Frühjahr gab es Pläne, die das Angeln in den Bereichen Borkum Riffgrund, Fehmarnbelt, Kadettrinne, Pommersche Bucht, Rönnebank, Sylter Außenriff und Östliche Deutsche Bucht teilweise untersagen sollten. Doch Gespräche zwischen Fischereifachverbänden, Umweltverwaltung und Politik sowie der angekündigte Vorbehalt des Bundesministers sollten das Verfahren aufschieben, und zwar so lange, bis wissenschaftliche Begründungen für das Verbot vorliegen.

Doch diese wissenschaftlichen Begründungen der hendrickschen Verordnung liegen bis heute nicht vor. Stattdessen setzte sich die SPD-Ministerin über alle Bedenken arrogant hinweg, so die Wortwahl von Herrn Meyer, der heute übrigens Präsident des Deutschen Tourismusverbandes ist.

Damit hat sie, die Ministerin, den deutschen Anglern ein bitteres Vermächtnis hinterlassen, erklärte der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein voller Enttäuschung. Weiter heißt es in der Erklärung des Verbandes, ich zitiere:

„Die Begründungsversuche des Bundesumweltministeriums sind konstruiert und halten keiner fachlichen Prüfung stand.“

Der Verband bezieht sich hierbei auch auf die in der Verordnung getroffene Aussage, wonach die Meeresflora und -fauna sowie Riffstrukturen durch das Angelverbot besser geschützt werden sollen. Im Gegenteil sei es nicht ersichtlich, warum zum Beispiel kleinere Anglerboote, rastende Meeresvögel und andere Tiere mehr stören sollten als der gesamte sonstige Seeverkehr. Es sei schließlich im Interesse der Angler selbst, dass die Fischbestände dort keinen Schaden nehmen.

Uns ist bewusst, dass Sie, sehr geehrter Herr Minister Dr. Habeck, immer bemüht sind, widerstreitende Interessen auszugleichen, um zusammen mit den betroffenen Akteuren einen Weg eines gangbaren Kompromisses zu finden. Das zeigen Sie bei der Energiewende, das haben Sie im Rahmen der Dieseldebatte hier im Parlament bekannt, das wollen Sie im Umgang mit dem Wolfshund machen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Doch in diesem Fall haben Sie wohl zu sehr für die stummen Fische gesprochen und die Stimmen der Angler und die der anderen Betroffenen überhört. Deren Protest ist nicht nur laut, sondern auch begründet, denn die jetzt für Freizeitangler ausgewiesenen Gebiete sind für diese schlichtweg uninteressant.

Der Angeltourismus ist wichtig für diese Region unseres Landes und droht nun, dort zum Erliegen zu kommen. Die Freizeitkutterkapitäne in Dänemark, in Norwegen und wer weiß noch wo werden sich auf neue Kundschaft freuen, während die Existenz des regionalen Tourismus, der Küstenwirtschaft und der gewachsenen Angelkultur in Schleswig-Holstein gefährdet ist. Bedenken Sie nur einmal, wie viel Treibstoff verbraucht wird, wenn Freizeitangler jetzt wegen des Verbotes an Ostholstein vorbei bis in den hohen Norden fahren oder gar fliegen müssen.

Man könnte jetzt sagen: Der Drops ist gelutscht, Frau Hendricks hat den Deckel auf die Akte geklappt. Aber wir möchten Sie, die neue Landesregierung, vor dem Hintergrund einer neuen Landesregierung und einer künftigen neuen Bundesregierung aufrufen, sich auf Bundesebene gegen dieses unsinnige Angelverbot einzusetzen, auch wenn es mühsam und langwierig sein sollte.

Ich meine, unsere Angler und Kutterkapitäne und unser Tourismusgewerbe haben das einfach verdient. Wir beantragen Abstimmung in der Sache. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Klaus Jensen.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, SPD, wir haben das eben gehört, hat am 22. September 2017 als eine ihrer letzten Amtshandlungen zwei Tage vor der Bundestagswahl eine Verordnung über die Einrichtung von Naturschutzgebieten in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), der Nord- und Ostsee, unter anderem auch im Fehmarnbelt, unterzeichnet. Diese Festsetzung führt im Fehmarnbelt dazu, dass pauschale Angelverbote in diesen Gebieten gelten - und dies mit der Veröffentlichung am 27. September 2017 unmittelbar und sofort.

Dieses Vorgehen ist unter anderem vom Präsidenten des Deutschen Fischereiverbandes Holger Ortel - auch SPD - mit den Worten bezeichnet worden: Das ist unanständig. So etwas macht man nicht!

(Beifall Claus Christian Claussen [CDU])