Protokoll der Sitzung vom 13.10.2017

(Beifall Claus Christian Claussen [CDU])

(Volker Schnurrbusch)

Meine Damen und Herren, worum geht es? Die Ausweisung von Schutzgebieten ist im Prinzip nicht zu beanstanden. Das kennen wir aus anderen Bereichen zu Wasser und zu Lande auch. Aber offensichtlich ist dieses ganze Verfahren zu großen Teilen an der betroffenen Bevölkerung vorbeigegangen. Anders kann man doch den Aufschrei an der Ostküste nicht verstehen. Hier reicht eine formale Beteiligung der zuständigen Landesbehörden nicht aus. Zudem wird die wissenschaftliche Grundlage der Gebietsausweisung von den Betroffenen massiv infrage gestellt. Die Proteste gegen den umstrittenen Alleingang kommen aus vielen politischen und gesellschaftlichen Richtungen. Offenbar war auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt nicht in das Vorgehen eingebunden und beklagte eine Verletzung des Vertrauensverhältnisses. Und der uns noch allen bekannte Präsident des Deutschen Tourismusverbandes Reinhard Meyer, SPD, hat sich ebenfalls gegen dieses Angelverbot und für Nachbesserungen ausgesprochen.

Die Konsequenzen für den Angeltourismus auf Fehmarn und an der Ostseeküste sind aber auch gewaltig. Die Angelkutterbetreiber, Inhaber von Angelgeschäften und Hafenbetreiber, die Vermieter von Hotels, von Ferienwohnungen, sie alle werden empfindliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Hier besteht die Gefahr, dass mancher dieser sehr spezialisierten mittelständischen Betriebe an der Küste in Existenznot gerät. Das kann es doch nicht sein.

Meine Damen und Herren, sämtliche Vertreter des Angeltourismus stehen zum Meeresschutz; selbstverständlich stehen sie dazu. Es gibt genug Anknüpfungspunkte, an denen eine Nachbesserung, wie auch Reinhard Meyer dies fordert, möglich erscheint. Hier könnte sich vielleicht auch die Landesregierung noch konstruktiver einbringen, obwohl ich auch weiß, dass die Zuständigkeit eindeutig beim Bund liegt.

Ich möchte zum Schluss noch aus der Beschlusslage des vorigen Landtages zitieren, in der festgehalten wird, dass, ich zitiere, „das geplante Verbot des Freizeitangelns in der Ostsee dem Schutz der Natur nicht dient, dagegen ein solches Verbot die Akzeptanz der Bevölkerung für den Naturschutz gefährdet.“ Offensichtlich ist genau das passiert.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Die CDUFraktion hat durchaus großes Verständnis für die betroffenen Akteure. Pauschale Verordnungen auf wissenschaftlich dünnem Fundament sind nicht unsere Sache.

(Beifall CDU - Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dennoch: Meine Fraktion wird - Marlies Fritzen -, aufgrund der fehlenden gemeinsamen Position innerhalb der Koalitionsfraktionen den vorliegenden Antrag ablehnen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kerstin Metzner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete! Liebe Gäste auf der Tribüne! „Naturschutzgebiet Fehmarnbelt aufheben - Freizeitfischerei in der AWZ ermöglichen.“ Worum geht es in diesem Antrag? In der ausschließlichen Wirtschaftszone, normalerweise 12 sm, also über 20 km vor der Küste, wurden Naturschutz-, genauer gesagt Meeresschutzgebiete ausgewiesen. Naturgemäß ist die Entfernung im Fehmarnbelt geringer. Wie in jeder Regelung zum Naturschutz gibt es Erlaubnisse, Einschränkungen und auch Verbote. Aber: Es gibt keine Verordnung, mit der allein ein Angelverbot in der AWZ erlassen wurde. Sowohl Politik aus auch Angler wissen, dass nutzungsfreie Gebiete eingerichtet werden müssen, um den Zielen von FFH- und Vogelschutzrichtlinien gerecht zu werden und den Forderungen der EU-Meeresstrategierahmenrichtlinie zu folgen.

Zu beidem ist Deutschland EU-rechtlich verpflichtet. Deutschlands Meeresschutzgebiete existierten bislang nur auf dem Papier. Die bereits ausgewiesenen Natura-2000-Flächen mussten endlich rechtlich gesichert werden. Insbesondere auch deshalb, weil die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben gerade dem Antrag zur Landesstrategie Biodiversität zugestimmt. Genau diesem Ziel, dem Erhalt der Biodiversität in dem Riff am Fehmarnbelt, dient die Ausweisung dieses Schutzgebietes.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Natur fragt uns nicht, ob wir gerade hier und gerade jetzt an dieser Stelle unseren geliebten Dorsch angeln wollen.

(Zuruf: Ne!)

(Klaus Jensen)

Der Verordnungsentwurf wurde über ein Jahr lang diskutiert. Lassen Sie uns Revue passieren, was seit dem ersten gemeinsamen Vorschlag von Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium geschehen ist: Das zunächst beabsichtigte hundertprozentige Angelverbot in den zur Ausweisung geplanten Gebieten wurde nach einem intensiven Dialog mit den Betroffenen zurückgenommen. In einem zweiten Anlauf wurde die vorgesehene Fläche für den Fehmarnbelt auf 30 % reduziert - entgegen allen Empfehlungen aus naturschutzfachlicher Sicht.

In einem weiteren Diskussionsprozess wurde schließlich der Kompromiss gefunden, die Fläche weiter östlich zu verschieben und auf 23 % der Ursprungsfläche zu verkleinern. Der geforderte Ausgleich zwischen den Schutz- und den Nutzungsinteressen in den angesprochenen Gebieten ist also erfolgt. Aufgrund des intensiven Dialogs tragen selbst die Naturschutzverbände diesen Kompromiss mit. Wer allerdings die Berichterstattung zu diesem Thema in den Medien verfolgt hat, könnte meinen, die Bundesumweltministerin hätte eine diktatorische Entscheidung gefällt.

(Beifall Peer Knöfler [CDU])

Ein Blick in die lokale Presse offenbart sogar, dass unser FDP-Kollege Dennys Bornhöft die Entscheidung als „zutiefst undemokratisch“ empfindet.

(Peer Knöfler [CDU]: Wir auch!)

Dabei haben sich die Fachminister der CDU/CSU bewusst ein für das Bundesnaturschutzgesetz vorgesehenes Vetorecht bei der Ausweisung der Schutzgebiete im Juni dieses Jahres wegstimmen lassen, wohl, um im Wahlkampf nicht diese Verantwortung übernehmen zu müssen.

(Sandra Redmann [SPD]: So ist es!)

Mal ehrlich: Warum sollte eine Ministerin eine angekündigte Entscheidung nicht treffen, wenn ihr die Befugnis dafür vom Bundestag erteilt wurde?

(Beifall SPD)

Das Erstaunliche an dieser Debatte ist, dass bereits seit Bekanntwerden der Vorschläge von Einbußen bei der Angelfischerei berichtet wurde, obwohl es noch nicht einmal eine konkrete Veranlassung gab. Bekanntlich sind die Verordnungen erst am 28. September dieses Jahres in Kraft getreten. Es macht mich schon stutzig, wenn ein Vertreter eines Angelverbandes in einem Fernsehinterview äußert: Wir sind zwar nicht betroffen, wir wollen das aber nicht. Es tut mir leid, ich sehe auch eine Mitverant

wortung der Initiativen vor Ort, die von Anfang an suggeriert haben, dass die Dorschangelei kaum möglich ist. Ein bisschen weniger Polemik und ein bisschen mehr Ehrlichkeit wären hier sicher angebracht.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die SPD-Fraktion wird deshalb den Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Marlies Fritzen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vor zwei Wochen ausgesprochene Verordnung für insgesamt sechs Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee begrüßen wir als Grünen-Fraktion außerordentlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vorangegangen ist ein jahrelanges Verfahren. Es ist keineswegs so, dass das mal so eben im HauruckVerfahren zwei Tage vor oder nach irgendwelchen Terminen gemacht wurde. Und unbotmäßig ist eine solche Regierungshandlung schon gleich zehnmal nicht.

Vorangegangen war ein langes Verfahren. Es war nicht nur ein formelles, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern auch ein breites Verfahren, das durch die Bundestagskollegen Gädechens - CDU und Hagedorn - SPD - mit breiter Beteiligung und Diskussion innerhalb der Bevölkerung, aber auch mit den Fischern und Anglern vor Ort geführt wurde. Es gab mehrere Termine, über die auch in der Presse berichtet worden ist. Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Herr Flasbarth, ist mit vor Ort gewesen. Es ist breit diskutiert worden, und es gibt eine breite wissenschaftliche Grundlage. Die kann man gern infrage stellen, müsste dann aber bitte irgendetwas außer Behauptungen dagegenstellen. Das ist nun einmal der Kern von Wissenschaft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es gibt auch keinen Ministervorbehalt, wie immer wieder suggeriert wird. Das ist sehr deutlich geworden: Man muss nur die Protokolle des Bundestages dazu lesen.

(Kerstin Metzner)

Noch einmal: Wir begrüßen diese Unterschutzstellung. Sie ist erforderlich, um in diesem Gebiet die Meeresumwelt zu erhalten. Dieser Schritt ist absolut überfällig. Es ist schon gesagt worden: Es gab ein Vertragsverletzungsverfahren der EU. Da kann man nicht sagen, man geht einfach darüber hinweg und ignoriert es. Das wäre keine gute Auffassung von Regierungen. Die Einschränkungen für den Angeltourismus im Schutzgebiet Fehmarnbelt sind nach unserer Auffassung vertretbar.

Es gibt auch Leute, die den Klimawandel leugnen. Wir wissen auch, dass es manche Leute gibt, die den Artenschwund leugnen. Existenzsichernd ist das Schutzgebiet meiner Meinung nach aber nicht nur für die Fische und den Lebensraum, sondern auf lange Sicht auch für die Kutterbetreiber, die nämlich, wenn sie sich ihrer Grundlage berauben würden, keine Kutterfahrten mehr anbieten könnten. Insofern glaube ich, dass beide Seiten davon profitieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Sandra Redmann [SPD])

Diese Einschränkungen sind bei Weitem nicht so gravierend, wie es von einigen in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Im Gegenteil: Gegenüber dem ersten Entwurf sind die Schutzzonen, um die es hier in diesem Antrag konkret geht, fast halbiert worden, glaube ich. Es ist also ein Kompromiss, auf den man natürlich mit unterschiedlichen Blickrichtungen gucken kann, wir haben heute Morgen schon einmal darüber gesprochen. Anders, als die Kollegin Metzner sagte, habe ich die Naturschutzverbände so wahrgenommen, dass sie es durchaus kritisch und als nicht weitgehend genug sehen.

Ich will es noch einmal freundlich versuchen: Es mag ja auch ein Hinweis darauf gewesen sein, dass es tatsächlich um einen Kompromiss in Richtung Angeltourismus und Kutterwirtschaft ging. Der Kompromiss folgt den naturschutzfachlichen Erfordernissen und nimmt auch Rücksicht auf die Nutzerinteressen. Ich sehe in der Sache keinen weiteren Handlungsbedarf.

Im Übrigen: Es wurde suggeriert, dass unser Ministerium nicht beteiligt wurde. Die Verfahren sind aber nicht politisch. Es gibt da festgelegte Formen. Man kann gar nicht anders, als die Behörden hier vor Ort im Rahmen der Fachbeteiligung zu beteiligen. Auch da sollte man nicht Behauptungen in die Welt stellen, sondern sich an der Faktensituation abarbeiten. Da kann man unterschiedlich darauf gucken, aber zu behaupten, es gebe keine Beteili

gung, ist schlicht falsch. - Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Metzner sprach gerade an, dass ich in meiner Pressemitteilung den Erlass als undemokratisch kritisiert hätte. Das stimmt, und ich habe jetzt die Möglichkeit, darzustellen, warum ich so empfinde. Es müssen nämlich ziemlich komische Szenen gewesen sein, die sich am letzten regulären Arbeitstag der Bundesumweltministerin vor der Bundestagswahl abgespielt haben. Da ist man seit über zwei Jahren dabei, Schutzzonen für den Erhalt von Flora und Fauna in Nord- und Ostsee einzurichten, verbleibt aber in der Bundesregierung über die Zonierung im Dissens.

Dass man einen Dissens hat, ist soweit im politischen Alltag nichts Ungewöhnliches. Spannend wird es aber, wenn am Freitag unter dem größtmöglichen Ausschluss der Öffentlichkeit in den letzten Stunden der regulären Amtszeit solch eine Verordnung erlassen wird.